Energiewende

Energiewende in Deutschland: Kosten für Netzeingriffe explodieren

Bei relevanten Zielen der Energiewende in Deutschland wird die Schere zwischen einerseits nicht mehr erreichbaren und andererseits übererfüllten Zielen immer größer. Zu diesem Ergebnis kommt der Energiewende-Index, mit dem McKinsey & Company seit 2012 anhand von 15 Indikatoren den Status der Energiewende in Deutschland halbjährlich abbildet. Die aktuelle Analyse der Unternehmensberatung zeigt: Während sich beispielsweise die Kosten für Netzeingriffe und die Strompreise immer weiter von den ursprünglich gesteckten Zielen entfernen, erreicht etwa der Offshore-Wind-Ausbau Spitzenwerte weit über den geforderten Mindestmarken.

22.09.2016

Energiewende in Deutschland: Kosten für  Netzeingriffe explodieren zoom

Für sieben der insgesamt 15 untersuchten Kennzahlen bleibt das Erreichen der Ziele „realistisch“, bei den meisten mit steigender Tendenz. Lediglich der Ausbau der Photovoltaik (PV) entwickelt sich wegen der geringeren staatlichen Förderung leicht rückläufig. Beim Ausbau der Transportnetze besteht weiterhin Anpassungsbedarf. Für sieben Indikatoren ist eine Zielerreichung nach der Analyse unrealistisch – mit Tendenz zu weiterer Verschlechterung. Dazu gehören die Aspekte Ausstoß von CO2-Äquivalent-und Höhe der EEG-Umlage, über die jährlich zum 15. Oktober neu entschieden wird.

Teure Netzeingriffe und hohe Strompreise belasten die Bilanz

Zu den massivsten Veränderungen im Index zählt der starke Anstieg der Kosten durch Netzeingriffe. „Immer häufiger sind so genannte Redispatch-Maßnahmen notwendig, die das Zu- und Abschalten von Kraftwerkskapazitäten regeln“, sagt McKinsey-Seniorpartner Thomas Vahlenkamp, der den Index entwickelt hat. Dadurch haben sich die Kosten auf zuletzt 403 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die wachsende Zahl der Netzeingriffe resultiert fast vollständig aus Engpässen auf den Nord-Süd-Trassen in den Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber.

Nicht nur die teuren Netzeingriffe verschlechtern die ökonomische Bilanz der Energiewende, das gilt auch für die aktuelle Strompreiseentwicklung. Die Haushalts- und Industriestrompreise in Deutschland entfernen sich immer mehr vom EU-Durchschnitt. Inzwischen liegt das Preisniveau für deutschen Haushaltsstrom 42,1 Prozent über dem europäischen Durchschnitt, beim Industriestrom sind es rund 20 Prozent mit steigender Tendenz. Auch für weitere zentrale Kenngrößen sind die Ziele der Energiewende massiv gefährdet: Der Primärenergieverbrauch ist im Analysezeitraum konjunkturbedingt um 2,3 Prozent angestiegen, der Stromverbrauch ist nur leicht gesunken. Auch die Emissionen stiegen: Mit zuletzt 925 Mt ist der CO2e-Ausstoß von seiner 2020-Zielmarke (750 Mt) weit entfernt.

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Die Ergebnisse im Detail

1. Indikatoren mit realistischem Tempo in der Zielerreichung

  • Offshore-Wind-Ausbau: Mit einer abermals gestiegenen Leistung auf jetzt 3,3 GW liegt der Indikator mit einem Erfüllungsgrad von knapp 170 Prozent weit über dem derzeitigen Zielwert. Angestrebt wird eine Kapazität von 6,5 GW im Jahr 2020.
  • Solar PV-Ausbau: Die Verlangsamung des Ausbaus von Photovoltaik setzt sich weiter fort. Zu der installierten Kapazität von 39,1 GW im Oktober 2015 kamen bis April 2016 nur 0,4 GW an neu errichteten Anlagen hinzu. Dennoch liegt der Indikator mit 115 Prozent immer noch über dem Zielwert.
  • Gesicherte Reservemarge: Der Indikator für Kapazitätsreserven in deutschen Kraftwerken steigt nochmals von 238 Prozent auf jetzt 292 Prozent. Die Energieversorgung ist damit zumindest auf nationaler Ebene nach wie vor gewährleistet. Doch die gestiegenen Kosten für Netzeingriffe zeigen, dass es regional immer wieder zu Engpässen kommt.
  • Anbindung Offshore-Windparks: Die Anbindung der bestehenden Offshore-Windparks ist abgeschlossen: Nach Fertigstellung der noch benötigten Umspannstationen konnten alle verbliebenen Windanlagen ans Netz gehen. Damit erreicht der Indikator sein Ziel zu 100 Prozent.
  • Ausfall Stromversorgung: Die Ausfalldauer pro Kunde betrug zuletzt nur noch 12,3 Minuten, wodurch die Zielerreichung des Indikators auf 113 Prozent steigt und damit „realistisch“ bleibt. Insgesamt zählt das deutsche Stromnetz zu den versorgungssichersten weltweit. Grund für die neuerliche Verbesserung ist aber auch die geringere Zahl extremer Wetterereignisse im Vergleich zum Vorjahr.
  • Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien: Die Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien verlagern sich: Insgesamt ist die Beschäftigung von 371.400 auf 355.400 Jobs gesunken. Mit einer Zielerreichung von 110 Prozent liegt der Indikator aber weiterhin im Zielkorridor. Allerdings verlagern sich die Arbeitsplätze weg von der Solarbranche – hier fiel jeder dritte Job weg – hin zur Windkraft, wo durch vermehrten Zubau sowohl onshore als auch offshore neue Stellen geschaffen wurden.
  • Mehr Arbeitsplätze in stromintensiven Industrien: Mit rund 45.000 neu geschaffenen Arbeitsplätzen setzt sich das Beschäftigungswachstum in stromintensiven Industrien fort. Mittlerweile liegt die Zahl der Arbeiter und Angestellten in diesem Wirtschaftszweig bei rund 1.661.000. Das schon zuvor realistische Ziel wird damit um 21 Prozent übertroffen.

