Wirtschaftsethik

Green Business im Kontext sich ändernder Lebensstile

One-Planet-Living ist ein Ansatz, der verdeutlicht, dass vor allem nordamerikanische und europäische Lebensstile dieser Tatsache nicht gerecht werden. Wäre der durchschnittliche europäische Lebensstil auf der ganzen Welt verbreitet, benötigten wir langfristig die Ressourcen von drei Erden; dem nordamerikanischen Lebensstil entsprächen fünf Planeten.

12.05.2014

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Es ist ein Symbol, das aus der Nachhaltigkeits- und Umweltbewegung nicht wegzudenken ist: Das Bild unseres blauen Planeten. Es möchte dem Betrachter unzähliger Logos, Präsentationen und Buchdeckel ins Bewusstsein rufen, dass wir nur diese eine Erde haben und dass ihre Ressourcen endlich sind.

Sinkende Rohstoffbestände und dementsprechend steigende Preise verlangen ein Umdenken weg von punktuellen Betrachtungen hin zu langfristigen Herangehensweisen. Produktion und Konsum sind eng verwoben mit alltäglichen Verhaltensmustern und Gewohnheiten der Menschen. Dabei geht es um Bereiche des alltäglichen Lebens wie Fortbewegung, Wohnen, Ernährung oder Gesundheit. Nicht nur das Konsumverhalten sondern ganze Lebensstile müssen sich wandeln, um dem One-Living-Ansatz gerecht zu werden. Viele Individuen und Unternehmen haben dies verstanden und für sich und ihre Gesellschaft neue Wege, Initiativen und Geschäftsmodelle gefunden, die nachhaltigere Lebensstile ermöglichen. Dies geht einher mit einem Wertewandel zum Beispiel von der Wegwerfgesellschaft hin zu nachhaltigerem Konsum und vom Besitz eigener Güter hin zu gemeinschaftlicher Nutzung.

Neben der Politik und der Zivilgesellschaft nimmt die Wirtschaft eine Schlüsselrolle bei diesem Prozess ein. Es geht nicht mehr nur darum, möglichst fair gehandelte und ökologisch produzierte Waren zu verkaufen, sondern auch darum, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die nachhaltigere Lebensstile ermöglichen und im besten Fall eine „Green Economy“ vorantreiben. Dies stellt nicht nur eine Notwendigkeit dar, sondern birgt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Neue Lebensstile schaffen neue Märkte, die genutzt werden können, um in einer Welt immer schnellerer Veränderung wettbewerbsfähig zu bleiben.

Um jedoch langfristig einen Trend und eine Wandlung hin zu nachhaltigeren Lebensstilen zu schaffen, bedarf es einer Reihe aufeinander aufbauender Maßnahmen, die zunehmend zukunftsorientiert und innovativ angelegt sind. Im operativen Bereich lässt sich zunächst mit vorhandenen Produkten und Gütern arbeiten, indem man sich entlang der Wertschöpfungskette für mehr Effizienz und eine sozial- und umweltverträgliche Produktion einsetzt. Bereits hier ist es wichtig, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und Zulieferer und andere Akteure der Wertschöpfungskette mit einzubeziehen. So kann beispielweise ein Einzelhandelsunternehmen sich nicht nur für geschlossene Kühltheken in den Filialen entscheiden, um selbst Energie zu sparen, sondern ressourcenschonende Praktiken in die vorgelagerten Wertschöpfungskettenschritte, wie Produktion und Rohstoffanbau, tragen oder zur Voraussetzung für Belieferungen machen. Denn umfassendes nachhaltiges Wirtschaften und innovative Nachhaltigkeitslösungen lassen sich zunehmend nur mehr in Kooperation erzielen.

Dies wird auch durch eine vom CSCP im Jahre 2011 durchgeführte Studie untermauert, welche sich mit Nachhaltigkeit in der deutschen Konsumgüterindustrie befasst. Dabei wurden 35 Stakeholder aus Gesellschaft und Politik, sowie aus der Konsumgüterwirtschaft selbst befragt. Neben Klimaschutz und nachhaltiger Ressourcen- und Landnutzung, wurden Aspekte wie Produkttransparenz, faire Handelspartnerschaften und Kooperationen und die Förderung nachhaltiger Konsummuster als die fünf Schlüsselthemen identifiziert.

