Biodiversität

„Weltbiodiversitätsrat“ IPBES gewählt

Die erste Vollversammlung der Interdisziplinären Plattform für Biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen - IPBES hat stattgefunden. Der Rat wurde ins Leben gerufen, um als unabhängiges Gremium das Wissen zum Zustand, der Entwicklung der biologischen Vielfalt und den Ursachen ihres weltweiten Verlustes zusammenzutragen und politischen Entscheidungsträgern zugänglich zu machen. Bei dem Treffen, das am Sitz des künftigen Sekretariats in Bonn stattfand, haben die Vertreter der bisher 105 Mitgliedsstaaten die Regeln für die künftige Arbeit, die Organisationsstruktur innerhalb der Vereinten Nationen sowie die Besetzung der verschiedenen Gremien festlegt.

30.01.2013

Bild: IPBES
Bild: IPBES
IPBES wird als unabhängiges Gremium künftig zunächst federführend vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verwaltet und besteht aus dem Plenum der Mitgliedsstaaten, einem politisch besetzten Leitungs-Büro, sowie einem so genannten Multidisziplinären Expertengremium (MEP). Das MEP setzt sich aus weltweit führenden Wissenschaftlern zusammen. Unter ihrer Koordination sollen künftig Berichte entstehen, die das Wissen über den Zustand der Ökosysteme weltweit zusammenfassen, Ursachen und Zusammenhänge des ungebremsten Verlustes der biologischen Vielfalt darstellen und der Politik Vorhersagen über Auswirkungen verschiedener Handlungsoptionen sowie Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung an die Hand geben sollen.

Die Mitglieder des MEP wurden für die kommenden zwei Jahre gewählt und setzen sich zu gleichen Teilen aus Vertretern der fünf UN-Regionen zusammen. Deutsche Forscherinnen und Forscher sind nicht vertreten. IPBES-Vorsitzender ist der Prof. Abdul Hamid Zakri aus Malaysia, der bereits in zahlreichen internationalen Studien in der Koordination tätig war.

Erste IPBES-Berichte werden frühestens 2015 erscheinen. Hierfür sollen die Mitgliedstaaten unter Beteiligung der verschiedenen internationalen Naturschutzabkommen wie etwa dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt CBD, weiterer öffentlicher Interessengemeinschaften wie beispielsweise Indigenen und Naturschutzorganisationen sowie Forschungs- und Industrieverbänden im Laufe dieses Jahres thematische Vorschläge machen. Darüber wird das Plenum bei der zweiten Vollversammlung voraussichtlich im Dezember dieses Jahres abstimmen.

Dr. Carsten Neßhöver, Koordinator des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung Deutschland, begrüßt grundsätzlich die in Bonn beschlossenen Strukturen des Rates. Ein wesentlicher Aspekt dabei war bereits bei der letzten konstituierenden Sitzung in Panama im April 2012 beschlossen worden: Die Trennung von Wissenschafts- und Politikgremium in MEP und Büro.

„Auch hier in Bonn wurde die Trennung von MEP und Büro immer wieder hinterfragt, konnte aber zunächst sichergestellt werden. Nach den ersten zwei Jahren soll dies aber neu betrachtet werden. Denn hier gilt es weiterhin auf die richtige Balance zwischen politischer Zielvorgabe und wissenschaftlicher Unabhängigkeit zu achten."

IPBES soll möglichst viele Forschungsrichtungen einbeziehen und daneben auch praktisches Wissen öffentlicher Organisationen und indigener Völker berücksichtigen. Denn der Verlust der biologischen Vielfalt hat sehr viele Ursachen gesellschaftlichen Ursprungs, die einer interdisziplinären Betrachtung bedürfen, um erfasst und effektiv angegangen werden zu können. Wie diese weiteren Wissensformen einbezogen und bewertet werden, wird nun von verschiedenen Arbeitsgruppen und Workshops bis zur nächsten Vollversammlung erarbeitet. Denn klar ist, dass Exzellenzmaßstäbe wie Peer-Review-Verfahren in der Forschung, hier allein nicht ausreichen, sondern um andere Validierungsmethoden ergänzt werden müssen.

Zur Ausgewogenheit des MEP sagt Carsten Neßhöver: „Das nun aufgestellte MEP entspricht dem angestrebten Anspruch auf ausgeglichene Verteilung von Expertise und Geschlecht nur in geringem Maße." Bei allen Vorschlagslisten der fünf UN-Regionen dominierten sowohl Naturwissenschaften als auch Männer. Um die Assessments erfolgreich und effektiv durchzuführen, ist nach Ansicht Neßhövers jedoch eine multidisziplinäre Arbeitsweise entscheidend. Deswegen müsse es das MEP schaffen, die fehlende Expertise in den eigenen Reihen durch externe Expertinnen und Experten gezielt in seiner Arbeit zu ergänzen. „Dies kann durchaus eine Herausforderung werden, etwa wenn es um die Einschätzung der nun eingehenden Anfragen für Studien geht, die gemeinsam mit dem Büro priorisiert werden müssen" meint Neßhöver.

Die erste Vollversammlung zeigt einmal mehr, wie wichtig die interdisziplinäre Vernetzung der Forschungslandschaft ist, um in Prozessen wie IPBES mit einer starken Stimme aufzutreten. Gerade weil IPBES bei der Durchführung der Assessments wesentlich auf lokale und nationale Netzwerke angewiesen sein wird.

In Bonn waren erstmals eine größere Anzahl von Akteuren aus Forschung, zivilgesellschaftlichen Organisation und auch der Privatwirtschaft vertreten. Deren Input wurde durch die Delegierten recht offen aufgenommen, allerdings wird eine erfolgreiche Arbeit, auch aufgrund des begrenzten Budgets von IPBES, sehr stark von deren breiter aktiver Beteiligung abhängen. Der Wissenschaft wird hier eine besondere Rolle zukommen. NeFo unterstützt hierzu die Vernetzung der Wissenschaft durch interdisziplinäre thematische Workshops und begleitet den IPBES-Prozess aktiv durch ein Online-Informationsangebot und eigene Veranstaltungen. Im Rahmen des ersten IPBES-Plenums koordinierte NeFo bspw. eine Posterausstellung für deutsche Forschungseinrichtungen und ihre Arbeit in der Biodiversitätsforschung.
Quelle: UD / fo
 
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