Wirtschaftsethik

Die Erlösung des Konsumenten

Mit dem Auftritt von Michael Kopatz in der Berliner stratum lounge schloss sich für den Gastgeber ein Kreis. Die Beratungsagentur stratum hatte sich nämlich 2008, als man mit dem Büro von München nach Berlin umgezogen war, in der Hauptstadt mit einer Studie zur Zielgruppe der LOHAS-Menschen vorgestellt, die in der „grünen“ Szene für Aufregung sorgte. Der „Lifestyle of Health and Sustainability“ (LOHAS) war seinerzeit als Merkmal einer Konsumentengruppe entdeckt worden, die die Welt allein durch die richtigen Kaufentscheidungen besser, ökologischer, nachhaltiger machen sollte.

01.03.2017

Die Erlösung des Konsumenten
Michael Kopatz in der Berliner stratum lounge.

Allenthalben wurden große Hoffnungen in diese Option gesetzt, sich eine bessere Welt quasi kaufen zu können und Genuss und gutes Gewissen endlich unter einen Hut zu bringen. Der Abschied vom Verzichts-Ethos der grünen Bewegung schien eine psychohygienische Kraft zu entfalten. Plötzlich bekam die Vision einer umweltverträglichen Zukunft unseres Lebensstils wieder Nahrung. Der „strategische Konsum“ sollte die Welt retten.

Und dann die stratum-LOHAS-Studie, die im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt durchgeführt wurde. Am 6. November 2008 berichtete Peter Unfried in der Tageszeitung taz ausführlich über die Ergebnisse – unter der Headline „Die Öko-Egoisten“. Auch die LOHAS entpuppten sich in erster Linie als Konsumenten, auf ihren Vorteil bedacht. Die ständige Herausforderung, irgendwie das eigene Ökogewissen beruhigen zu müssen, macht die Zielgruppe anfällig für Greenwashing. LOHAS leben mit der latenten Verunsicherung, das Richtige zu tun. Die moralische Anforderung, als Konsument die Welt nicht zu schädigen, führt in einen dauerhaften Zwiespalt. Als Entlastung kauft man Bio, fliegt aber dennoch zweimal im Jahr in die Ferne. Es ist bekannt, dass gerade Grünen-Wähler am häufigsten fliegen.

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Erlösung für den Konsumenten kommt jetzt aus dem Wuppertal Institut, dem renommierten Think Tank der Nachhaltigkeit. Wuppertal-Wissenschaftler Michael Kopatz hat ein Buch geschrieben, das „Ökoroutine“ heißt (oekom verlag, EUR 24,95). Zum Autorenabend bei stratum kam er mit einer "nachhaltigen" Trinkflasche für Leitungswasser. Seine Botschaft war aber eine ganz andere: Kopatz entlässt den Konsumenten aus der Verantwortung für Ökologie und Nachhaltigkeit. In seinem Buch zeigt er, was wirklich helfen kann, den Klimawandel und die Umweltkrise zu bekämpfen: Einfache, aber wirksame strukturelle Maßnahmen durch die Politik. Zum Beispiel:

  • Ende des weiteren Straßenausbaus
  • Schritt für Schritt die gesetzlichen Anforderungen an die Landwirtschaft auf Bio-Niveau heben
  • Nach und nach alle umweltschädlichen Subventionen radikal abbauen
  • Werbebeschränkungen für ungesunde und klimaschädliche Produkte.

Am Beispiel des Rauchens oder der gesetzlichen Anforderungen der Energieeffizienz von Gebäuden exemplifizierte der Wissenschaftler den Effekt solcher Maßnahmen, die „natürlich immer gegen Widerstand“ durchgesetzt werden müssen. Aber es geht.

Damit dürfte das Ende der LOHAS-Ära in der Nachhaltigkeitsdebatte offiziell besiegelt sein. Michael Kopatz rechnet uns in seinem 400-Seiten-Buch für jeden unserer Konsumbereiche vor, dass und wie staatliche und wirtschaftspolitische Eingriffe so viel effektiver sind als Appelle an das Öko-Gewissen des Konsumenten. Aber nicht nur für die Verbraucher brächte eine von oben verordnete Öko-Routine eine immense Entlastung. Auch Konzernchefs sind zu 80 Prozent der Auffassung, dass nur strengere gesetzliche Vorgaben und Kontrollen zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsform führen.

Was fehlt ist der Mangel an wissenschaftlicher Expertise zu Ökoroutinen. Es werde hier einfach nicht geforscht, bemängelte Kopatz. Degrowth Konferenzen, auf denen das Wachstum symbolisch bekämpft wird, seien kein Ersatz dafür. „Nur zu schrumpfen, wäre katastrophal“, meint Kopatz und erzählt, dass er in diesem Punkt auch seinem Kollegen Nico Paech gerne widerspricht.

Einen Haken hat die Sache aber: Die Politik lässt sich von Michael Kopatz (bisher) nicht beraten. Er werde von Politikern nicht angefordert, berichtete er auf Nachfrage von stratum, denn „die Politiker glauben immer, sie haben selbst bereits die Lösungen“.

Quelle: UmweltDialog
 

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