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Dies belegt, dass die Wertschöpfungskette der Produktion nur ein Teil des Ganzen ist. Auch in der anderen Richtung des Lebenszyklus des Produkts verbirgt sich großes Potential. Die Umwelteinflüsse der eigentlichen Nutzung des Produkts durch den Konsumenten werden oftmals noch vernachlässigt. Selbst ein umweltschonendes Waschmittel, das bei sehr niedrigen Wassertemperaturen vollkommene Sauberkeit garantiert, kann in seinem Nachhaltigkeitsprofil weit nach unten rutschen, wenn es aus Gewohnheit des Nutzers doch bei 60 Grad eingesetzt wird. Ein nachhaltiges Produkt funktioniert hier nur, wenn nicht nur das Kaufverhalten, sondern vor allem die alltäglichen Lebensumstände und damit das Verbraucherverhalten in die Überlegungen der Produktentwicklung und -kommunikation mit einbezogen werden.

In einer vom CSCP in 2012 durchgeführten Studie über verbrauchergerechte Kommunikation durch Unternehmen wurde der Wandel zu einem nachhaltigen Verbraucherverhalten als überdurchschnittlich relevant bewertet. In der Befragung von 40 führenden, multinationalen Unternehmen insbesondere aus dem Bereich Handel (Lebensmittel und Textil) und Markenhersteller des produzierenden Gewerbes (Textil, Möbel, Dienstleistungen) wurde deutlich, dass das Verbraucherverhalten in der Zukunft als ein Kommunikationsziel von Unternehmen noch an Bedeutung gewinnen wird. Dies wäre zu begrüßen, da dies zum einen das Potential birgt, die Kommunikation noch näher an den Gewohnheiten der Verbraucher zu orientieren anstatt den Fokus nur auf Produktionsbedingungen zu richten. Zum anderen besteht mit diesem neuen Fokus die Möglichkeit, Konsum- und Lebensstile nachhaltiger zu gestalten. Demnach kommt dem Einbeziehen von Verbrauchern in Unternehmensentscheidungen und einer zielgerichteten Verbraucherbildung wesentliche Bedeutung zu.

Solche Informations- und Bildungsangebote findet man in den letzten Jahren immer häufiger bei Stromanbietern. Von Privatisierung und Marktöffnung getrieben gehen sie vermehrt auf Kunden ein, indem sie ihre Strategie auf effiziente Nutzung umstellen. Least Cost Planning ist dabei das Grundprinzip, das die Kosten aller Beteiligten minimieren soll, und somit nicht nur für die direkt beteiligten Konsumenten und Produzenten einen Vorteil schafft, sondern auch die Energieressourcen zukünftiger Generationen schont. Für Maßnahmen, die sich auf die Nutzung des Produkts beziehen, bedarf es jedenfalls eines ganzheitlichen Verständnisses von Nachhaltigkeit und eines erweiterten Dialogs mit Konsumentenvertretern.

Der nächste logische Schritt entlang des Produktlebenszyklus ist die Verwertung. Hier hat sich der Anglizismus „Up-cycling“ für innovative, nachhaltige Ideen eingebürgert. Es geht also nicht mehr um das reine Recycling, bei dem ein Produkt oder eine Verpackung wiederverwendet wird, sondern explizit um die Aufwertung des Materials bzw. Abfalls in neue, nützliche Produkte. Immer mehr Up-cycling-Produkte erscheinen im Konsumgüterbereich, angeführt von Pionieren wie Patagonia und Royal Robbins, doch auch Nobelmarken wie Hermes nutzen inzwischen das Up-cycling Prinzip für die Schaffung neuer Produkte aus ihren Birkin Bags. Nachhaltigkeit ist chic geworden. Auch das britische Unternehmen Worn Again macht sich dieses Potential zunutze. Es setzt solche Aufwertungsprojekte vor allem innerhalb von Unternehmen um. Aus Sitzschonern und Regenmänteln des Zugbetreibers Eurostar fertigte Worn Again maßgeschneiderte Taschen für die Zugbegleiter. So werden einerseits Materialkosten, andererseits teure Abfallgebühren eingespart. Diese Trends entstehen und verbreiten sich hauptsächlich über das Internet und Online-Marketing- und Vertriebskanäle.

