Biodiversität

WBGU übergibt Gutachten „Welt im Wandel - Menschheitserbe Meer“

Die Meere sind gemeinsames Erbe der Menschheit und sollten langfristig einen entsprechenden völkerrechtlichen Status erhalten. Dadurch würden sie besser geschützt und ihre nachhaltige Nutzung würde gesichert, so der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in seinem neuen Hauptgutachten „Welt im Wandel - Menschheitserbe Meer“, das heute der Bundesregierung übergeben wird. Der WBGU hält in Berlin seine konstituierende Sitzung ab, zu seinen neun Mitgliedern zählt der Politikwissenschaftler und Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI), Professor Dr. Claus Leggewie.

11.06.2013

Meere werden nicht nur höher, wärmer und saurer, sie werden auch massiv überfischt. Foto: Marion Lenzen
Meere werden nicht nur höher, wärmer und saurer, sie werden auch massiv überfischt. Foto: Marion Lenzen
Trotz zahlreicher völkerrechtlicher Abkommen und freiwilliger Verpflichtungen werden die Meere nicht nur höher, wärmer und saurer, wie bereits 2006 vom WBGU beschrieben; sie werden auch massiv überfischt, verschmutzt und zunehmend als letzte große Ressourcenquelle der Erde erschlossen und ausgebeutet. Seit 1994, dem Inkrafttreten des UN- Seerechtsübereinkommens (UNCLOS), wird nur ein Teilgebiet als gemeinsames Erbe der Menschheit anerkannt: das Gebiet des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsbefugnisse mit seinen mineralischen Ressourcen. Den schlechten Zustand der Meere und die absehbare Zunahme von Meeresübernutzung und -verschmutzung nimmt der WBGU jetzt zum Anlass, die bereits Ende der 1960er Jahre in der UN-Generalversammlung vorgetragene Forderung erneut aufzugreifen: Alle Meereszonen mit Ausnahme des Küstenmeeres sollten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt werden. Zudem sollten Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Meere ein Leitprojekt der „Großen Transformation“ hin zu einer klimaverträglichen, zukunftsfähigen Gesellschaft sein. Die Notwendigkeit dieser „Großen Transformation“ hat der WBGU bereits 2011 in einem Gutachten begründet.

Strategie für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren

Auf dieser Grundlage sieht die Langfristvision des WBGU für die Meere eine Reform des UN-Seerechtsübereinkommens vor, die einen vorsorglichen und nachhaltigen Umgang mit den Meeren sicherstellt. Damit stünde der dauerhafte Schutz der Meere ebenso im Zentrum wie ihre gemeinschaftliche Nutzung in einer Welt mit bald 9 Milliarden Menschen. Von den Nutzungsmöglichkeiten der Weltmeere sollte die gesamte Menschheit profitieren. Voraussetzung hierfür wäre ein Konsens zum Umgang mit den Meeren, der über einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu erreichen ist: ein Gesellschaftsvertrag für die Meere. Als Schlussstein eines sorgfältigen und schrittweisen Umbaus der internationalen Meerespolitik empfiehlt der WBGU die Gründung einer Weltmeeresorganisation (World Oceans Organisation) und entsprechender regionaler Institutionen für nachhaltiges Meeres-Management. Eine solche Strategie für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren ist notwendig, möglich und vorteilhaft: Notwendig ist sie, weil die Meere erheblich geschädigt, verschmutzt und ausgebeutet werden.

Möglich ist sie durch eine schrittweise und wirkungsvolle Regulierung der Meeresnutzung, aufbauend auf dem UN-Seerechtsübereinkommen. Vorteilhaft ist die Strategie, weil sie zum Übergang zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen Gesellschaft beiträgt und sicherstellt, dass die Meere auch von künftigen Generationen genutzt werden können.

Mehr Verantwortung für Nationalstaaten und regionale Organisationen Mit dem UN-Seerechtsübereinkommen gibt es bereits einen umfassenden internationalen Vertrag, der als eine Art „Verfassung der Meere“ fungiert. Allerdings fehlt es häufig an der konsequenten Umsetzung der vereinbarten Regelungen. Fehlverhalten wird nicht ausreichend verhindert und sanktioniert. Deshalb plädiert der WBGU für die Anwendung des Menschheitserbeprinzips und des Vorsorgeprinzips, so dass alle Staaten erweiterte Schutzpflichten für die Meere haben. In der Ausschließlichen Wirtschaftszone, d. h. der Zone zwischen 12 bis maximal 200 Seemeilen vor der Küste, deren Nutzung den Küstenstaaten vorbehalten ist, sollten die Schutz-, Berichts- und Kontrollpflichten den jeweiligen Staaten obliegen.

In der Hohen See sollten die neu zu gründenden Regional Marine Management Organizations (RMMO) diese Pflichten übernehmen. Nur wenn diese ihre Aufgaben nicht erfüllen, sollte die Weltmeeresorganisation eingreifen können. Das Instrument der marinen Raumordnung sollte eingeführt und ein auf wissenschaftlichen Empfehlungen basierendes Netzwerk von Meeresschutzgebieten, auch für die Hohe See, eingerichtet werden. Durch Rechenschafts- und Berichtspflichten von Küstenstaaten und Regional Marine Management Organizations (RMMO) würden Informationen gebündelt, so dass die Einhaltung bestehender Schutzvorschriften besser überprüft werden kann. Zusätzlich sollte das UN-Seerechtsübereinkommen Möglichkeiten enthalten, vertragsbrüchige Staaten zu sanktionieren. Staaten, die ihren Schutzverpflichtungen nicht nachkommen, sollten vor dem Internationalen Seegerichtshof verklagt werden können.

Transformation in den Handlungsfeldern Fischerei und Meeresenergie vorantreiben

Es gibt gute Beispiele für nachhaltiges Fischereiwesen in verschiedenen Ländern (z.B. Australien, Neuseeland), wo die Trendwende bereits gelungen ist und sich die Bestände langsam erholen. Diese Vorbilder gilt es in die Breite zu tragen. Auch in der EU sind Fortschritte sichtbar. Reformbedarf besteht generell vor allem bei der mangelnden Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlungen für Fangbeschränkungen durch die Politik sowie bei der Kontrolle und Durchsetzung der Regeln. Insbesondere muss die illegale Fischerei wirksamer bekämpft werden, etwa durch die Förderung von Monitoring- und Kontrollkapazitäten in Entwicklungsländern. Die Nutzung erneuerbarer Energien aus dem Meer sollte durch gezielte Innovationspolitik und unter Beachtung von Nachhaltigkeitserfordernissen gefördert werden. Damit würde auch der Ausstieg aus der küstenfernen Öl- und Gasförderung sowie der Verzicht auf den klimagefährdenden Methanhydratabbau ermöglicht.
Quelle: UD / fo
 
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