Weltweites Amphibiensterben durch den Chytridpilz
Wissenschaftler an der Universität Trier erforschen das Risiko des Artenschwundes: Amphibien zählen zu den am stärksten bedrohten Tieren der Erde. Nach der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN sind zwei Drittel der rund 6500 bekannten Arten vom Aussterben bedroht. Vor allem Froschlurche, die den Großteil der Amphibien ausmachen, sind betroffen. Nebst den "klassischen" Ursachen wie Habitatverlust und Umweltverschmutzung werden im IUCN Amphibian Conservation Action Plan auch so genannte "neue" Ursachen für den dramatischen Artenrückgang verantwortlich gemacht.
22.09.2009
Wie genau der Chytridpilz wirkt ist ebenfalls unbekannt. So kann beispielsweise nicht erklärt werden, warum zwar viele, aber nicht alle Arten lokal aussterben. Einige schrumpfen nur auf eine minimale Populationsgröße zusammen, bleiben dann aber stabil. Andere wiederum scheinen völlig unbeeinträchtigt von der Chytridiomykose zu sein. Solche Arten kommen als mögliche Überträger (Vektoren) des Pilzes in Frage, da Batrachochytrium dendrobatidis selbst wenig mobil ist. Eine weitere Rolle beim Vormarsch der Krankheit spielt der Mensch. Der Pilz überlebt im feuchten Schlamm an Stiefeln oder Keschern. Eine andere Möglichkeit der Übertragung bietet der Tierhandel.
Wissenschaftler am Institut für Biogeographie der Universität Trier haben in der Arbeitsgruppe von Dr. Stefan Lötters, Dipl.-Biol. Dennis Rödder und Prof. Dr. Michael Veith sowie in Zusammenarbeit mit weltweit anerkannten Instituten in Bonn, Kopenhagen, London und Madrid anhand des bisherigen Vorkommens des Pilzes und Klimadaten ein Modell erstellt mit dessen sich seine potenziellen globale Verbreitung vorhersagen lässt. Die in der Zeitschrift Diversity* veröffentlichte Studie sagt voraus, wo überall in der Welt Batrachochytrium dendrobatidis Bedingungen vorfindet, die seine Etablierung begünstigen.
Das Forscherteam zeigt unter anderem, dass der Erreger beste Bedingungen in einigen Regionen findet, die als Diversitätszentren für Amphibien gelten, aber bisher noch frei vom Chytridpilz sind. Dazu zählen Madagaskar, das Äthiopische Hochland, die südliche Himalaya-Region, Chinas Yunnan Provinz sowie weite Teile Süd-Ost-Asiens.
Kombiniert man das Modell für die potentielle Verbreitung des Pilzes mit Verbreitungskarten der bekannten Amphibien, zeigt sich dass 1100 Arten ausschließlich in Regionen vorkommen, die für den Pilz als sehr geeignet gelten. Wenn man allein die Froschlurche betrachtet, so gelten solche, die bestimmte Lebensweisen besitzen, als besonders empfänglich für die Chytridiomykose (z.B. Vorkommen in Gebirgen, Fortpflanzung in Fließgewässern). Dies sind vornehmlich Frösche und Kröten aus tropischen Regionen Südamerikas, Afrikas, Asiens und Australiens. Die Forschergruppe nimmt an, dass es sich bei diesen 379 Arten um die am stärksten durch den Chytridpilz gefährdeten Amphibien handelt.
Nur bei wenigen dieser Arten konnte Batrachochytrium dendrobatidis bisher nachgewiesen werden. Doch gehen laut IUCN bei 187 der genannten Frösche und Kröten die Populationen derzeit stark zurück. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass dies auf den Chytridpilz zurückzuführen ist.
Möglichkeiten der Bekämpfung von Batrachochytrium dendrobatidis in der Natur existieren bisher nicht. Die IUCN propagiert die vorübergehende Erhaltungszucht in menschlicher Obhut, beispielsweise in Zoos als moderne Arche Noah. Doch sind die räumlichen und finanziellen Kapazitäten hier trotz erheblicher Bemühungen und vorhandener Kompetenzen beschränkt. Die Auswahl der Arten für die Arche erfolgte in der Vergangenheit oftmals ohne fundiertes Wissen darüber, wie gefährdet durch den Chytridpilz sie wirklich sind. Die vorliegende Studie unter Federführung der Universität Trier erlaubt nun eine bessere Priorisierung von Arten für die Erhaltungszucht.
Auch in Europa findet der Chytridpilz zunehmend geeignete Lebensbedingungen vor und viele einheimische Arten sind bereits infiziert. Die Trierer Forscher widmen sich daher nun verstärkt der Frage, ob und in welchem Maße der Amphibienerreger auch bei uns beginnt Fuß zu fassen und mit welchen Folgen zu rechnen ist.