Freiwillige Umweltstandards in Gefahr
Einige Mitglieder des EU-Parlaments wollen in der Verhandlung um die EU-Richtlinie „Unfair Trading Practices“ freiwillige Umwelt- und Tierschutzstandards schwächen. Die Partner des Projekts LIFE Food & Biodiversity warnen vor den Folgen. Freiwillige Standards und Beschaffungsvorgaben sind für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion unverzichtbar, da gesetzliche Vorgaben nicht ausreichen, um drängende ökologische und soziale Missstände zu lösen.
27.11.2018
Konservative Mitglieder des EU-Parlaments wollen die geplante EU-Richtlinie zu den sogenannten „Unfair Trading Practices“ (COM(2018)0173) nutzen, um freiwillige Umwelt- und Tierschutzstandards massiv einzuschränken. Eigentlich ist das Ziel der geplanten EU-Richtlinie, die Position von Landwirten gegenüber großen Handelsketten zu stärken und unlautere Praktiken wie Preisabsprachen sowie Preisdumping zu verhindern. Dies können die Umweltorganisationen des Projekts LIFE Food & Biodiversity nur unterstützen. Die Preiskämpfe, die im deutschen Lebensmittelhandel stattfinden – z.B. bei tropischen Früchten wie Bananen und Ananas oder auch bei Milch – gehen zu Lasten der Landwirte bzw. der Kleinbauern und Plantagenarbeiter in Entwicklungsländern. „Faire Entlohnung und verantwortungsvolle Arbeitsbedingungen, Maßnahmen zum Schutz von Wasser, Boden und Klima sowie zum Erhalt der Biodiversität sind bei solch niedrigen Einkaufspreisen einfach nicht möglich“, sagt Marion Hammerl, Präsidentin des Global Nature Fund (GNF).
Mitglieder der CSU und der CDU im Agrarausschuss des EU-Parlaments versuchen durch einen Änderungsantrag zur neuen Richtlinie, Regelungen von Umwelt- und Tierschutzstandards, die über das gesetzliche Niveau hinausgehen, zu verbieten. Sollte dieser Vorschlag in die finale Richtlinie eingehen, dann würden freiwillige Standards nationaler Handelsketten wie REWE oder Kaufland zur Tierhaltung oder beim Pestizideinsatz als unfaire Handelspraxis verboten.
Ambitionierte Standards und Beschaffungsvorgaben sind unverzichtbar
Standards und Beschaffungsvorgaben für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion sind unverzichtbar, solange die gesetzlichen Vorgaben nicht ausreichend strikt sind, um die drängenden sozialen Missstände, die verheerenden Zustände bei der Tierhaltung und die dramatischen Umweltprobleme, z.B. Grundwasserverschmutzung durch Nitrat, Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Biologischen Vielfalt, zu lösen. GNF, Bodensee-Stiftung und weitere Partnerorganisationen des Projekts Life Food & Biodiversity unterstreichen, dass Standards und Unternehmen mit Anforderungen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus in weiten Teilen Aufgaben übernehmen, die eigentlich der Gesetzgeber erfüllen müsste. „Die gesetzlichen Vorgaben hinken teilweise drastisch hinterher, wenn es um soziale Verantwortung, Tierwohl und Umwelt- und Naturschutz geht. Es ist unfairer Wettbewerb, wenn Lebensmittel zu Lasten von Bauern und der Umwelt produziert und auch noch subventioniert werden. Nachhaltige Produkte sollten nicht die Ausnahme, sondern die Norm sein!“, so Hammerl.
Im Rahmen des Projekts LIFE Food & Biodiversity arbeiten Umweltorganisationen, wissenschaftliche Institutionen, Lebensmittelstandards sowie Unternehmen aus der Lebensmittelbranche gemeinsam daran, bestehende Standards sowie Beschaffungs-vorgaben von Lebensmittelunternehmen weiterzuentwickeln und den Schutz der Biologischen Vielfalt besser zu berücksichtigen. Die „Empfehlungen für effektive Biodiversitätskriterien“ wurden inzwischen von über 40 Standards und Unternehmen aufgegriffen und werden im Rahmen von Revisionen und bei der Fortbildung von landwirtschaftlichen Beratern, Zertifizierern, Produkt- und Qualitätsmanagern berücksichtigt. Im Positionspapier „How to reinforce biodiversity performance in the future Common Agricultural Policy“ formulieren die Organisationen Vorschläge, wie der Schutz der Biologischen Vielfalt in der zukünftigen EU-Agrarpolitik verankert werden sollte. Auch hier wird die Bedeutung anspruchsvoller Standards und Initiativen für die Weiterentwicklung der Lebensmittelproduktion in Europa in Richtung Nachhaltigkeit unterstrichen.
„In den Verhandlungen um die EU-Richtlinie COM(2018)0173 sind nun vor allem die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten gefordert, diesen Antrag zu verhindern. Eine nachhaltige Landwirtschaft braucht ambitionierte Umwelt- und Tierschutzstandards, die bisher von freiwilligen Initiativen vorangebracht werden“, schließt Hammerl.