Bewegung im nachhaltigen Investment – der neue Best-in-Progress-Ansatz
Es kommt Bewegung ins nachhaltige Investment: Mit dem neuen Best-in-Progress-Ansatz (BIP-Ansatz) ist es Anlegern möglich, die Unternehmen für die Kapitalanlage auszuwählen, die in den vergangen Jahren die größten Fortschritte im Umgang mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung gemacht haben. Der Ansatz verspricht positive Wirkungen sowohl auf die Performance als auch für eine nachhaltige Entwicklung.
11.04.2017
Lange hieß es im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg, dass man sich „Nachhaltigkeit leisten können muss“, es sich also nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen erlauben können, auch nachhaltig zu agieren. Zwischenzeitlich gibt es Analysen, die eher das Gegenteil nahelegen und eine nachhaltige Unternehmensführung nicht als Folge, sondern als Ursache für wirtschaftlichen Erfolg ausmachen. Beide Interpretationen haben eines gemeinsam: Sie gehen von einer positiven Korrelation zwischen der Entwicklung des finanziellen und des nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmenserfolgs aus.
Diesen Zusammenhang greift der neue BIP-Ansatz auf, in dem gezielt die Unternehmen zum Investment ausgewählt werden, die die größten messbare Fortschritte bei der Nachhaltigkeitsleistung machen und daher auch unter Rendite-Risiko-Gesichtspunkten besonders interessant sein können. Basis der Auswahl sind Bewertungen der Unternehmen durch Nachhaltigkeitsanalysten bzw. Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Anleger können damit potenziell eine positive wirtschaftliche Entwicklung mit einer positiven Wirkung für eine nachhaltige Entwicklung verbinden.
Hintergrund dieser Überlegungen ist die Tatsache, dass gerade Unternehmen, die sich in einer frühen Phase des Umgangs mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung befinden, häufig relativ schnell relevante Verbesserungen erreichen und dies bei vergleichsweise niedrigen Grenzkosten. Die Reduzierung ihres „Fußabdrucks“ etwa durch die Senkung der Energie- und Rohstoffverbräuche und die umwelteffiziente Gestaltung von Prozessen kann in der Regel gleichzeitig zu einer Verbesserung auf finanzieller Ebene führen. Die erzielten Einsparungen bei Energie und Rohstoffen leisten gleichzeitig einen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung.
Eine Analyse von MSCI ESG Research vom Juni 2015 gibt erste Hinweise darauf, dass eine Strategie, bei der Unternehmen in einem Portfolio übergewichtet werden, die ihr Nachhaltigkeitsrating in den vergangenen Jahren verbessern konnten, zu einem besseren Anlageerfolg führen kann. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine gemeinsame Studie von European Centre for Corporate Engagement (ECCE) und NN Investment Partners aus dem April 2016. Sie zeigt, dass die Berücksichtigung der Veränderungen von Nachhaltigkeitsratings („Momentum“) bei der Anlageentscheidung wertvollere Beiträge zur Rendite liefert als die Auswahl auf Basis der aktuellen Bewertungen („Level“).
Best-in-Progress-Ansatz erweitert den Instrumentenkasten um ein dynamisches Werkzeug
Parallel zum Wachstum des Marktes für nachhaltige Kapitalanlagen ist der Instrumentenkasten, der nachhaltigen Anlegern zur Verfügung steht, in den vergangenen Jahren stetig umfassender geworden. Neben den klassischen Ausschlusskriterien gehören heute die Dialogstrategien Engagement und Stimmrechtsausübung ebenso dazu wie die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die konventionelle Finanzanalyse und Themeninvestments.
Gerade im europäischen Raum hat zudem der Best-in-Class-Ansatz vergleichsweise hohe Bedeutung. Bei seiner Anwendung werden die Emittenten von Aktien oder Anleihen zum Investment ausgewählt, die innerhalb ihrer Branche zu den Spitzenreitern im Umgang mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit zählen. Viele Investoren verbinden damit das Motiv, innerhalb einer Branche einen Wettbewerb um die Spitzenplätze auszulösen und so das Niveau der nachhaltigkeitsbezogenen Anstrengungen in der Branche zu heben.
