Biodiversität

Politisches Wissen um Biodiversität erforderlich

In einem offenen Brief an SCIENCE warnen 28 Wissenschaftler davor, den künftigen globalen Experten-Rat für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zu sehr an bereits bestehende Gremien wie dem Millennium Assessment oder dem Weltklimarat IPCC anzulehnen und auf rein wissenschaftliche Abschätzungen zu beschränken.

09.08.2011

Auch das Wissen von lokalen Gruppen und indigenen Völkern sollte genutzt werden, Foto: Marion Book
Auch das Wissen von lokalen Gruppen und indigenen Völkern sollte genutzt werden, Foto: Marion Book
Um tatsächlich Entscheidungen “an der Basis“ zu erreichen und zu motivieren, könnten die bereits verfügbaren Modelle nicht einfach für den IPBES-Prozess (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) eins zu eins übernommen werden, schreiben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin SCIENCE. Die Erweiterung des wissenschaftlich fundierten Wissens zu den Prozessen, die die biologische Vielfalt weltweit bedrohen, sei zwar wichtig, aber die Ziele des künftigen Biodiversitätsrates sollten weiter gesetzt werden und vor allem Prozesse zum Aufbau von lokalen Kapazitäten stärken.

Die UN-Mitgliedsländer hatten sich im Juni 2010 im südkoreanischen Busan auf die Einrichtung eines neuen internationalen Wissenschaftlergremiums für Biodiversität geeinigt. Im Dezember hatte die UN-Generalversammlung der Gründung des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) zugestimmt. Mit diesem zwischenstaatlichen UN-Ausschuss soll ein neues Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ins Leben gerufen werden. Die konkrete Ausgestaltung ist genauso wie die Finanzierung und der Sitz des neuen Gremiums noch Gegenstand zwischenstaatlicher Verhandlungen. Um den Sitz des Sekretariates von IPBES bewirbt sich auch Deutschland, das Bonn vorgeschlagen hat, wo bereits verschiedenste UN-Organisationen vertreten sind. Eine Entscheidung dazu soll Anfang 2012 fallen.

Mit ihrem offenen Brief reagieren die Wissenschaftler auf einen Artikel, der im März in SCIENCE erschienen war und in dem vier Wissenschaftler Optionen für die Ausgestaltung eines neuen Gremiums diskutieren. Im Mai 2011 trafen sich international renommierte Experten aus Wissenschaft und Politik am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), um zu diskutieren, ob der Weltklimarat in der Tat als ein Vorbild für Politikberatung in anderen Bereichen wie Biodiversität und Ernährungssicherheit dienen  kann und welche Alternativen bestehen.

Aus Sicht der Gruppe um Prof. Mike Hulme von der University of East Anglia/ Norwich ist es wichtig, Politikberatung nicht auf rein wissenschaftliche Analysen und Bewertungen zu beschränken, sondern auch lokales Wissen einzubeziehen, da sich Veränderungen in der Biodiversität oft zuerst lokal bemerkbar machen und es Jahre dauern kann, bis dieses Wissen in globale Berichte einfließt. „Um das Wissen von lokalen Gruppen und indigenen Völkern mit zu nutzen, reicht es nicht, ausschließlich ein neues Gremium zu schaffen, sondern es sollten das bereits vorhandene Wissen und bestehende Netzwerke aus Wissenschaft, Politik und Akteuren enger verknüpft werden“, erläutert Prof. Christoph Görg vom UFZ. Und seine Kollegin Dr. Silke Beck, die den IPCC sozialwissenschaftlich untersucht hat, ergänzt: „Ein neuartiges, dezentrales Netzwerk kann nicht einfach die traditionellen wissenschaftlichen Verfahren übernehmen, sondern erfordert auch neue Formen der Abstimmung und Qualitätskontrolle, die stärker den Bedürfnissen seiner Adressaten Rechnung tragen, offen und transparent und damit auch glaubwürdiger sind.“

Görg, Beck und andere UFZ-Wissenschaftler sprechen sich bereits seit mehreren Jahren für die Einrichtung eines neuartigen Gremiums aus, um Experten weltweit zu mobilisieren und Wissen zur Erhaltung der Biodiversität bereit zu stellen. Ein Treffen von 30 internationalen Experten im Oktober 2006 am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung war hierfür ein wichtiger Beitrag im Prozess, der zur Etablierung von IPBES geführt hat.
Quelle: UD / fo
 
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