Die Menschen mitnehmen
Christian P. Illek, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, warnt vor "digitalem Außenseitertum", weil es unsere Zukunft und unseren Wohlstand gefährdet.
25.01.2016
Von Christian P. Illek
Über Deutschlands Zukunft türmen sich erste dunkle Wolken auf. Was die digitale Leistungsfähigkeit betrifft, belegt Deutschland mit Platz zehn nur einen Mittelplatz unter den 28 EU-Staaten. Das ist alarmierend und deutet auf ein Kernproblem in unserem Lande hin: Wir laufen Gefahr, als Wissensgesellschaft zu versagen, und gefährden damit unsere Zukunft und unseren Wohlstand. Digitales Außenseitertum ist Gift für Gesellschaft und Wirtschaft.
Es muss gehandelt werden: Wir müssen nicht nur die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Digitalisierung schaffen, sondern auch die Menschen befähigen, aktiver Teil dieser Veränderung zu sein. Mehr noch: Menschen müssen nicht nur an der Digitalisierung teilhaben, sondern sie sollten auch in der Lage sein, etwas zu den damit verbundenen Wertschöpfungsprozessen beizutragen.
Digitale Kompetenz als Schlüsselqualifikation
Digitale Kompetenz wird nicht nur zur Schlüsselqualifikation für Arbeit, sondern für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben überhaupt. Ohne gehörige Anstrengungen in diesem Bereich wird nämlich das Heer der digitalen Außenseiter anwachsen und in letzter Konsequenz zu ernsten volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen. Um das zu verhindern, brauchen wir eine alles umfassende Bildungsoffensive, die vor allem Bildungseinrichtungen und Wirtschaft noch enger verzahnt. Die Ausbildung an unseren Schulen und Universitäten ist nicht mehr zeitgemäß und nicht marktgerecht. Viele Lehrpläne in Deutschland sind veraltet und müssen dringend reformiert werden. Dies muss bei den politischen Gestaltern oberste Priorität haben. Informatikunterricht als Pflichtfach an unseren Schulen wäre zum Beispiel ein Teil des Puzzles. Die Politik muss aber auch bereit sein, die Bildungseinrichtungen mit den nötigen Mitteln zu versorgen und in die Lehrerausbildung zu investieren. Weitere Beispiele ließen sich finden.
Klar ist: Digitale Zukunft zum Nulltarif gibt es nicht. Seien wir ehrlich: Die Digitalisierung wird auch Arbeitsplätze vernichten. Gefährdet sind vor allem Menschen mit geringem Bildungsniveau und Tätigkeiten, welche sich gut durch Maschinen und Technologie ersetzen lassen. Ja, es wird auch neue Arbeit entstehen. Aber wenn wir den Menschen den Eintritt in das digitale Zeitalter nicht ermöglichen, wird hier ein erhebliches Delta bleiben - mit den entsprechenden negativen Folgen für Staat und Gesellschaft.
Die Chancen der Digitalisierung
Blicken wir nach vorn: Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für die Humanisierung der Arbeit. Ich rede nicht davon, dass stupide Tätigkeiten wegfallen werden - Skeptiker nehmen ja gerade diese Umwälzung gerne als Beleg für die Entmenschlichung von Arbeit durch die Digitalisierung, obgleich Monotonie und Unterforderung doch nichts mit menschenwürdiger Arbeit zu tun haben.
Ich spreche von der Verbesserung von Arbeitsbedingungen und von Arbeitsqualität. Wir haben die Chance, flexibler und ortsungebundener zu arbeiten, wir können (und müssen) kollaborativer zusammenarbeiten als bisher und können in abteilungsübergreifenden Teams unsere individuellen Fähigkeiten viel besser einbringen. Und: Wir werden Wissen mehr und mehr teilen und damit auch Prozesse in den Unternehmen demokratisieren. Damit werden Unternehmen krisenfester. So genannte Command-&-Control-Kulturen funktionieren nicht mehr, Fehlentwicklungen, die sich zu bedrohlichen Skandalen ausweiten können, werden viel früher transparent und können rechtzeitig korrigiert werden.
Die Neuordnung darf nicht einer kleinen Elite vorbehalten bleiben.