H2-Kompass: Wegweiser ins Wasserstoff-Zeitalter
Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung markiert den Aufbruch Deutschlands in die Wasserstoffwirtschaft. Nun geben acatech und DECHEMA mit dem Wasserstoff-Kompass Orientierung für mögliche Wege dorthin. Der digitale H2-Kompass zeigt daten- und faktenbasiert Handlungsoptionen zu Erzeugung, Transport und Import sowie Nutzung auf. Ein Fazit: Deutschland wird auch mit Wasserstoff Energieimporteur bleiben – kann aber kritische Abhängigkeiten im Vergleich zu Öl und Gas stark reduzieren.
26.09.2023
In einer klimaschonenden Wirtschaft wird Wasserstoff ein wichtiger Baustein sein – darüber sind sich Forschung, Politik und Wirtschaft weitestgehend einig. Doch viele Fragen werden noch heiß diskutiert: Wie viel heimischen Wasserstoff kann Deutschland mittels erneuerbarer Energien herstellen? Wie viel muss importiert werden – und welche Partnerländer bieten sich an? Wie kann ein europäisches Wasserstoff-Transportnetz entstehen – und wie sollte Wasserstoff am sinnvollsten genutzt werden?
„Die Ziele sind mit der Wasserstoffstrategie vor dem Hintergrund der Klimaschutzabkommen und auch mit Blick auf unsere Industrie- und Energie-Souveränität klar. Unser Anspruch ist, mit dem Wasserstoff-Kompass Orientierung zu geben, welche alternativen Routen zu diesen Zielen führen können“, sagt acatech Präsident Jan Wörner.
„An vielen Stellen gibt es von Unternehmen bereits wichtige erste Impulse für den Markthochlauf“, so DECHEMA-Vorstandsmitglied Maximilian Fleischer. „Dennoch zeichnen sich bei Erzeugung, Transport und Anwendung von Wasserstoff und seinen Derivaten derzeit keine Universallösungen ab. Der technologische Optionenraum ist weit geöffnet. Deshalb braucht es technologieoffenes und marktorientiertes Wissen, damit die Politik Forschung und Innovation effektiv unterstützen kann“, so Fleischer weiter.
Deutschland bleibt Energieimportland – kann jedoch kritische Abhängigkeiten reduzieren
Bei einem Wasserstoffbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden im Jahr 2030 wird Deutschland auf Importe in erheblichem Umfang angewiesen sein. Viele Länder inner- und außerhalb Europas kommen als Wasserstoff-Exporteure infrage. Für den Import nach Deutschland bieten sich vor allem Pipelines an. Vorstellbar sind auch Importe von Wasserstoff beziehungsweise seinen Derivaten per Schiff aus weit entfernten Regionen. Insgesamt kann der Umstieg von Kohle, Öl und Gas auf Wasserstoff für eine Diversifizierung der Energie-Importquellen genutzt werden – damit würde die Versorgungssicherheit Deutschlands im Vergleich zur fossilen Energieversorgung steigen.
Im Rahmen der Projektarbeit haben sich Grundvoraussetzungen, Schlüsseltechnologien, aber auch bestehende und zukünftige Verknüpfungen zwischen Industrien, Prozessen und Sektoren herauskristallisiert. Der Wasserstoff-Kompass zeigt auf, wie technologische Veränderungen in einem Bereich Anpassungsbedarfe an anderen Stellen auslösen. Ein Beispiel: Wenn Raffinerien von der Rohölverarbeitung auf eine wasserstoffbasierte Kraftstoffproduktion umstellen, fallen Schwefel, Bitumen und Koks als wichtige Nebenprodukte weg. Diese müssten also in anderen Bereichen der Industrie ersetzt werden. Ein anderes Beispiel aus der Stahlindustrie: Beim Umstieg von der klassischen Hochofenroute auf die wasserstoffbasierte Eisendirektreduktion entfallen Hüttensand und Flugasche als Reststoffe. Diese werden bislang als Materialzuschläge in der Zementindustrie eingesetzt.
Fest steht jedenfalls, dass der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, ein noch enger verzahntes europäisches Stromsystem und eine ausgereifte Infrastruktur für den Import und Transport von Wasserstoff und seine Folgeprodukte Grundvoraussetzungen für eine Wasserstoffwirtschaft darstellen.
Neuer Elektrolyse-Monitor: Die Lücken in der heimischen Erzeugung schließen sich
Der Elektrolyse-Monitor des Wasserstoff-Kompass-Projektes erfasst wichtige Elektrolysekapazitäten in Deutschland und Europa – sowohl bestehende Anlagen als auch geplante. Er gibt nähere Informationen zu Orten, Akteuren und Technologien. Ein Fazit hierzu: Die Lücke zu dem von der Bundesregierung anvisierten Ziel von zehn Gigawatt heimischer Erzeugungsleistung bis 2030 schließt sich immer weiter. Noch bleibt allerdings eine Lücke von 1,2 Gigawatt.