„Wilde Mulde“: Neues Leben für eine alte Flusslandschaft
Anfang April ist das Projekt „Wilde Mulde“ gestartet. Ziel ist es, den Fluss an seinem Unterlauf bei Dessau-Rosslau (Sachsen-Anhalt) zu revitalisieren und diesen Prozess wissenschaftlich zu begleiten. Das fachübergreifende Verbundprojekt wird mit 4,6 Millionen Euro durch das Bundesumweltministerium und das Bundesforschungsministerium gefördert. Das Bundesamt für Naturschutz begleitet das Projekt fachlich.
08.04.2016
Natürliche Flusslandschaften spielen für die Artenvielfalt und die Vernetzung verschiedener Lebensräume eine bedeutende Rolle. Doch die meisten Flüsse in Deutschland sind in ihrer natürlichen Dynamik aufgrund von Verbauungen und Uferbefestigungen deutlich eingeschränkt. Fluss- und Auentypische Lebensräume wie offene Kiesbänke und Prallufer sowie Weich- und Hartholzauen nehmen dadurch vielerorts ab und sind bundesweit gefährdet.
Neuen Lebensraum schaffen
Im Zentrum des Projekts „Wilde Mulde – Revitalisierung einer Wildflusslandschaft in Mitteldeutschland“ steht die Förderung der natürlichen Dynamik im Flussbett. Durch den Einbau von Totholz und die Wiederherstellung von Naturufern werden Erosions- und Ablagerungsprozesse angeregt. Die Mulde kann sich an diesen Stellen wieder frei entwickeln. Es entsteht ein Mosaik naturnaher Strukturen, die vielen Arten einen neuen Lebensraum bieten. Die Hochwasserneutralität der Maßnahmen wird bereits im Planungsstadium durch umfangreiche Modellrechnungen nachgewiesen. Die Maßnahmen werden nur durchgeführt, wenn der Hochwasserschutz für die Anwohner gewährleistet bleibt.
Das Projekt wird die Veränderungsprozesse in der Mulde und ihren Auen durch die Dokumentation der zeitlichen Entwicklung – wie durch Bild- und Filmaufnahmen – sichtbar und erlebbar machen. Über regelmäßige Exkursionen, Vorträge, jährlich stattfindende Muldeflusstage und weitere Öffentlichkeitsarbeit wird die Bevölkerung vor Ort in das Projekt einbezogen.
Teil des Projekts ist eine umfassende ökosystembezogene und disziplinübergreifende Forschung zu Hydraulik, Hydromorphologie, Stoffhaushalt und Biodiversität. Das Forscherteam widmet sich unter anderem der Frage nach den Auswirkungen der Maßnahmen auf die Diversität und Zusammensetzung von Artengemeinschaften im aquatischen, semiterrestrischen und terrestrischen Bereich.
Konkret untersucht wird beispielsweise, wie sich die Populationen der Laufkäfer und der beiden Fließgewässerlibellenarten Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) und Asiatische Keiljungfer (Gomphus flavipes) entwickeln. Die Wissenschaftler befassen sich aber auch mit der übergreifenden Frage, wie die Revitalisierung in Bezug auf die Schutzziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und Wasserrahmenrichtlinie zu bewerten ist.
Das Projekt „Wilde Mulde“ läuft bis Ende 2020. Es wird vom WWF Deutschland getragen und koordiniert, Forschungspartner sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), die Technische Universität Braunschweig, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, die Universität Leipzig und die Leibniz-Universität Hannover.