Was wächst in der Nordsee?
Eine neue App erfasst, bebildert und beschreibt seit Mai alle Großalgen, die im westlichen und östlichen Wattenmeer sowie um die Insel Helgoland wachsen. An den Start geht SeaKey als Bestimmungsschlüssel mit 68 Braunalgen; die Gruppen der Grün- und Rotalgen werden folgen.
31.05.2023
Die App, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts entwickelt wurde, bietet Fachleuten aus Wissenschaft und Behörden, Studierenden sowie interessierten Laien mithilfe eines neu entwickelten Matrix-Konzeptes eine übersichtliche Möglichkeit, um Algen zu bestimmen.
Bestimmung von Makroalgen
An ihren Standorten bilden Großalgen die Basis der küstennahen Nahrungsnetze und bieten ein Habitat für viele marine Tiere. Diese auch Makroalgen genannte, pflanzenähnliche Gruppe, kann unter Wasser drei-dimensionale Wälder ausbilden, die tropischen Regenwäldern in ihrer Komplexität ähneln. Es sind über 10.000 Makroalgenarten bekannt, die die Felsküsten aller Meere besiedeln, von den Tropen bis in die Polargebiete. Außerdem binden sie durch ihre hohe Produktivität Kohlendioxid (CO2) und entziehen damit dieses Treibhausgas der Atmosphäre. Ihre funktionelle Vielfalt macht marine Makroalgen zu wichtigen so genannten „Zeigerarten“. Anhand ihres Vorkommens erfassen die zuständigen Landesbehörden regelmäßig im Rahmen europäischer Richtlinien (WRRL, MSRL, FFH) den ökologischen Zustand von Küstengewässern.
Für Deutschland fehlte bisher eine einheitliche, zusammengeführte und aktuelle Darstellung, die die vielen vorhandenen internationalen Bestimmungsschlüssel für Algen mit regionalem Fokus überschaubar komprimiert. Diese Lücke schließt jetzt SeaKey: Die App ist ein Algenschlüssel, der die taxonomische Bestimmung von Makroalgen für Deutschland auf den neuesten Stand bringt und die Informationen vereinheitlicht, die bisher in unterschiedlichen Quellen zu finden waren.
Die browserbasierte App liefert einen wichtigen Beitrag, um interessierten Menschen den Zugang zur Welt der Algen zu erleichtern und gerade auch hinsichtlich des Erhalts der marinen Biodiversität, die notwendige Expertise aufrechtzuerhalten. Derzeit gibt es in Deutschland nur wenige Fachleute, die über die gut erkennbaren etwa 20 häufigsten und größten Arten hinaus noch weitere Arten bestimmen können. Allein an dem Biodiversitäts-Hotspot der deutschen Nordsee, der Insel Helgoland, leben aber über 300 Makroalgen-Arten, die sich in Braun-, Rot- und Grünalgen aufgliedern. Der Mangel an Expertise liegt unter anderem daran, dass die Bestimmung von marinen Makroalgen in vielen Fällen schwierig ist und die Kenntnis und Vermittlung ihres Artenreichtums weitgehend aus dem Fokus von Universitäten und Instituten verschwunden sind.
Das Konzept
„Wir führen die Nutzenden entlang morphologischer Bestimmungsmerkmale hin zur Artbestimmung,“ erklärt Dr. Inka Bartsch vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Die Biologin und Algenexpertin hat den Bestimmungsschlüssel SeaKey gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen entwickelt. „Dabei verzichten wir darauf, die Systematik mit Ordnungen, Familien oder Gattungen in den Vordergrund zu stellen, denn auch verwandte Arten können ganz unterschiedlich aussehen“, sagt Inka Bartsch. Die klassischen, sogenannten dichotomen Schlüssel, bieten bei jedem Merkmal lediglich zwei Auswahlmöglichkeiten an, die dann zum nächsten Merkmal führen. Inka Bartsch erläutert: „Es ist schwierig und oft entmutigend, wenn man einen Fehler erkannt hat, im Bestimmungsweg zurückzufinden. Außerdem fehlt bei dichotomen Schlüsseln ein gut vergleichender Überblick über die Merkmale ähnlicher Arten. Deshalb haben wir ein Matrix-Konzept entwickelt, dessen innovativer Ansatz es ist, dass er variable Zugriffsmöglichkeiten bietet. Nutzende können also auf verschiedenen Ebenen in die Bestimmung einsteigen, je nachdem welche Merkmale sie bewerten. So können neben Fachleuten aus Wissenschaft und Behörden auch Studierende und interessierte Laien Erfolge erzielen, wenn sie eine ihnen unbekannte Alge bestimmen.“ Um eine breite Nutzung auch außerhalb Deutschlands und durch internationale Studierende zu fördern, sind die Informationen in englischer Sprache verfasst.
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