Energieeffizienz entdeckt den Menschen
Deutschland hat hehre klimapolitische Ziele und legt entsprechende Aktionsprogramme auf. Auch die privaten Hausbesitzer sollen ihren Anteil an einer klimaneutralen Zukunft erbringen, meint man im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Eigenheimer will man davon überzeugen, Baumaßnahmen immer auch unter dem Aspekt der Energieeffizienz zu sehen und einen langfristigen „individuellen Sanierungsfahrplan“ zu erstellen, natürlich mithilfe von Energieberatern. Schließlich sollen im Lauf der nächsten 35 Jahre 80 Prozent des nicht erneuerbaren Primärenergieeinsatzes für Gebäude eingespart werden. Bis Ende 2016 soll die Methodik anwendungsreif sein. Baden-Württemberg ist Vorreiter in dem Projekt, das Bundesland bietet Beratern und Gebäudebesitzern bereits detailliert ausgearbeitete Formulare an.
18.07.2016
Auf einem „Energieforum“ in Magdeburg hat die Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt (LENA) jüngst die Akzeptanz des neuen Konzepts bei Beratern und Hausbesitzern diskutiert. Dabei wurde ein Paradigmenwechsel deutlich: Die Effizienzberatung wird künftig nicht mehr das Gebäude, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Denn das scheint man inzwischen gelernt zu haben: Nicht energieeffiziente Technik und Bauplanung sind der Engpass, sondern die Bereitschaft der Menschen, sie zu nutzen.
Susann Bollmann, Managerin Finanzierung von Energieeffizienz bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), referierte in Magdeburg die Ergebnisse einer qualitativen Studie mit 24 Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern, die erstmals Einblicke in die Psyche der Hauseigentümer unter dem Aspekt „Energieeffizienz“ gewonnen hat. Die Ergebnisse überraschen uns nicht, sprechen aber eine deutliche Sprache:
- Hausbesitzer vertrauen nicht den Experten, sondern wollen die Dinge selbst verstehen. Sie sind grundsätzlich skeptisch, „übers Ohr gehauen zu werden“. Am ehesten vertrauen sie noch staatlichen Institutionen.
- Rat und Hilfe wird nur bei vertrauen Personen gesucht, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis, durch persönliche Empfehlung. Auch hier geht es erst einmal ausschließlich um Vertrauen.
- Eine „gefühlte Wirtschaftlichkeit“ steht hinter allen baulichen Entscheidungen, Umwelt- oder Klimaschutz ist dagegen überhaupt kein Motivationsfaktor, allenfalls ein schöner Nebeneffekt.
Was folgt daraus für die Erfolgsaussichten des BMWi-Ansatzes?
- Die Energieberater brauchen kommunikationspsychologische Schulung, und zwar intensiv und flächendeckend; die Erarbeitung von Formularen und Ablaufschemata reicht nicht aus.
- Landesenergieagenturen kommt die Aufgabe zu, das Thema und die qualifizierten Berater „in die Nachbarschaft“ zu holen, sprich: mit Kampagnen das soziale Umfeld der Hausbesitzer zu erreichen.
- Nennt es bitte nicht „Sanierungsfahrplan“, denn „Sanierung“ klingt nach Not, Missstand und Sachzwang; nennt den Fahrplan zu mehr Energieeffizienz auch nicht „gebäudeindividuell“, wie es die Baden-Württemberger tun, sondern einfach „individuell“, denn wir wollen doch Menschen ansprechen.
„In die Nachbarschaft“ holt man Energieeffizienz wohl auch kaum mit der bundesweiten Kampagne, die das BMWi derzeit fährt. Unter dem Motto „Deutschland macht’s effizient“ werden gleich zwei kommunikative Kapitalfehler begangen: Es geht den Hauseigentümern mit Sicherheit nicht um Deutschland, Nationalstolz dürfte das Letzte sein, was sie motiviert, den Heizkessel zu erneuern. Und was die ironischen Bildmotive betrifft, so ist zu bezweifeln, dass sich die Zielgruppe von ihnen angesprochen fühlt. Was Kreative in der Werbeagentur lustig finden und Ministerialbeamte vielleicht als mutig ansehen, entspricht wohl kaum der gemeinen Hausbesitzer-Seele. Man muss die Leute schon ernstnehmen, die man gewinnen will.