Größte Erbguterfassung wildlebender Schimpansen
Den größten genetischen Katalog wildlebender Schimpansenpopulationen in Afrika hat ein Forschungsteam unter Leitung des Instituts für Evolutionsbiologie (IBE), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) und der Universität Leipzig erstellt.
23.06.2022
Dazu wurden genetische Informationen aus Hunderten von Kotproben aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Tiere sequenziert. Dieser Katalog, der in Cell Genomics veröffentlicht wurde, trägt maßgeblich zur Klärung der Evolution dieser Menschenaffen bei. Darüber hinaus kann er helfen, illegalen Handel offenzulegen und so zum Schutz dieser bedrohten Art beitragen.
Genetische Informationen von Hunderten von Schimpansen gesammelt
Im Gegensatz zum Menschen sind archäologische Funde der Vorfahren von Schimpansen kaum erhalten oder in Aufzeichnungen festgehalten worden. Fossilien von dieser Art fehlen fast ganz. Entsprechend sind die genetischen Informationen der heutigen Populationen die wesentliche Grundlage für die Beschreibung ihrer Evolutionsgeschichte und ihrer genetischen Vielfalt, sowie für ihren Schutz.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des IBE in Barcelona zusammen mit iDiv, MPI-EVA und der Universität Leipzig, hat nun den bisher umfangreichsten Katalog der genetischen Vielfalt von Populationen wildlebender Schimpansen erstellt. Genetische Informationen wurden Hunderten von Schimpansen-Kotproben entnommen. Erstmals wurden für die Auswertung Methoden zur Analyse alter DNA angewandt.
„Um aus den Kotproben genetische Informationen zu gewinnen, nutzten wir erstmals Methoden, die ursprünglich für die Untersuchung alter DNA, etwa der der Neanderthaler, entwickelt wurden. Wir haben diesen Ansatz auf eine noch nie dagewesene Anzahl von Schimpansenproben aus dem Feld angewandt“, betont Prof. Tomàs Marquès-Bonet, leitender Forscher des IBE und Letztautor der Studie.
Mit diesem umfangreichen Datensatz bringen die Autoren Licht in die demografische Vergangenheit der Schimpansen und liefern weitere Beweise für die genetische Differenzierung der vier anerkannten Unterarten und den Austausch zwischen ihnen.
Ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Tiere
So stellte das Forschungsteam fest, dass geografische Faktoren wie Flüsse Barrieren für den Genfluss zwischen Schimpansenunterarten oder -gemeinschaften darstellen. Darüber hinaus zeigen die Autorinnen und Autoren potentielle Muster für die Wanderung, Vernetzung und Isolation zwischen Schimpansengruppen auf, die die genetischen Variationen dieser Populationen in den letzten 100.000 Jahren geprägt haben.
„Unser Ansatz ist sehr hilfreich bei der Ermittlung von Barrieren und natürlichen Korridoren zwischen Populationen. Damit können wir wertvolle Informationen zum Schutz der Tiere liefern“, sagt Dr. Clàudia Fontserè hinzu, Forscherin der IBE-Gruppe für vergleichende Genomik und Erstautorin der Studie.
„Wie wir Menschen haben auch Schimpansen eine komplexe Evolution hinter sich. Ihre Dynamik und die Gebiete, in denen frühere und heutige Kontakte zwischen Populationen bestehen, müssen eindeutig identifiziert werden, um zum Schutz dieser gefährdeten Art beizutragen“, betont Dr. Mimi Arandjelovic, Forscherin am iDiv, MPI EVA und der Universität Leipzig. Arandjelovic ist ebenfalls Letztautorin der Studie und Co-Direktorin des Pan African Programme: The Cultured Chimpanzee (PanAf), eines Konsortiums von Forscherinnen und Naturschützern von Schimpansen aus Afrika, Europa und Nordamerika.
Mit Hilfe der neuentwickelten Gendatenbank konnte das Team zuverlässig den Herkunftsort der Tiere bestimmen, was bisher nicht möglich war. Die Methode kann aber auch direkt für den Schutz von Schimpansen eingesetzt werden, etwa um illegale Handelsrouten für Wildtierprodukte und Waisenkinder zu identifizieren. „Beschlagnahmte Schimpansen stammen in der Regel von Orten, die nur wenige hundert Kilometer von der Fundstelle entfernt sind. Die genetische Auswertung der Kotproben kann so zuverlässige Informationen darüber liefern, welche Regionen vorrangig geschützt werden sollten“, fügt Marquès-Bonet hinzu. Die entwickelte Methodik wird bereits bei Schutzprojekten für andere Primaten- und Säugetierarten angewendet.
Hintergrundinformationen
Diese Forschung wurde finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118), der Max-Planck-Gesellschaft, der Heinz L. Krekeler Stiftung, dem Innovationsfonds der Max-Planck-Gesellschaft und dem Europäischen Forschungsrat für die Unterstützung in Form eines Consolidator Grant 2019.
Die gesamte Studie können Sie hier auf Englisch nachlesen.