Biodiversität

So kann die Baustoffbranche Biodiversität fördern

Rohstoffunternehmen greifen in Ökosysteme ein, können aber auch neue Lebensräume schaffen, die für den Schutz seltener Arten sehr wichtig sind. Forschende haben in zwölf deutschen Gewinnungsstätten über 1.200 Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen. Ein Handbuch des Projekts GiBBS zeigt, wie Artenschutz mit dem laufenden Betrieb vereinbar ist – kosteneffizient umsetzbar für Rohstoffunternehmen jeder Größe.

18.02.2025

So kann die Baustoffbranche Biodiversität fördern

Immer mehr Menschen sorgen sich um das Artensterben. Der öffentliche Druck nimmt auch auf Rohstoffunternehmen zu, denn sie verändern Ökosysteme durch den Abbau beziehungsweise die Gewinnung von Baustoffen, zum Beispiel Sand und Gips. Doch gerade für seltene Arten können in Gewinnungsstätten – die es in ganz Deutschland gibt – wichtige neue Lebensräume entstehen. Um diese potenziellen Lebensräume besser zu entwickeln, haben Forschende im Dialog mit der Baustoffbranche ein Konzept für ein ganzheitliches Biodiversitätsmanagement erarbeitet. Mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstellte das Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie“ (GiBBS) ein Handbuch: Es unterstützt Rohstoffunternehmen dabei, Artenschutzmaßnahmen zu planen, umzusetzen und zu evaluieren.

Anzeige

In Deutschland gibt es weiterhin einen hohen Bedarf an Baustoffen. Für eine nachhaltigere Bauwirtschaft ist es zentral, die Potenziale von Recycling, nachwachsenden Rohstoffen und effizienten Bautechniken vollständig auszuschöpfen. Ein weiterer Eckpfeiler ist das Biodiversitätsmanagement in Gewinnungsstätten, denn: Auch in Zukunft können wir nicht komplett auf Primärrohstoffe verzichten.

Wertvolle Lebensräume für hunderte Arten

„Bei der Gewinnung von Sand, Kies, Kalkstein oder Gips greifen Unternehmen in die Landschaft ein. Dabei geht immer etwas verloren, doch für die Biodiversität kann es trotzdem ein Gewinn sein: Neue, karge Lebensräume entstehen, die für sogenannte Pionierarten überlebenswichtig sind“, sagt Prof. Dr. Christoph Scherber, stellvertretender Generaldirektor des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Bonn.

So leben in diesen Pionierlebensräumen etwa Arten wie der Flussregenpfeifer oder die Blauflügelige Sandschrecke. In Baggerlöchern bilden sich Tümpel, in denen Kreuz- und Wechselkröten laichen. Vögel wie Uferschwalben nisten in Abbruchkanten. Solche Arten finden in Deutschland immer seltener geeignete Lebensräume. Aus diesem Grund kann die Baustoffbranche für ihren Schutz eine wichtige Rolle spielen.

Forschende des LIB und der Universität Münster haben die Artenvielfalt in zwölf verschiedenen Gewinnungsstätten untersucht. Ihr Ergebnis: Mehr als 1.200 Pflanzen-, Vogel-, Insekten-, Amphibien- und Reptilienarten konnten sie bei den beteiligten Standorten dokumentieren.

Biodiversität fördern statt verhindern

„Einige Unternehmen sind bereits sehr engagiert und schaffen aktiv Lebensräume für seltene Arten. Andere sind hingegen zurückhaltend, weil sie eine Beeinträchtigung ihrer Betriebsabläufe oder Konflikte mit Naturschutzbehörden befürchten. Teilweise versuchen sie deshalb zu verhindern, dass sich gefährdete Arten ansiedeln“, erklärt Anneli Heinrich. Sie ist Wirtschaftsingenieurin und leitete am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) das Projekt GiBBS. „Wir haben Unternehmen, Branchen- und Naturschutzverbände sowie Naturschutzbehörden an einen Tisch gebracht, um konstruktive Lösungsansätze zu finden. Gleichzeitig hat das IÖW in sieben Unternehmen erforscht, welche Hürden es gibt und welche Strategien funktionieren.“

Das Team erarbeitete praktikable Lösungen, damit Unternehmen aller Größen im laufenden Betrieb die Artenvielfalt fördern können. Dabei geht es um freiwillige Maßnahmen, mit denen sich Unternehmen als verantwortungsbewusste Akteure positionieren können – in der Öffentlichkeit, bei Naturschutzbehörden und Geschäftspartnern.

Eine Aufgabe für das ganze Unternehmen

Das GiBBS-Handbuch denkt alle Unternehmensebenen mit – von der Leitung bis zu den Baggerfahrenden. „Die Baustoffbranche setzt sich schon seit vielen Jahren für den Artenschutz in Gewinnungsstätten ein. Neu ist: Das Handbuch bietet konkrete Hinweise und Tipps, wie biodiversitätsfördernde Maßnahmen in die Unternehmensabläufe effizient und kostenorientiert eingebunden werden können“, betont Ivonne Arenz vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO).

Konkret heißt das: Schutz und Förderung der Biodiversität sollte Teil der Unternehmensstrategie werden. Sowohl der internationale Konzern als auch das kleine Familienunternehmen können klar formulieren, was sie für den Artenschutz erreichen wollen. Dabei sollten die eigenen Flächen im Fokus stehen, sodass externe Kompensation nur eine geringe Rolle spielt. Das Handbuch schlägt Gremien und Formate vor, um die Aktivitäten auf Unternehmens- und Standortebene zu koordinieren.

„Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz müssen den aktiven Betrieb nicht einschränken und auch nicht zwingend teuer sein“, ergänzt der Ökonom Patrick Schöpflin vom IÖW. „Wichtig ist, möglichst verschiedene relevante Lebensräume zu erhalten oder zu schaffen und dort entsprechende Brut- und Ruhezeiten zu beachten.“

Monitoring: Seltene Arten langfristig beobachten

Verlässliche Informationen über das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten sind nur durch regelmäßiges Monitoring möglich. „Für eine Kosten-Nutzen-effiziente Umsetzung hilft das Handbuch dabei, geeignete Zielarten und Erfassungsmethoden auszuwählen, sodass die Ergebnisse aussagekräftig sind und sich der Aufwand trotzdem in Grenzen hält“, sagt Katharina Schwesig vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. Das Vorkommen von Kreuz- und Wechselkröte etwa lässt sich effizient durch DNA-Analysen von Wasserproben nachweisen, während bei Libellen die klassische Erfassung vor Ort nach wie vor die zuverlässigste Methode ist.

„Neben eigenem Fachpersonal und externen Dienstleistern können auch engagierte Bürger:innen das Monitoring unterstützen“, ergänzt Elena Kortmann, Referentin für Artenschutzkoordination im NABU (Naturschutzbund Deutschland). Im Projekt GiBBS beteiligten sich insgesamt 30 Freiwillige. Der NABU koordinierte die Einsätze und entwickelte einen E-Learning-Kurs, um das Artenwissen von Freiwilligen zu erhöhen und diese zur Mitwirkung in solchen Citizen-Science-Projekten in Gewinnungsstätten zu befähigen. „Für Naturbegeisterte ist es eine gute Möglichkeit, seltene Arten in besonderen Lebensräumen zu erleben und sich weiterzubilden. Im Gegenzug können Unternehmen ihr Engagement für Biodiversität aufzeigen.“

Lebensräume, Zielarten und Biodiversitätsmonitoring in einem fiktiven Steinbruch.
Quelle: UD/fo
 

Related Posts

Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche