Algen können Wasserqualität der Ostsee verbessern
Ein neues Forschungsprojekt testet die Züchtung von Algen an Windkraft-Fundamenten. Denn Algen können helfen, die Wasserqualität in der überdüngten Ostsee zu verbessern. Gleichzeitig sind sie eine hochwertige Biomasse und eine Quelle auch für Wertstoffe für die Kosmetikindustrie.
21.03.2023
Von Wolfgang Thiel
Forschende der Universität Rostock, des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) untersuchen daher in einem neuen Projekt, ob sich der in der Ostsee verbreitete Blasentang an den Fundamenten von Windkraftanlagen züchten, zur Verbesserung der Wasserqualität sowie als Ressource nutzen lässt.
Herzstück des Projekts „Klimafreundliche Offshore-Produktion von Algenbiomasse“ (Climate-Friendly Offshore Production of Algal Biomass, CliPA) ist eine Pilotanlage in der Eckernförder Bucht.
Auch, wenn man es ihr nicht immer und überall ansieht, aber der Ostsee geht es schlecht“, sagt der Meeresökologe Professor Dr. Ulf Karsten vom Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock. „Das liegt vor allem an der nach wie vor zu hohen Einleitung von Nährstoffen, welche die Wasserqualität massiv verschlechtern. Der Blasentang und andere Algen haben aber die Fähigkeit Nährstoffe aus der Ostsee herauszufiltern.“ Gemeinsam mit den Rostocker Forschern Dr. Jörg Burgstaler und Dr. Denny Wiedow, Biogas-Spezialisten an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, koordiniert er das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt „Klimafreundliche Offshore-Produktion von Algenbiomasse“. Zum Auftakt trafen sich alle Beteiligten jetzt beim Projektpartner GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Das Projekt baut auf dem DBU Pilotprojekt „Reallabor Eckernförder Bucht 2030“ auf. In dem von der Uni Kiel koordinierten Vorhaben wurden wesentliche Vorarbeiten geleistet und ein erster Maßnahmenkatalog erarbeitet. Ziel des neuen Forschungsprojektes ist es nun, zu ermitteln, durch welche Maßnahmen sich die Wasserqualität der überdüngten Ostsee verbessern lässt. Zudem seien die wachsenden Algen hochwertige Biomasse. So habe man bereits die Idee entwickelt, aus dem Seetang auch Wertstoffe für die Kosmetikindustrie zu gewinnen. Herzstück des neuen Projekts ist eine Pilotanlage in der Eckernförder Bucht. Mit ihrer Hilfe untersuchen die Forschenden, ob Kulturen von Makroalgen – meist handelt es sich um den auch an Ostseestränden häufig anzutreffenden Blasentang Fucus vesiculosus – an Fundamenten von Windkraftanlagen wachsen können. Dafür wird die Projektgruppe in der Eckernförder Bucht Floßstrukturen entwickeln, die den Fundamenten von Windkraftanlagen ähneln. Auf diesen wird dann der Blasentang gezüchtet. Die Kulturen sollen helfen, den Nährstoffgehalt in der Ostsee zu senken. „Braunalgen wie der Blasentang brauchen Nährstoffe zum Wachsen. Und Nährstoffe gibt es auch in der Eckernförder Bucht mehr als genug. Ein ganzer Wald dieser Wasserpflanzen könnte der Bucht deshalb richtig gut tun, indem er reichlich Nährstoffe aufnimmt und so die Wasserqualität verbessert“, erklärt Professor Karsten. Rechtzeitig vor der Zersetzung müsse der Tang allerdings abgefischt werden. In Laborversuchen habe dies bereits sehr gut funktioniert.
Von einer verbesserten Wasserqualität würden auch die Seegraswiesen profitieren. Diese spielen eine zentrale Rolle im Ökosystem Ostsee. Sie bieten Kleintieren und Fischen sowohl Schutz als auch Nahrung, speichern große Mengen von Kohlendioxid, geben Sauerstoff an das Wasser ab und verfestigen die Sedimente am Meeresboden.
Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersuchen Forschende bereits seit 2013, wie Blasentang und Lebewesen der Ostsee auf Aufwirkungen des Klimawandels und anderen menschengemachten Einflüssen reagieren. „Aufbauend auf unsere Erfahrungen können wir die Kultivierung von Blasentang optimieren und dabei auch mögliche zukünftige Veränderungen in ihrem Ökosystem berücksichtigen“, erklärt Professor Dr. Martin Wahl, Meeresbiologe am GEOMAR. „Dies ist wichtig, wenn wir eine langfristige Nutzbarkeit sicherstellen wollen.“
Um die drängenden Fragen nach der Machbarkeit einer ganzjährig stattfindenden Projektarbeit und der Nachhaltigkeit einer Makroalgenzucht in der Ostsee zu beantworten, sind umfangreiche Analysen in allen Forschungsdisziplinen notwendig. Denn die Algen-Aquakultur könnte nicht nur eine nachhaltige Einkommensquelle sein, sondern auch ein Instrument zur Bindung von Kohlenstoff, zur Rückgewinnung von Nährstoffen aus überdüngten Küstengewässern und zur Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der Ökosystemleistungen in gestörten Umgebungen. So wird sich Professorin Katrin Rehdanz vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Uni Kiel mit der sozio-ökonomischen Bewertung beschäftigen. „Neben dem wirtschaftlichen Nutzen für einzelne Branchen, die zukünftig von einer Algen-Aquakultur profitieren könnten, trägt die Makroalgenzucht auch ökologisch zu einer besseren Klimabilanz bei. Aber auch potentielle Nutzungskonflikte und Kosten müssen berücksichtigt werden. Diese Aspekte schauen wir uns im Projekt an,“ sagt die Kieler Umwelt- und Energieökonomin Rehdanz.
„Das Projekt in der Eckernförder Bucht soll insbesondere Forschungslücken im Bereich des marinen Natur- und Umweltschutzes in der Ostsee zu schließen“, blickt Professor Ulf Karsten von der Uni Rostock voraus. Damit trägt es dazu bei, die deutschen Umweltziele nach der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu erreichen. Am Beispiel der Eckernförder Bucht sollen ökologische Zusammenhänge untersucht und der Schutz mariner Lebensräume weiterentwickelt werden.
Ein erfolgreicher Projektverlauf könnte nach Einschätzung von Professor Karsten ebenfalls gewinnbringend für die Landwirtschaft sein. Denn seine Vision ist es, die Reste der Biomasse als Düngerersatz in der Landwirtschaft einzusetzen. „Das würde die Humusbildung im Boden anregen und die Bodenfruchtbarkeit steigern.“ Dazu werden die Rostocker Forscher die Qualität der Biomasse untersuchen und insbesondere überprüfen, wie hoch die Anteile an Zucker, Fetten und Eiweißen sind. Ziel sei es, die Eckernförder Bucht zum Vorbild für andere Regionen im Ostseeraum zu machen.