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Klimaresilienz greifbar machen

Extremwetterereignisse, höhere Temperaturen, steigender Meeresspiegel – Auswirkungen des Klimawandels sind bereits spürbar. Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich daran anpassen, Normen und Standards unterstützen dabei.

22.01.2025

Klimaresilienz greifbar machen

Trotz aller Anstrengungen, Treibhausgasemissionen zu senken, lassen sich erste Folgen der weltweiten Erwärmung nicht mehr vermeiden. Und das wirkt sich aus: Auf mindestens 145 Milliarden Euro beziffert die vergangenes Jahr veröffentlichte Studie „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ die hiesigen Schäden durch den Klimawandel zwischen 2000 und 2021. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz durchgeführte Erhebung richtet zudem einen Blick in die Zukunft: Abhängig davon, wie der Klimawandel fortschreitet, gehen die Autoren von künftigen Kosten bis 2050 zwischen 280 und 900 Milliarden Euro aus. Eine Studie des Potsdam- Instituts für Klimafolgenforschung („The economic commitment of climate change“) legt den Fokus auf die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel und beziffert diese auf jährlich 38 Billionen US-Dollar. Die Zahlen verdeutlichen nicht nur konsequenten Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz, sondern auch, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft an das veränderte Klima anpassen müssen, um Folgekosten zu vermeiden oder zu minimieren. Vorausschauendes Handeln ist gefordert – hierbei spielen Normung und Standardisierung eine entscheidende Rolle.

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Jetzt an später denken 

Während beim Klimaschutz versucht wird, den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 und Methan zu reduzieren, und so ein Voranschreiten des Klimawandels zu verhindern, geht es bei Klimaanpassung um Vorsorge. Seitens der Politik wurde der Handlungsbedarf erkannt: So hat Deutschland mit dem Klimaanpassungsgesetz (KAnG) den strategischen Rahmen für die künftige Klimaanpassung in Bund, Ländern und Kommunen gesetzt. Es ist seit 1. Juli 2024 in Kraft. Mit dem Gesetz verpflichtet sich die Bundesregierung, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorzulegen, regelmäßig zu aktualisieren und fortlaufend umzusetzen. Diese Klimaanpassungsstrategie wurde im Dezember 2024 beschlossen. Das Erreichen der Ziele wird anhand eines regelmäßigen Monitorings geprüft. Die Länder müssen wiederum eigene Klimaanpassungsstrategien vorlegen und umsetzen.

Beim Thema Klimaanpassung gilt es, insbesondere typische gesellschaftlich bedeutsame Systeme klimaresilienter zu machen – etwa die Infrastrukturen zur Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft mit Energie, Nahrungs- und Betriebsmitteln sowie Wasser. Wird die Funktionalität dieser Systeme durch die Folgen des Klimawandels gestört, muss akut gehandelt werden. Und es braucht mehr Ressourcen, um die Funktionalität aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Wichtig dabei: Klimaanpassung ist jetzt relevant, denn viele Infrastrukturen, die derzeit gebaut oder modernisiert werden, haben über Jahrzehnte hinweg Bestand. Sie müssen also nicht nur mit den klimatischen Auswirkungen der Gegenwart zurechtkommen, sondern auch mit den Herausforderungen, die der Klimawandel in Zukunft mit sich bringt. Das ist in Normen und Standards zu berücksichtigen, die technische Mindeststandards für diese Infrastrukturen festlegen. Normungsexpertinnen und -experten aus verschiedenen Bereichen arbeiten hierfür über das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) zusammen, um einen Beitrag zur Klimaanpassung zu leisten.

Klimaanpassung: Konkret mit Normen 

Normen und Standards konkretisieren die gesetzlichen Vorgaben aus dem Klimaanpassungsgesetz. DIN, DKE und VDI haben hierfür ein Konzept erarbeitet, mit dem primären Ziel, die neue deutsche Anpassungsstrategie zu unterstützen. Dieses Konzept wird derzeit anhand von Pilotprojekten konkretisiert – beispielsweise zum Thema Wasserbau. 

