Verlust an Artenvielfalt schränkt Evolution stark ein
Das Aussterben von Arten kann die Entwicklung neuer Arten verlangsamen oder verhindern, die deren Funktionen im Ökosystem übernehmen. Zu diesem Ergebnis kommt die erste experimentelle Studie zu diesem Thema, die Biologen aus Utrecht, Göttingen, Leipzig und Montpellier vorgelegt haben. Laut den Experten hat das Aussterben von Arten weit längerfristige und schädlichere Auswirkungen als bislang angenommen.
08.07.2016
"Unsere Studie zeigt, dass das Artensterben nicht nur das aktuelle Funktionieren des Ökosystems beeinträchtigt, sondern auch die evolutionäre Entwicklung neuer Arten verlangsamen kann", so Erstautor Alexandre Jousset, der jetzt an der Universität Utrecht arbeitet und zuvor am Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie der Universität Göttingen geforscht hat.
"Wir können außerdem nachweisen, dass die Entwicklung neuer Arten verhindert wird, die für die Bewältigung neuer Herausforderungen, zum Beispiel als Folge des globalen Klimawandels, notwendig wären", ergänzt Joussets Göttinger Kollege Stefan Scheu. Frühere Studien zu Veränderungen im Ökosystem haben sowohl von der Zunahme als auch der Abnahme bei der Entstehung neuer Arten berichtet.
Ressourcennutzung schwierig
Die Forscher untersuchten die Mechanismen, die den Zu- und Abnahmen zugrunde liegen. Mit unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften simulierten sie Ökosysteme auf mikroskopischer Skala. In dieser kontrollierten Umgebung konnten sie untersuchen, ob die gegenläufigen Ergebnisse vereinbar sind, wenn man die Vielfalt biologischer Funktionen und die Spezialisierung der verbleibenden Arten berücksichtigt. Sie fanden heraus, dass Biodiversität die Evolution neuer Arten stimuliert, wenn die Ressourcen im Ökosystem zunehmend knapp werden und die neuen Arten bislang wenig verwendete Ressourcen nutzen können.
Indem die Arten die Nutzung dieser Ressourcen immer effizienter gestalten, verhindern sie nach Meinung des Forscherteams das Ende ihrer evolutionären Entwicklung. "Unsere Studie verdeutlicht, dass Ursachen und Folgen von Biodiversität nur durch enge Verknüpfung von Ökologie und Evolution verstanden werden können", resümiert Nico Eisenhauer vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung an der Universität Leipzig.