Nicht die gleichen Fehler machen
Die globalen Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt müssten künftig als Mindestanforderungen in nationales Recht aller Mitgliedstaaten der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) übernommen werden. Das ist einer von vier Vorschlägen zur Verbesserung der globalen Strategie zum Biodiversitätsschutz eines internationalen Forscherteams.
15.02.2021
Die bisherigen Ziele sind weitgehend verfehlt worden. In der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution nennt die Forschergruppe, bestehtend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Nanjing Instituts für Umweltforschung in China, desDeutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), Gründe für das Scheitern und zeigen konkrete Politikoptionen auf.
Seit Gründung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) der Vereinigten Staaten 1992 in Rio de Janeiro verständigen sich die Mitgliedstaaten regelmäßig auf globale Strategien, wie der zunehmend rasante Verlust der biologischen Vielfalt aufgehalten werden kann. 2002 beschlossen die Staatsoberhäupter die so genannten 2010-Biodiversitätsziele. Acht Jahre später musste man feststellen, dass es kaum Fortschritte gab und legte 20 neue, noch ehrgeizigere Ziele für die nächsten zehn Jahre fest. Vergangenes Jahr wurde klar: Auch diese Latte hatte man gerissen. Der Verlust der biologischen Vielfalt schreitet ungebremst fort.
Biodiversitätspolitik – mehr Schein als Sein?
Dieses Jahr werden wieder neue Ziele verhandelt – Ziele, die bis 2030 gelten sollen. Die Entscheidung sollen bei der Vertragsstaatenkonferenz COP15 in chinesischen Kunming fallen. Um vorzubeugen, dass nicht wieder dieselben Fehler gemacht werden wie in den Jahren zuvor, haben chinesische Forscher um Prof. Haigen Xu vom Nanjing Instituts für Umweltforschung in Kooperation mit Prof. Henrique Pereira (iDiv, MLU) eine Analyse der Gründe für das bisherige Scheitern der Staatengemeinschaft vorgelegt. Darin konzentrieren sie sich vor allem auf die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Ihr Ergebnis: Die Zusagen auf UN-Ebene seien viel zu selten in nationales Recht übernommen worden. Vier der zwanzig sogenannten Aichi-Ziele finden sich in keinem einzigen der von den Regierungen vorgelegten Umsetzungsplänen (NBSAPs) wieder, darunter die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen. Die anderen Ziele sein nur in 22 Prozent der NBSAPs stark genug formuliert worden, dass sie die Anforderungen der CBD-Beschlüssen erfüllten. Darüber hinaus seien die nötigen Finanzmittel viel zu gering, es gebe zudem zu große Wissenslücken zur Erfassung und wirksamen Bekämpfung von Biodiversitätsverlust. Außerdem würde die Umsetzung der versprochenen Ziele in den Mitgliedsstaaten nur unzureichend überprüft, da es zum Teil an wirksamen Indikatoren und Auswertungsmechanismen fehle.
„Zwar hat die CBD nun einen ersten Entwurf für ihre Post-2020-Strategie vorgelegt, der viele Verbesserungen gegenüber dem vorherigen Strategischen Plan für den Erhalt der Biodiversität enthält”, sagt Senior-Autor Pereira. „Die meines Erachtens wesentlichen Probleme bestehen hier jedoch weiter: Die Regierungen müssen keinen klaren Fahrplan vorlegen, wie sie die im Rahmen der CBD beschlossenen Ziele im eigenen Land erreichen und überprüfen wollen.“
Die Autoren schlagen vor, die CBD-Ziele so zu formulieren, dass sie als verpflichtende Mindestanforderungen in nationales Recht überführt werden können. Ähnlich wie beim Pariser Klimaschutzabkommen oder dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) sollten diese gesetzlich verbindlich sein. Finanzielle Mittel zur Förderung der Biodiversität sollten deutlich erhöht und hierfür auch neue Instrumente wie Zahlungen für Ökosystemleistungen (payments for ecosystem services) oder biodiversitätsrelevante Steuern eingeführt werden. Außerdem sollte die interdisziplinäre Erforschung von Trends und Ursachen des Biodiversitätsverlustes weltweit verstärkt und entsprechend ausgestattet werden, um die nötigen Maßnahmen entwickeln zu können. Außerdem sollte die CBD einen Mechanismus einführen, der die Einhaltung der Ziele der einzelnen Staaten prüft und diese gegebenenfalls zur Rechenschaft zieht.
Pereira und viele weitere Kollegen bei iDiv sind analysierend und beratend an verschiedenen Politikprozessen zum Naturschutz auf verschiedenen Ebenen beteiligt: Etwa im Rahmen der Vereinten Nationen im Weltbiodiversitätsrat IPBES und der CBD, auf EU-Ebene bei den Verhandlungen der gemeinsamen Agrarpolitik GAP oder EU-Biodiversitätsstrategie, sowie im nationalen, regionalen und lokalen Rahmen. Dabei hilft die gute Vernetzung des Forschungszentrums mit Forschern, Nichtregierungsorganisationen und Behördenvertretern in aller Welt.
In diesem Fall freut sich Pereira über die gute und wichtige Zusammenarbeit mit seinen chinesischen Koautoren. „Haigen Xu ist einer der einflussreichsten Personen der chinesischen Biodiversitätspolitik“, sagt Pereira. „Er erarbeitet aktuell federführend die nationale Biodiversitätsstrategie. Ich erhoffe mir, dass er mit diesen Positionen als hoher Vertreter der austragenden Nation der COP15 die globale Biodiversitätspolitik der nächsten zehn Jahre wesentlich voranbringen kann.“