2. Indikatoren mit leichtem Anpassungsbedarf

  • Ausbau Transportnetze: Auf Grund von Ausbauverzögerungen beläuft sich der bisherige Zubau auf rund 614 km und erreicht damit sein Etappenziel nur zu 72 Prozent - mit rückläufiger Tendenz. 2020 soll die Gesamtlänge 1.887 Kilometerbetragen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten pro Jahr etwa 300 Kilometer zugebaut werden. In 2015 waren es zuletzt knapp 150 Kilometer.

3. Indikatoren mit unsicherer Zielerreichung

  • Kosten Netzeingriffe: Die Kosten für die Einspeisung zusätzlicher Kapazitäten haben sich gegenüber dem letzten Index von rund 2,00 Euro/MWh auf 3,40 Euro/MWh spürbar erhöht. Der Indikator sinkt damit in seiner Zielerreichung auf ein neues Allzeittief von -141 Prozent.
  • Primärenergieverbrauch: Der bereits 2015 deutlich außerhalb des Zielkorridors liegende Primärenergieverbrauch steigt konjunkturbedingt noch einmal um 300 Petajoule (umgerechnet rund 83 TWh) an. Der vorgesehene Zielwert ist damit zu gerade einmal 46 Prozent erreicht.
  • Stromverbrauch: Der Stromverbrauch in Deutschland im Jahr 2015 ging zwar leicht zurück und betrug gemäß einer aktualisierten Schätzung der AG Energiebilanzen 594 TWh. Der Wert liegt damit aber weiterhin über dem Ziel von 579 TWh. Der Indikator verbessert sich jedoch leicht auf eine Zielerreichung von nun 59 Prozent.
  • Haushaltsstrompreise: Obwohl die hiesigen Haushaltsstrompreise von 29,49 ct/kWh auf 29,35 ct/kWh fielen, wächst der Abstand zu anderen Ländern. Die Zielerreichung des Indikators verschlechtert sich von 37 Prozent auf 35 Prozent.
  • Industriestrompreise: Während es europaweit zu einem Rückgang von 0,3 Prozent kam, stieg der Preis in Deutschland um 1,2 Prozent auf aktuell 11,24 ct/kWh. Haupttreiber hierfür sind gestiegene Netzkosten, die den gesunkenen Großhandelspreisen in der zweiten Jahreshälfte 2015 gegenüberstehen. Der Indikator mindert dadurch seine Zielerreichung von -24 Prozent auf -45 Prozent.
  • Ausstoß CO2-Äquivalent: Die Emissionen haben sich auf 925 Mt erhöht und rücken das für 2020 angepeilte Ziel von 750 Mt in immer weitere Ferne. Eine Ursache ist die nach wie vor starke Stromgewinnung aus Kohle, die 2015 zudem Rekordraten im Export erzielte. Die Zielerreichung des Indikators liegt jetzt bei 42 Prozent und bleibt somit weiterhin „unrealistisch“.
  • EEG-Umlage: Nach kurzzeitiger Senkung in 2015 ist die Umlage für erneuerbare Energien 2016 auf 6,35 ct/kWh erneut angestiegen. Der Indikator verschlechtert sich dadurch auf 18 Prozent. Vom ursprünglich anvisierten Umlagefixum von 3,5 ct/kWh ist heute keine Rede mehr. Zum Stichtag 15. Oktober wird über die nächste Erhöhung entschieden.

Hier finden Sie einen detaillierten Überblick über den Index und die untersuchten Indikatoren.

Quelle: UD/pm
 

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