Hightech für Natur
Ein multidisziplinäres Forscherteam unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin hat ein Sensornetzwerk zur Ortung von Tieren entwickelt, um bislang unbeobachtete Verhaltensweisen zu untersuchen.
26.05.2020
Bio-Logging, die automatische Fernaufzeichnung von Tierverhalten, war bislang durch Größe und Gewicht der Sensoren begrenzt, die an den Tieren befestigt werden müssen. Mit den neuen miniaturisierten Sensoren können nun auch kleine Wirbeltiere wie Fledermäuse, Eidechsen und Vögel ausgestattet werden. Die Sensoren liefern Informationen über ihr Verhalten und die Nutzung ihres Lebensraums in bisher nicht erreichter Auflösung, berichtet das Team in der Zeitschrift „PLoS Biology“.
„Wir forschen mit modernsten Methoden und für Natur. Unser neues, innovatives Sensorsystem bringt Bio-Logging auf ein neues Level“, sagt Simon Ripperger vom Museum für Naturkunde Berlin, der die Freilandeinsätze leitete. Automatisierte Tierbeobachtung beruht auf so genannten Bio-Loggern: Minicomputer, die mit Halsbändern oder Rucksäcken an Tieren befestigt werden. Mit ihnen können Bewegungen innerhalb des Lebensraums, Interaktionen mit anderen besenderten Tieren und Körperfunktionen wie die Herzfrequenz aufgezeichnet werden.
Funktionsweise der Bio-Logger
Die Datenübertragung zum Forscher oder der Datenaustausch zwischen Bio-Loggern sind jedoch energieaufwendig. Daher sind viele Bio-Logger, wie zum Beispiel GPS-Tracker, wegen der großen Batterie für die meisten kleinen Wirbeltierarten zu schwer. Hier kann zudem der Satelliten-Empfang der Signale gestört werden: etwa in Lebensräumen wie dichtem Wald oder bei Verhaltensweisen wie Ruhen in Bäumen, Höhlen oder unterirdischen Bauten.
Das Forschungsteam hat ein Sensornetzwerk entwickelt, das aus stationären Empfängern und Bio-Loggern auf Tieren besteht. Am Boden werden die Signale der Bio-Logger empfangen, verarbeitet und zur Analyse weitergeleitet. Ausgeklügelte Algorithmen und Sendeprotokolle reduzieren den Energiebedarf auf ein Minimum. Allerdings ist die Ausdehnung des Systems begrenzt: Das Team hat es auf Flächen getestet, die in etwa drei Fußballfeldern entsprechen – damit lässt sich jedoch der Aktionsraum vieler Kleintiere abdecken. Zudem ist das System modular und skalierbar.
Mit einem Gewicht von ein bis zwei Gramm können die Bio-Logger mehrere Wochen Daten senden. Mit bis zu acht Signalen pro Sekunde werden die Tiere selbst in strukturell komplexen Lebensräumen wie dichtem Wald hochgenau lokalisiert um ihre Flugbahnen nachzuvollziehen und sogar Begegnungen besenderter Tiere werden aufgezeichnet. „Wir können viel präziser als durch herkömmliche Technik aufzeichnen, wo sich die Tiere bewegen und wie sie interagieren“, fügt Ripperger hinzu. Das Team kann mit dem energiesparenden System seine Daten bei niedrigen Übertragungsraten über Entfernungen von mehreren Kilometern abrufen.
Test an Fledermäusen
Die Forscher haben das System an Fledermäusen getestet, da sie klein sind und sich schnell in dichter Vegetation bewegen - beides Herausforderungen für drahtlose Bio-Logging-Netzwerke. Sie markierten Vampirfledermäuse (Desmodus rotundus) in Panama, um soziale Netzwerke zu erfassen, Mausohrfledermäuse (Myotis myotis), um das Jagdverhalten in einem alten Laubwald in Deutschland zu untersuchen, und Große Abendsegler (Nyctalus noctula) für die Fernortung über mehr als vier Kilometer Entfernung.
„Unser System kann neue Erkenntnisse über das Verhalten kleiner Tiere liefern, die bisher nicht mit solchen Hochleistungssensoren beobachtet werden konnten“, sagt Ripperger. Derzeit wird getestet, ob die Lebensraumnutzung von Zauneidechsen (Lacerta agilis) entlang von Zuggleisen in Deutschland erfasst werden kann. Weitere Studien könnten sich auf Nagetiere, Singvögel oder sogar große Insekten wie Hirschkäfer, Großes Heupferd oder Totenkopfschwärmer konzentrieren.
Kooperationspartner im Bio-Logging-Netzwerk
Das drahtlose Bio-Logging-Netzwerk wurde im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten BATS-Initiative entwickelt. Das Museum für Naturkunde Berlin kooperierte mit dem Smithsonian Tropical Research Institute in Panama, der Ohio State University in den USA, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Brandenburgischen Technischen Universität, der Technischen Universität Braunschweig, der Universität Paderborn und dem Berlin-Brandenburgischen Institut für Biodiversitätsforschung.