Nachhaltigkeit als philosophisches Konzept
Nachhaltigkeit ist die Grundlage für ein gesundes Leben in Einklang mit der Natur. So philosophisch sieht dies Unternehmensberater Shan Jiang. Was das für ihn persönlich und für seine Heimat China bedeutet, erläutert er im Interview.
05.04.2016
Von Thomas Köster
Herr Jiang, wie würden Sie Nachhaltigkeit persönlich definieren?
Shan Jiang: Für mich ist Nachhaltigkeit ein philosophisches Konzept, das sich durch die ganze Geschichte zieht – auch wenn es heute vor allem um Wirtschaft, Soziales und Umwelt geht. Ich persönlich versuche nicht zuletzt, mich durch Nachhaltigkeit selbst besser zu verstehen, in einer möglichst harmonischen Beziehung zur Natur und zur Gesellschaft. Wie schon Sokrates gesagt hat: „Erkenne dich selbst“!
Wie hat sich Ihr Verständnis für Nachhaltigkeit sensibilisiert?
Jiang: Zum einen habe ich meine Masterarbeit über ein Management-Tool für Unternehmensnachhaltigkeit geschrieben. Zum anderen habe ich als „Sustainability Officer“ eines chinesischen Bergbauunternehmens gearbeitet, wodurch ich viele Erfahrungen sammeln konnte. Und ich habe lange in Peking gelebt, wo es oft Smog gibt. Deshalb weiß ich aus persönlicher Erfahrung, wie wichtig es ist, die Nachhaltigkeitsstrategie von Organisationen zu verbessern.
Wie versuchen Sie, im Alltag nachhaltig zu leben?
Jiang: Als Dienstleister für globale Unternehmen im Bereich „Corporate Sustainability“ arbeite ich täglich ohnehin mehr als acht Stunden im Nachhaltigkeitsbereich. Danach treibe ich Sport oder treffe mich mit Freunden. Am Wochenende gehe ich in die Kirche, wenn es zeitlich passt. Nur mit körperlicher und geistiger Gesundheit kann man konkrete Nachhaltigkeit erreichen. Auch positives Denken ist mir da ganz wichtig.
Und ganz konkret?
Jiang: Ich kaufe mehr Bio-Essen als früher im Supermarkt. Und ich nutze viel öfter die öffentlichen Verkehrsmittel. Zudem habe ich mir fest vorgenommen, bald ein Passivhaus zu mieten oder vielleicht sogar zu kaufen.
War Nachhaltigkeit auch ein Thema während Ihres Deutschlandaufenthalts?
Jiang: Ja, klar. Mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen habe ich viel über Recycling, Erneuerbare Energien und den Klimawandel diskutiert. Das war eigentlich immer ein Thema.
Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen Deutschland und Ihrer Heimat?
Jiang: Im Moment scheint es mir so, als sei die Nachfrage nach Recycling, Erneuerbaren Energien und „Cleantech“ in China sehr stark gestiegen. Nachhaltige Infrastrukturen sind sehr gefragt, vielleicht mehr als in Deutschland. China hat sich in den letzten 30 Jahren rasant entwickelt. Jetzt muss diese Entwicklung deutlich nachhaltiger werden – gerade weil der soziale und ökologische Druck gewaltig ist.
Sie sind als Berater für nachhaltige Unternehmensführung tätig. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Jiang: Es ist eine große Chance, mit Unternehmen über Nachhaltigkeit sprechen zu können. In Peking, Shanghai, Wuhan, Suzhou und Wenzhou habe ich diese Chance nutzen können. Oft zeigt sich dann, dass nachhaltige Strategien den Bedürfnissen der Kunden nutzen. Aber: Es braucht nicht nur eine gute Idee, sondern auch eine flexible Mentalität. Viele international erfolgreiche Firmen aus Deutschland sind im Ausland bereits bekannt für ihr nachhaltiges Management und ihre nachhaltigen Aktionen. Hiervon können chinesische Unternehmen, die ja zum Großteil noch dem Staat gehören, viel lernen.
Was muss sich in Zukunft im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit ändern?
Jiang: In Zukunft sollte Nachhaltigkeit nicht mehr hübsches Beiwerk, sondern eine grundlegende Selbstverständlichkeit für globale Unternehmen sein. Aber auch Regierungen und Banken müssen ökologische und soziale Faktoren in ihre Arbeit integrieren. „Green Investment“ und „Nachhaltige Finanzen“ sind sehr wichtige Themen.
Profil von Shan Jiang
Name: Shan Jiang
Lebt in: Zürich, Schweiz
Herkunftsland: China
Deutschland-Aufenthalt: 2007 bis 2010 und 2013 bis 2014
Bildungseinrichtung: Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH)
Beruf: Berater für nachhaltige Unternehmensführung
Shan Jiang studierte Information und Media Technologies (MBA) an der TU Hamburg und lebt als Unternehmensberater in Zürich. 2013 erhielt er das Internationale Klimaschutzstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und forschte über Nachhaltigkeitsstrategien von chinesischen und europäischen Konzernen. Beim virtuellen Praxisprojekt des Alumniportals zum Schwerpunktthema „Nachhaltig leben“ wirkt er als Jurymitglied mit.
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