Um dies zu erreichen, verschärfen die Nachhaltigkeitsanalysten bzw. Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, die den Best-in-Class-Status messen und vergeben, regelmäßig die Anforderungen an die Unternehmen. Diese „Optimierung an der Spitze“ führt dazu, dass sich in vielen Branchen eine kleinere Zahl von Unternehmen in der Tat einen Wettbewerb liefern, die Mehrheit der Unternehmen aber kaum eine Chance hat, sich für nachhaltige Investoren zu empfehlen. Dies ist aus Nachhaltigkeitsperspektive insofern problematisch, als – wie dargestellt – gerade Unternehmen, die damit beginnen, Nachhaltigkeitskriterien in der Unternehmensführung zu berücksichtigen, hier oft besonders große Fortschritte machen.
Verschiedene Umsetzungsvarianten
Genau diese Unternehmen stehen wie dargestellt im Fokus des neuen Best-in-Progress-Ansatzes. Basis der Auswahl für ein Anlageuniversum oder Portfolio ist hier nicht der erreichte Status quo, sondern die Verbesserung der nachhaltigkeitsbezogenen Leistungen der Unternehmen. Ausgewählt werden die Unternehmen, die in den vergangenen Jahren die größten Fortschritte im Nachhaltigkeitsmanagement gemacht haben. Indikator hierfür ist wiederum eine Verbesserung der Bewertung der Unternehmen durch Nachhaltigkeitsanalysten bzw. Nachhaltigkeits-Ratingagenturen. Der Ansatz trägt damit auch der Tatsache Rechnung, dass Veränderungen der Performance grundsätzlich besser zu messen und zu bewerten sind als deren absolutes Niveau.
Für die Umsetzung des BIP-Ansatzes gibt es verschiedene Varianten. So kann sich die Auswahl beispielsweise auf die nachhaltigkeitsbezogene Gesamtbewertung des Unternehmens beziehen oder auf einzelne Aspekte der Unternehmenstätigkeit, also z. B. die Fortschritte bei der Energie- und Ressourceneffizienz. Im Bezug auf die von den Unternehmen erzielten Fortschritte können zwei Varianten unterschieden werden: eine relative und eine absolute. Bei der absoluten Variante werden nur Emittenten ins Anlageuniversum aufgenommen, deren Bewertung der Nachhaltigkeitsleistungen sich in der betrachteten Periode absolut verbessert hat. Bei der relativen Variante werden auch Emittenten berücksichtigt, deren Bewertung bei steigenden Anforderungen seitens der Nachhaltigkeitsanalysten zumindest konstant geblieben ist. Der BIP-Ansatz kann grundsätzlich als eigenständiger Ansatz zur Definition eines Anlageuniversums oder in Kombination mit dem Best-in-Class-Ansatz genutzt werden. Gleichzeitig ist die Kombination mit den anderen nachhaltigen Anlagestrategien, insbesondere auch Ausschlusskriterien möglich.
Fallstudie
Als weltweit erster Fonds setzt der „Hamburger Nachhaltigkeitsfonds – Best in Progress“ der Hamburger Sparkasse (Haspa) den neuen Ansatz um. Der Aktienfonds arbeitet mit dem absoluten BIP-Ansatz und investiert in Unternehmen, die bei den vergangenen drei bis vier Nachhaltigkeitsbewertungen eine relevante Verbesserung erreicht haben. Die dabei zugrunde gelegten Nachhaltigkeitsratings stammen von der Nachhaltigkeits-Ratingagentur Vigeo Eiris und ihrem deutschen Partner imug rating. Ausgangsuniversum für die Analyse und Auswahl geeigneter Unternehmen ist der Stoxx Europe 600®.
Neben den Anforderungen an den Fortschritt wurden für den Fonds weitere konzeptionelle Eckpunkte definiert. So müssen die Unternehmen von Vigeo Eiris ein Mindestrating von 30 auf der von 0 bis 100 reichenden Skala erhalten. Vom Investment ausgeschlossen werden Unternehmen, die kontroverse und konventionelle Waffen oder Atomstrom produzieren bzw. damit handeln oder in schwerwiegende Verstöße gegen anerkannte Arbeits- und Menschenrechte involviert sind.
Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und der zu erwartenden, auch wirtschaftlichen Auswirkungen der internationalen Klimaschutzpolitik schließt der Fonds zudem Unternehmen aus, deren Geschäftsmodell auf der Gewinnung und Verarbeitung fossiler Energien (Kohle, Öl und Gas) beruht. Von der Anlage ausgeschlossen sind schließlich auch Eigentümer und Betreiber von Uranminen.