Grundsätzlich legen Normen und Standards Anforderungen fest, beispielsweise an die Belastbarkeit von Infrastrukturen wie Straßen und Abwassersysteme, die vom Klimawandel betroffen sind, und an zugehörige Prüfverfahren. Sie können Klimawirkungen wie Dürre, und Risiken wie Waldbrände, greifbar machen und klimatische Einflüsse benennen – etwa, wenn der Gegenstand der Norm abhängig von klimatischen Bedingungen und/oder anfällig gegenüber extremen Wetterbedingungen ist. Das bedeutet zugleich, dass bestehende Normen und Standards in Bezug auf das Thema Klimaanpassung zu prüfen und bei Bedarf zu aktualisieren sind. Ein Beispiel: So gilt etwa die sogenannte „Schwammstadt“, die Wasser zwischenspeichert und zeitverzögert wieder abgibt, als clevere Lösung, um Überschwemmungen vorzubeugen. Um dieses und vergleichbare Konzepte zu ermöglichen, müssen unter anderem jedoch vorhandene Normen und Standards zu Abwasserleitungen an die neuen Anforderungen angepasst werden. Auch, wenn es um extreme Temperaturen geht, sind Normen und Standards aus unterschiedlichen Bereichen in Bezug auf Anpassungen durch den Klimawandel zu prüfen. Beispielsweise DIN V 18599-10 – „Energetische Bewertung von Gebäuden“, die Anforderungen zur Berechnung des Energiebedarfs von Gebäuden festlegt. Ebenso Standards, die sich mit Anforderungen an den Hitzeschutz von Gebäuden befassen. Welche bestehenden Normen inhaltlich aktualisiert werden müssen, damit sie die Herausforderungen durch den Klimawandel berücksichtigen, entscheidet sich in den Normungsgremien. DIN hat dazu eine Klima-Toolbox entwickelt: Expertinnen und Experten können anhand weniger Fragen einfach prüfen, ob eine Norm oder ein Standard vom Klimawandel betroffen ist und aktualisiert werden muss. Zudem haben DIN-Gremien künftig die Option, alle Normen im Rahmen der systematischen Überprüfung auf mögliche Relevanz in Bezug auf Klimaschutz und Klimaanpassung zu überprüfen.

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Resilienz erhöhen 

Darüber hinaus unterstützen Normen und Standards auch auf übergeordneter Ebene, indem sie Organisationen und Unternehmen ermöglichen, die eigene Betroffenheit zu beurteilen und potenzielle klimawandelbedingte Risiken durch Ereignisse wie Waldbrand oder Überschwemmung aufzeigen. Ein Beispiel ist DIN EN ISO 14090 – diese internationale Norm legt Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien für die Anpassung an den Klimawandel fest. Dazu zählen die Integration der Anpassung innerhalb von oder zwischen Organisationen, diesbezügliche Auswirkungen und Unsicherheiten und wie dieses Verständnis in Entscheidungen einfließen kann. Die Norm richtet sich an Organisationen jeder Größe, Art und Beschaffenheit. Resilienzmodelle können in diesem Zusammenhang ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten: So legt DIN EN ISO 37101 Anforderungen an ein Managementsystem für nachhaltige Entwicklung in Gemeinden und Städten fest, darunter auch klimabezogene Maßnahmen. 

Ist ein Unternehmen berichtspflichtig im Sinne des ESRS E1 (European Sustainability Reporting Standard), muss es Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem Klimawandel offenlegen. Wesentliche Themen des ESRS E1 sind Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie. Normen und Standards bilden dabei die Grundlage für eine vergleichbare, zuverlässige und transparente Berichterstattung. Beispielsweise liefert DIN EN ISO 14064-1 Anleitungen, um Treibhausgasemissionen zu ermitteln und unterstützt bei der zugehörigen Berichterstattung. Und Normen wie DIN ISO 31000 zum Thema Risikomanagement helfen Unternehmen bei der Analyse von Klimarisiken und Chancen. Das heißt: Normen und Standards reduzieren so den Aufwand für die Entwicklung eigener Methoden, erhöhen die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung und tragen zu einer besseren Vergleichbarkeit auch auf internationaler Ebene bei. DIN steht seinen Stakeholdern bei Fragen dazu jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.

Fazit 

Hochwasser, Hitze und andere Extremwetterereignisse werden intensiver und häufiger. Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich deshalb nicht nur für mehr Klimaschutz engagieren, sondern auch auf die unvermeidbaren Folgen der Erderwärmung reagieren und ihre Klimaresilienz erhöhen. Normen und Standards leisten bereits heute einen wesentlichen Beitrag zur Klimaanpassung – sie setzen technische Mindeststandards, liefern Handlungsempfehlungen und unterstützen Unternehmen und Organisationen dabei, Klimaanpassung zu implementieren und umzusetzen. Damit machen sie die gesetzlichen Vorgaben, etwa aus dem Klimaanpassungsgesetz, greifbar und umsetzbar. Diese Rolle wird künftig noch wichtiger werden.

Dr. Jörg Megow

Autor

Dr. Jörg Megow, Projektkoordinator Klimawandel, Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN)

Quelle: UD
 

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