Ist das MSC-Siegel glaubwürdig?
Mehr als 60 Umwelt-Organisationen und Wissenschaftler haben in einem offenen Brief massive Kritik am nachhaltigen Fisch-Gütesiegel MSC erhoben. Sie fordern strengere Kontrollen und eine umgehende Nachbesserungen der Standards.
01.02.2018
Eine verantwortungsvolle Fischerei darf weder zu Überfischung noch zu einer Zerstörung von marinen Lebensräumen führen. Nur so sind die Zukunft der Fischerei und die Versorgung mit Fisch gesichert. Die Realität sieht anders aus: Nach Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gelten bis zu 89 Prozent der wirtschaftlich wichtigen Fischbestände als maximal genutzt, überfischt oder bereits kollabiert.
1997 gründeten daher Unilever (einer der weltweit größten Verarbeiter von Fisch) und der WWF eine Initiative für eine verantwortungsvolle Fischerei: den „Marine Stewardship Council“ (MSC). Der MSC ist inzwischen eine unabhängige, internationale Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, durch einen handelsbasierten Ansatz die Fischerei-Management-Praktiken zu verbessern und Kunden mit der “ökologisch besten Wahl bei Fischen und Meeresfrüchten“ zu versorgen. Offizielle Zielsetzung des MSC ist die Sicherung der Fischbestände für die Zukunft.
Im Dezember 2016 waren 296 Fischereien in 35 verschiedenen Ländern mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet. Diese Fischereien machen laut MSC Global Impacts Report von 2017 circa zwölf Prozent an der jährlich weltweit gemeldeten Fangmenge für Fische und andere Meerestiere aus. In Deutschland hat das Siegel nach Angaben des Umweltbundesamts bereits einen Marktanteil von rund 64 Prozent bei wildgefangenem Fisch.
An der Praxis gibt es heute massive Zweifel und Kritik. So beklagt beispielsweise Greenpeace:
- Ein fehlendes Vorsorgeprinzip
- Zertifizierung von Fischereien mit zerstörerischen Fangmethoden
- Zertifizierung von Fischereien mit hohem Beifang
- Zertifizierung von überfischten Beständen
- Interessenkonflikte mit der Industrie
- Fehlen sozialer Faktoren
Auch der WWF Deutschland unterstützt Forderung von Umweltorganisationen das MSC-Siegel für Wildfisch zu verbessern: „Der MSC steht an einem Wendepunkt und muss sicherstellen, dass sein Wachstum nicht zu Lasten der Qualität geht. Für die Meeresschutzarbeit des WWF ist das MSC-Zertifikat immer ein wichtiges ergänzendes Werkzeug gewesen, deshalb wollen wir, dass sich das Siegel seine Qualität und Glaubwürdigkeit erhält. Als Mitbegründer sehen wir uns besonders verpflichtet anzumahnen, dass der MSC-Standard stetig verbessert wird. Der MSC wurde gegründet, um die Arbeitsweise von Fischereien weltweit umweltverträglicher zu machen und damit Verbraucher den so gefangenen Fisch sicher erkennen können. Ein so nötiges und um Grunde gutes Instrument wie der MSC darf nicht daran scheitern, dass notwendige Anpassungen im Zertifizierungsstandard nicht rechtzeitig und entschlossen genug durchgeführt werden,“ so Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland.