Energiewende

USA: Boom dank Fracking?

Eine fortschrittlichere Technik bei der Horizontalbohrung und beim „Hydraulic Fracturing“ (Fracking) haben den USA den Zugang zu großen, in Gestein verborgenen Gas- und Ölvorräten ermöglicht. Die Folge ist eine boomende US-Ölproduktion, die mittlerweile eine regelrechte Energierevolution ausgelöst hat. Die Regierungsbehörde „US Energy Information Administration“ schätzt, dass die USA bereits 2016 in der Lage sein werden, fast 10 Millionen Barrel täglich zu fördern – und sich damit den Fördermengen von Russland mit 10,5 Millionen Barrel und Saudi-Arabien anzunähern.

19.03.2014

USA: Boom dank Fracking?

Laut den jüngst veröffentlichten Prognosen beim Energie-Ausblick der Regierungsagentur könnten sich die USA bis 2018 sogar zum Nettoexporteur von Erdgas entwickeln. Gleichzeitig dürften sich allerdings Nachfrageveränderungen auf die Ökonomien in China, Indien und Europa negativ auswirken. Wir nehmen deshalb das Fracking und seine jeweiligen Auswirkungen unter die Lupe: auf das Wirtschaftswachstum in den USA, den Ölpreis, die globale Wirtschaft und die Anleger weltweit. Verschiedene Experten erläutern, was der durch diese Technologie generierte Energieboom bewirken könnte.

Jörg Knaf, Managing Director Nordeuropa,Natixis Global Asset Management:
Dass Fracking die konventionelle Förderung von Erdgas unter Druck setzt und damit auch indirekt den Ölpreis, ist längst unbestritten. Was viele Investoren aber beim Fracking nicht wissen, ist, dass es weniger um billiges Öl und Erdgas geht, sondern um eine kostbare Ressource, das Wasser, eine durchaus interessante alternative Anlage.

Jens Peers, CIO Sustainable Equities, MIROVA:
Die Ausbeutung sogenannter unkonventioneller Gasvorkommen birgt im Vergleich zur traditionellen Gasförderung zusätzliche Risiken. Dazu zählen beispielsweise die Gefahr einer Verschmutzung des Grundwassers, das Problem des dadurch bedingten Wegfalls von Ackerflächen sowie eine stärkere Belastung des Klimas als bei einer konventionellen Gasförderung. Diese Auswirkungen müssen von Fall zu Fall analysiert und bewertet werden. Allerdings bringen diese Risiken auch Chancen mit sich, und zwar insbesondere für Unternehmen, die aktiv Lösungen zur Wasseraufbereitung entwickeln. Schließlich besteht das größte operative Risiko bei der Ausbeutung von Gasschiefer-Vorkommen in der Schadstoffbelastung infolge des so genannten ‚Hydraulic Fracturing‘. Obwohl man diese Sicherheitsrisiken natürlich immer genau im Auge behalten muss, scheint es unangemessen, deshalb den gesamten Sektor in Frage zu stellen.

Michael Acton, Research Director, AEW Capital Management:
Seit Jahrzehnten verweisen Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft auf die zunehmende Ölknappheit und ihre Folgen. Mit der neuen Fracking-Technologie eröffnen sich jedoch für die USA, aber auch anderswo in der Welt, wesentlich größere Erdgas- und Ölreserven, als bisher vorstellbar. Diese Vorräte werden für weitere etwa 30 bis 50 Jahre reichen. Es gibt eine endliche Menge an kohlebasierten Energievorräten unter der Erde. Dieser Zeitpunkt ist jedoch weiter in die Ferne gerückt.

Die neue Technologie hat kurzfristig die US-Konjunktur angekurbelt und damit Investmentmöglichkeiten vor allem auf dem Immobilienmarkt geschaffen. Diese neuen Ölvorräte haben die Produktion in den USA bereits erhöht, was oft als „On-shoring“ bezeichnet wird. Viele Produktionsstätten, die zuvor aufgrund günstigerer Löhne nach Übersee ausgelagert worden waren, kehren nun angesichts niedriger Kosten und eines regelrechten Energieüberflusses wieder zurück. Wichtiger noch, die Produktion ist wieder näher am Markt und am Endverbraucher, dem US-Konsumenten.

Die USA benötigen größere Lagerkapazitäten für Erdgas

Ein weiteres Thema ist die Schaffung von Lagerkapazitäten für diese neuen Energiemengen. Aktuell gibt es in den meisten Teilen der USA nicht genügend Lagerstätten für Erdgas. Das Gas wird direkt beim Austritt aus den Bohrlöchern regelrecht verbrannt, weil es nirgendwo gelagert werden kann. Kapazitäten zur Aufbewahrung von Erdgas, sowie Pipelines müssen also für die kommenden Jahre dringend bereitgestellt werden. Darüber hinaus muss an den Häfen die erforderliche Infrastruktur errichtet werden, damit das Öl nach Europa oder gar in den Asien-Pazifikraum exportiert werden kann. Uns interessiert dabei vor allem die Nachfrage bei kommerziell genutzten Flächen.

Energieboom schafft neue Jobs in den USA

Gleichwohl generiert der Energieboom mehr Verwaltungsjobs. Insbesondere ergeben sich technologieorientierte Aufgaben im Energiesektor. Diese Entwicklung ist besonders in der Gegend um Houston und Dallas, Texas zu beobachten. In diesen Städten ist das derzeitige Wirtschaftswachstum beachtlich. Der neu aufgeflammte Boom des Energiesektors wirkt sich auch auf andere Bereiche aus. In Dallas beispielsweise, ist der auf Energiethemen ausgerichtete Finanzsektor sehr stark – in Houston dagegen Forschung, Design und Entwicklung von energierelevanten Geräten. Insgesamt dürfte die Energierevolution die Kostenstruktur von Unternehmen in den USA niedrig halten, was jeder Branche zugute kommen wird.

Philippe Waechter, Chief Economist,Natixis Asset Management:
Es ist unbestritten, dass die Schiefergasrevolution in Nordamerika einen regelrechten Hype ausgelöst hat. Dennoch sind wir nicht davon überzeugt, dass dies weitreichende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wird. Wir beobachten bereits seit 2000 eine ständig steigende Nachfrage nach Energie – vor allem seitdem die Schwellenländer zusätzliche Energiemengen für ihre wirtschaftliche Entwicklung benötigen. Angeführt von China, dem Land mit dem zweitgrößten Anteil an der Weltwirtschaft, ist die Nachfrage nach Öl immens angestiegen. Dadurch wurden die Ölpreise 2008 auf über 100 US-Dollar pro Barrel hochgetrieben. Das starke Wachstum der Schwellenländer hat somit enorme Änderungen in der Zusammensetzung des Welt-Bruttoinlandsproduktes mit sich gebracht. Die Spannungen der Ölpreisdiskussion wurden nach der Finanzkrise in den westlichen Ökonomien durch die Schiefergasrevolution allerdings abgeschwächt. Ohne dieses neue Angebot wären die Ölpreise vermutlich momentan höher, was sich nachteilig auf die ohnehin fragilen Ökonomien der Industrieländer ausgewirkt hätte.

Was die Unabhängigkeit vom Erdöl für die USA bedeuten könnte

Auf dem Weg der USA zur Unabhängigkeit bei der Energieversorgung spielen auch geopolitische Themen eine große Rolle. China hat längst Schritte zu einem offeneren Markt eingeleitet, unter anderem durch die Einführung des Yuan, einer konvertiblen Reservewährung. Das Land dürfte zudem in den kommenden Jahren auch seine Finanzmärkte für das Ausland öffnen. Damit dürfte China noch mächtiger im Wettbewerb mit den USA werden. Sollte dieses Szenario eintreffen, ist es für die USA von Vorteil, nicht von externen Energieressourcen abhängig zu sein.

Mit Russland als größtem Ölproduzenten und wichtigem Player im weltweiten Energiemarkt bleiben die weiteren Beziehungen zu den USA spannend. Solange das globale Wachstum von Energie abhängig ist, wird sich das Machtgleichgewicht ändern: Mit Hilfe der größeren Energieressourcen bleiben die USA auch weiterhin ein globaler Player. Wir warnen jedoch so zu tun, als ob die Ölressourcen unendlich seien. Im Sinne einer ökonomischen und geopolitischen Nachhaltigkeit raten wir deshalb unbedingt dazu, alternative, erneuerbare Energien in den Vordergrund zu stellen.

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Der Ölpreis

Wir rechnen für die kommenden Monate mit einem gleichbleibenden oder minimal sinkenden Ölpreis. Ein fallender Preis wird jedoch maßgeblich von Ländern wie Saudi Arabien abhängen, die einen Zielpreis pro Barrel haben, um das Landesbudget auszugleichen. Sollte der Ölpreis längerfristig unter das derzeitige Maß von etwa 90 US-Dollar fallen, würde Saudi Arabien möglicherweise seine Produktion herunterfahren. Dann dürfte der Ölpreis wieder steigen.

Fazit: Wir beobachten in absehbarer Zukunft eine starke Abhängigkeit des Ölpreises von der Erholung der globalen Wirtschaft. Da zunehmend Länder, die nicht zur OPEC gehören, am Ölmarkt beteiligt sind, wird sich der Preis in den nächsten Jahren zwischen 90 und 110 US-Dollar pro Barrel einpendeln.

Matthew Eagan, Fixed-Income Manager, Loomis, Sayles & Company:

Die US-Wirtschaft erhält durch den neuen Öl- und Gasboom in mehrfacher Hinsicht Rückenwind. Es ist unbestritten ein großer Vorteil, wenn ein Land wie die USA Selbstversorger von Energie ist. Je weniger Energie importiert werden muss, desto stärker gehen die Nettoexporte zurück. Das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird immens von dem weiteren Anstieg der Wirtschaftsaktivitäten profitieren: Diese betreffen vor allem die Förderung und Entwicklung von Öl- und Gasvorräten, sowie die Schaffung einer hierfür erforderlichen Infrastruktur. Diese muss für den Bau von Pipelines und Bohrungen erst aufgebaut werden – all dies wird das BIP in den USA aus unserer Sicht positiv beeinflussen.

Wenn der Energieboom die Konjunktur in den USA weiter antreibt, werden auch die nordamerikanischen Handelspartner wie Kanada und Mexiko davon profitieren. Die neue Regierung in Mexiko hat Steuerreformen angekündigt und plant das Ölmonopol aufzuheben. Die mexikanische Regierung hat zudem weitere Reformen auf den Weg gebracht. Die Energiereform, die künftig auch private Investoren in diesem Sektor zulassen möchte, wird sich allerdings noch einige Jahre hinziehen. Mit diesem Ansatz möchte die Regierung ihre Energievorräte noch effizienter nutzen als bisher. Mit der Öffnung des Ölsektors in Mexiko dürfte der Erdgas- und Ölboom in den kommenden Jahren auch Mexiko erreichen. Dies wäre sehr vorteilhaft für das Wachstum der mexikanischen Wirtschaft, sowie für die Landeswährung Peso.

Quelle: UD/pm
 

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