Biodiversität

Kriege vor allem in biologisch reichen Regionen

Fast alle Kriege der letzten Jahrzehnte haben in Regionen mit besonders großem natürlichem Artenreichtum stattgefunden. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Naturschutzorganisation Conservation International, die die Lage der Kriegszonen seit 1950 genauer analysierten. Demnach fanden neun von zehn der bewaffneten Konflikte mit mindestens 1.000 Todesopfern in den so genannten Biodiversitäts-Regionen statt, in denen die Hälfte aller weltweiten Pflanzenarten und zumindest 42 Prozent aller Wirbeltiere beheimatet sind.

06.03.2009

Fotos (2): Marie Frechon/UN Photo
Fotos (2): Marie Frechon/UN Photo
In den meisten dieser Regionen sind viele Pflanzen und Tiere vom Aussterben bedroht. Umgekehrt waren im selben Zeitraum zwei Drittel der insgesamt 34 Biodiversitäts-Regionen Kriegsschauplätze. Es sei neben der politischen und sozialen Verantwortung eine moralische Verpflichtung, die Ressourcen und Funktionsweise dieser Lebensräume zu schützen, schließen die Forscher aus ihrer Untersuchung.
 
In den Biodiversitäts-Regionen lebt ein Großteil der 1.2 Mrd. ärmsten Menschen, deren Überleben in besonderer Weise von Ressourcen und Angebot des natürlichen Ökosystems abhängt. Bricht ein Krieg aus, tritt der Umweltaspekt in den Hintergrund und Anstrengungen des Naturschutzes werden beendet. Die Zerstörung der natürlichen Ressourcen beraubt in den meisten Fällen die Zivilbevölkerung ihrer wichtigsten Lebens- und Nahrungsgrundlagen. Zudem sind Kriegsflüchtlinge häufig gezwungen, für ihr Überleben zu jagen, Feuerholz zu sammeln oder Lager zu errichten, was die lokalen Naturressourcen ebenfalls beeinträchtigt. Aus diesem Grund starben etwa in der Republik Kongo 95 Prozent der Flusspferde im Virunga National Park.
 
Dass sich militärische Planer keinen Deut um die Umwelt kümmern, hebt Knut Krusewitz, Umweltplaner und Autor zahlreicher Beiträge zum Thema militärische Umweltschäden, im Interview hervor. "Im Irakkrieg etwa jagten die Kriegsführer C-Waffen-Anlagen in die Luft und verseuchten dadurch die geschützten Flussgebiete am Euphrat und Tigris. Das wird den jetzigen Besatzungssoldaten zum Problem, für die man überlegt, Trinkwasser aus den USA einfliegen zu lassen", so Krusewitz. Die Auswirkungen der Verschmutzung gingen dabei räumlich weit über die Kriegsgebiete hinaus. "Als die kuwaitischen Erdölquellen in Brand gesetzt wurden, ging eine Schadstoffwolke mehrmals um die Welt und wurde sogar noch auf den pazifischen Inseln nachgewiesen", betont der Umweltexperte aus Fulda.

Ähnlich wie Informationen über den Kriegsverlauf versuchen Kriegsmächte auch die Veröffentlichung der ökologischen Konsequenzen ihres Treibens zu steuern. "Die Ökologie ist bei Kriegen ein Natur- und Wissenschaftsgebiet, auf dem gelogen wird, dass sich die Balken biegen", berichtet Krusewitz. Ein deutliches Beispiel dafür sei der Vietnamkrieg. Das von der US-Armee mit Flugzeugen versprühte Entlaubungsmittel "Agent Orange" zerstörte die Wälder weiter Regionen des Landes und ließ aufgrund von Dioxin-Verunreinigungen viele Bewohner der ehemaligen Kriegsgebiete erkranken. "Studien bestätigen auch in der dritten Generation ein enorm hohes Krebsrisiko in der Bevölkerung", so Krusewitz. Dennoch weigere sich die USA bis heute strikt, Entschädigungen zu zahlen. "Da Vietnam aktuell vom sozialistischen Planwirtschaftssystem zur Marktwirtschaft übergeht und regen Außenhandel mit den USA betreibt, sind die Entschädigungen kein Thema. Das Beharren darauf würde die weitere Integration des Landes in das kapitalistische Wirtschaftssystem verhindern", so Krusewitz.
 
Bloß ein einziger Fall ist dem Umweltforscher bekannt, in dem Kriegsmächte Verantwortung für ökologische Folgen ihres Handelns übernahmen. "Im Kosovo-Krieg verschoss die US-Armee Munition mit radioaktiver Alpha-Strahlung, deren Halbwertszeit über vier Mrd. Jahre beträgt. Als sich die Besetzung durch NATO-Soldaten abzeichnete, startete ein großes UNO-Programm mit westlicher Unterstützung, das die verstrahlten Orte aufspürte und einen Großteil der verstrahlten Erde abtrug." Motiv dieser Maßnahme sei jedoch der Schutz der Besatzungssoldaten gewesen, nicht derjenige der Bevölkerung, gibt Krusewitz zu bedenken.
 
Auch ein jetzt veröffentlichter Bericht der Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen UNEP thematisiert die Rolle der Ökologie im Kriegsfall. Langzeitige Konflikte zwischen Staaten flammen demnach besonders dann wieder auf, wenn der Anlass des Streits fehlende natürliche Ressourcen sind oder wenn die Ökologie bei Friedensverhandlungen ausgeklammert bleibt. Der Aspekt der Naturressourcen solle in allen Phasen des Konflikts und der Friedensbemühungen einbezogen werden, so die Forderung des Berichts, wie auch verstärktes Umweltmanagement und die Organisation von natürlicher Ressourcen eine Investition zur Vorbeugung von Konflikten darstelle. Umweltschutz sei eine neue Chance für Friedensprozesse, so die Schlussfolgerung der Studie.
Quelle: UD / pte
 
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