"Wälder können ohne uns überleben, aber wir nicht ohne sie"
Ein Drittel unserer Erdoberfläche ist von Wäldern bedeckt, die uns mit Holz versorgen, sauberes Trinkwasser liefern, Sauerstoff produzieren und Kohlenstoff speichern. Sie sind zudem wichtige Regulatoren des globalen Klimas, da sie das Wasser zurück in die Atmosphäre führen. Im Science-Journal fassen Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie und vom Woods Hole Research Center, USA, die internationalen Forschungsergebnisse zum Zustand der Wälder im Zusammenhang mit dem Klimawandel zusammen.
03.09.2015
Seit vorindustrieller Zeit sind die Waldflächen um etwa 15 Prozent geschrumpft. Der aktuelle Rückgang liegt bei ungefähr 0,3 Prozent pro Jahr, da die Rodungsflächen die nachwachsenden Gebiete und Aufforstungsflächen bei weitem übersteigen. Das entspricht alle drei Jahre einer Fläche von Deutschland. Hinzu kommt, dass Wälder durch weitere, weniger sichtbare Einflüsse des Menschen bedroht werden. Dazu zählen Jagd, selektive Holzernte, eingeschleppte Schädlinge, Luftverschmutzung und Klimawandel. „Einige Wälder können sich schnell erholen, innerhalb von Jahren oder Jahrzehnten, aber andere werden Jahrhunderte brauchen, um den Zustand vor diesen Einflüssen wieder zu erreichen. Viele schädliche Einflüsse werden sich direkt auf Eigenschaften und Funktionen der Wälder auswirken, die für uns nützlich oder gar notwendig sind“, sagt Susan Trumbore, Leitautorin der Studie vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie.
Keine klaren Definitionen zur Gesundheit des Waldes
Änderungen des Waldzustands werden oft stellvertretend für den Gesundheitszustand angesehen. Jedoch ist der Begriff Gesundheit eigentlich nur für einzelne Bäume klar umgrenzt – als Abwesenheit von Schäden und Krankheiten. Obwohl viele Länder regelmäßige Waldzustandserhebungen durchführen, ringen Wissenschaftler seit vielen Jahren um brauchbare Definitionen zur Gesundheit des Waldes. Beispielsweise kann ein erhöhtes Baumsterben einen schlechten Gesundheitszustand eines Bestands widerspiegeln, andererseits spielen absterbende Bäume auch eine wichtige Rolle in der Waldverjüngung und im Nährstoffkreislauf, als Teil der normalen Waldfunktionen. „Für größere Waldgebiete sind Waldschadenserhebungen sehr schwierig; es fehlt an objektiven Kriterien für die Festlegung, was ,normal' ist“, betont Paulo Brando, Koautor der Veröffentlichung vom Woods Hole Research Center.
Geeignete Methoden fehlen
Berichte über ein weltweit zunehmendes Baumsterben sind alarmierend, doch fehlen geeignete Methoden, um herauszufinden, wie groß das Problem tatsächlich ist und wo die Ursachen des Baumsterbens liegen. Satellitenaufnahmen können Änderungen der globalen Waldflächen erfassen, nicht jedoch das Absterben einzelner Bäume. In Inventurparzellen von gewöhnlich 400 bis 2.000 Quadratmetern hingegen kann der Zustand einzelner Bäume erfasst werden, allerdings unter großem Aufwand. Die meisten Länder, die zu den globalen Erhebungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) beitragen, betreiben solche Inventurparzellen. Da die zugrunde liegenden Erfassungsprotokolle jedoch nicht standardisiert sind, ist es schwer, Tendenzen im Baumsterben über Grenzen hinweg zu erkennen. Neue Laser- Methoden (LiDAR – light detection and ranging) ermöglichen mittlerweile, die Lücke zwischen Inventurparzellen und Satellitenbildern zu schließen.
“Hat man erst einmal Mortalitätsbrennpunkte ausgemacht, bedarf es intensiver Forschung, um die Wirkungsmechanismen zu verstehen“, sagt Henrik Hartmann, Ko-Autor der Publikation. Experimente mit einzelnen Bäumen sowie mit gesamten Ökosystemen, eingebettet in ein Überwachungsnetzwerk zum Waldzustand, sind nötig, um abschätzen zu können, welche Bäume am stärksten gefährdet sind und wie stark die Regerationsfähigkeit der Wälder betroffen ist. „Ohne dieses Verständnis werden wir den Verlauf komplexer Reaktionen des Waldes auf verschiedenste Schadensfaktoren auf globaler Ebene nicht vorhersehen können.“
"Wir sollten uns Gedanken über den Waldzustand machen"
„Die Wälder überstanden eine Reihe verschiedenster Umweltveränderungen in den Jahrmillionen ihrer bisherigen Existenz. Vermutlich werden sie sich auch gegenüber dem anthropogenen Klimawandel als widerstandsfähig beweisen, aber der Mensch sollte sich trotzdem Gedanken über den Waldzustand machen. Letzten Endes können die Wälder ohne uns überleben, aber wir nicht ohne sie“, unterstreicht Susan Trumbore.