Zudem haben ausgehend vom Konzept des Tauschens, Teilens und Leihens vor allem Online-Plattformen jüngst großen Zuspruch erhalten. Hier entwickeln sich oft aus dem Non-Profit-Bereich heraus lukrative Modelle. So können die Nachfolger von Couchsurfing.org, Betreiber von Wohnraum-Tauschbörsen wie AirBnB.com oder 9flats.com, Gewinne verzeichnen, indem sie an Buchungen in Form einer Marge beteiligt werden.

Dieses Beispiel ist außerdem beschreibend für den Übergang vom Produkt hin zur nachhaltig angelegten Dienstleistung. So hat beispielsweise der Waschmaschinen-Hersteller Electrolux in schwedischen Kommunen das Konzept eines Wasch-Centers entwickelt. In Kooperation mit Serviceanbietern und Hausverwaltungen vor Ort stellt die Firma Ausstattung und Service für die Wasch-Centre zur Verfügung. Anwohner müssen für die Nutzung eine monatliche Gebühr entrichten, sich aber nicht um die Maschinen kümmern. Für Reparaturen und Ersatz sorgen lokale Dienstleister. Electrolux begleitet den Prozess von der Entwurfsphase an, übernimmt die Installation und Ausbildung und berät zu Umweltfragen, Marktanalysen, Mietverträgen und der Finanzplanung. Zusätzlich stellt das Unternehmen den Ausstattern, Mieterverbünden und Wohnungsbaugesellschaften Erfahrungswerte bei der Implementation gemeinsamer Richtlinien für die Einrichtung und Nutzung eines Wasch-Centers zur Verfügung.

Die Idee des Telecomputing geht noch einen Schritt weiter zur Quelle des nachhaltigen Tausch-Trends. Online Netzwerke und Social Media sind eine der bedeutendsten Treiber dieser Entwicklung. Rachel Botsman und Roo Rogers stellen 2010 in „What’s mine is yours“ fest, dass 78 Prozent der Befragten einer Studie angaben, Online-Interaktionen habe ihre Offenheit für das Tauschen und Teilen mit Fremden gesteigert. Durch die Social Media Revolution sind Vertrauensbarrieren gefallen und dadurch eine Fülle von neuen Möglichkeiten geschaffen worden.

Telecomputing Anbieter nutzen diese Möglichkeit und den Bedarf, der sich aus dem rasanten Fortschritt der Computertechnologie ergibt. Sie bieten Rechenleistung und Speicherplatz von externen Servern an und machen damit auch den Schritt vom Produkt zur Dienstleistung. Der Nutzer zahlt nicht mehr für eine Produkt – Software, eine Festplatte oder einen Prozessor – sondern für die Nutzung dieser Produkte. Der Produktlebenszyklus wird verlängert, die Rechenleistung auf dem zentralen Servers geteilt und damit effizienter genutzt. In der Zukunft könnte das so aussehen, dass man sein Smartphone im Büro an die Steckdose anschließt und während des Ladevorgangs wird die Rechenleistung des Geräts dem unternehmensinternen Netzwerk zur Verfügung gestellt.

Die Herausforderung endlicher Ressourcen bei einem wachsenden Bedürfnis nach Wohlstand und die damit einhergehenden Veränderungen von Lebensstilen kann also nicht nur als Hürde, sondern auch als Chance begriffen werden. Dahinter steht die Notwendigkeit nach Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen, die One-Planet Living ermöglichen und zunehmend etablieren. Um dies zu erreichen sind neben ganzheitlichen, systemischen Betrachtungsweisen auch Innovation und Kooperation unabdingbar. Gerade auf Innovationsprozesse angewandt, kann der Gedanke des Teilens und Tauschens völlig neue Produktentwicklungen frei setzen und neuartige Geschäftsmodelle zu Tage bringen. Die Einbeziehung von verschiedenartigen Akteuren und das gezielte Vereinen von unterschiedlichen Sichtweisen bildet den strategischen Überbau einer Entwicklung hin zu neuen Lebensstilen und einer nachhaltigeren Gesellschaft. Diesen Anspruch sollte auch Green Business im Kontext sich ändernder Lebensstile für sich geltend machen.

Quelle
Über die Autoren

Der Beitrag erschien im Original im Jahrbuch Global Compact Deutschland 2012

Dr. Christina Raab, Isabell Ullrich, Sarah Beckers arbeiten am Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP).

Quelle: UD
 

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