Mehr Investitionen für Biodiversitätskrise gefordert
Das Bundeskabinett hat jüngst ein Eckpunktepapier für ein künftiges Aktionsprogramm zum Schutz der Insekten in Deutschland verabschiedet. Es enthält Ziele, die seit langem unter anderem von der Forschung gefordert werden, wie etwa einen höheren Strukturreichtum in der Agrarlandschaft, eine Eingrenzung des Pestizideinsatzes aber auch eine Reduktion der Lichtverschmutzung.
11.07.2018
Können die Insekten sich also bald über bessere (Über)Lebensbedingungen freuen? Dr. Frank Jauker, Insektenforscher an der Universität Gießen, ist skeptisch, dass die angekündigten Maßnahmen wesentlich über bereits laufende Ansätze hinausgehen. Im NeFo-Interview bewertet er das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung.
„Entscheidend ist die praktische, flächendeckende Umsetzung. Hier bleibt der Aktionsplan vage, insbesondere wenn Ressorts jenseits des Umweltministeriums berührt sind“, meint Jauker. Insbesondere bleibt unklar, welche Anreize vor allem für die Landwirtschaft zur Umsetzung geeigneter Maßnahmen geplant sind. Zwar hat das Bundesumweltministerium eine jährliche Fördersumme von fünf Millionen Euro für Projekte zum Schutz der Insekten in Aussicht gestellt. Doch die derzeitigen Entwürfe der EU-Kommission für die Agrarförderung lassen dazu kaum Synergien erkennen.
Dass die neue Bundesregierung auf das Insektensterben reagieren muss, war bereits dem Koalitionsvertrag zu entnehmen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte sich vorgenommen, hier schon in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit aktiv zu werden und ein Eckpunktepapier für ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ erarbeitet, das nun, nach Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium, am 20. Juni vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz sollen Maßnahmen in folgenden Bereichen ergriffen werden:
- Förderung von Insektenlebensräumen und der Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft,
- Wiederherstellung und Vernetzung von Insektenlebensräumen in anderen Landschaftsbereichen,
- Stärkung von Schutzgebieten als Lebensräume für Insekten,
- Minderung der Anwendung von Pestiziden,
- Reduktion von Nähr- und Schadstoffeinträgen in Böden und Gewässer,
- Reduktion der Lichtverschmutzung
- Bestehende Wissenslücken über das Insektensterben schließen und ein bundesweit einheitliches Insektenmonitoring einführen
- Aktivierung von Wirtschaftsverbänden, Unternehmen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bürger
Auf Basis dieser Eckpunkte wird das Bundesumweltministerium das Aktionsprogramm nach einer breiten öffentlichen Diskussion bis 2019 fertigstellen und anschließend unverzüglich mit den Maßnahmen beginnen“, schreibt die Pressestelle des Ministeriums.
Unklar bleiben die finanziellen Anreize für die Maßnahmen. Das BMU kündigt zwar die Förderung von Praxisprojekten zum Schutz von Insekten in den kommenden sechs bis acht Jahren mit jährlich fünf Millionen Euro an. Das alleine reiche aber mit Sicherheit nicht, meint Frank Jauker. Darüber hinaus verspricht die Regierung in dem Papier, sich bei den laufenden Verhandlungen zur kommenden Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union für eine entsprechende Förderung zum Insektenschutz einzusetzen und die nationalen Mittel dafür zu erhöhen.
Kritisch sieht Jauker vor allem die von der EU-Kommission vorgeschlagene Überlassung der Verantwortung für Naturschutzförderung im Agrarbereich an die einzelnen Staaten. „Es ist zwingen notwendig, eine übergeordnete Strategie vorzugeben, sowie die Werkzeuge, diese unbürokratisch umzusetzen. Das sehe ich nicht, wenn die Verantwortlichkeiten nach unten durchgereicht werden.“