Energiewende

Wie eine globale Wasserstoffwirtschaft die Sicherheitspolitik verändert

Die Sicherung der Versorgung mit Grünem Wasserstoff wird künftig zu einem Schlüsselfaktor für die Energieversorgung und den Wohlstand in den Industriestaaten. Geopolitisch wird Wasserstoff zum Rückgrat der industriellen Produktion und des Gütertransports. Dies sind die Ergebnisse der aktuellen Studie von Deloitte „A Security Policy for the Global Hydrogen Economy“, die anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt wurde.

23.02.2023

Wie eine globale Wasserstoffwirtschaft die Sicherheitspolitik verändert

Die USA werden in diesem Szenario die einflussreichste Nation bleiben, die nur von China herausgefordert wird, während Russland und der Nahe Osten für die Energiesicherheit an Bedeutung verlieren. Damit bieten sich der EU in Zukunft mehr Möglichkeiten als bisher, ihre Energiebasis zu sichern.

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Professor Dr. Bernhard Lorentz, globaler Leiter der Nachhaltigkeitsberatung bei Deloitte und Autor der Studie, betont: „Mittel- und langfristig ist der Klimawandel die größte globale Sicherheitsbedrohung unserer Zeit. Seine Auswirkungen mögen zunächst nicht unmittelbar sichtbar sein, aber die vollen Konsequenzen werden große Teile der Weltbevölkerung massiv schädigen. Eine konsequente Dekarbonisierung entlang der Pariser Agenda ist die einzige Antwort. Grüner Wasserstoff wird dabei eine entscheidende Rolle spielen und die globalen Machtstrukturen massiv verändern.“

Die Vereinigten Staaten werden sich weitgehend selbst versorgen können und keine Wasserstoffimporte benötigen. Darüber hinaus werden die USA als einzige Großmacht in der Lage sein, ihre Verbündeten mit Energie zu versorgen. China wird zwar der größte Hersteller von grünem Wasserstoff weltweit werden. Allerdings wird sich das Land erst nach 2050 weitgehend selbst versorgen können. Die Verringerung der Importabhängigkeit wird eines der Hauptziele der Führung in Peking sein. Theoretisch könnte auch Russland zu den Gewinnern des Wasserstoffzeitalters gehören. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es angesichts der aktuellen Entwicklung und seiner Isolation von diesen Vorteilen profitieren wird.

Die Europäer stehen vor dem größten Dilemma aller Großmächte. Sie werden weiterhin von Wasserstoffimporten abhängig sein. Schätzungen gehen davon aus, dass die Importquote im Jahr 2050 rund 43 Prozent betragen wird. Wirtschaftlich gesehen sollten diese Importe aus Nordafrika bezogen werden, der politisch schwierigsten Nachbarschaft Europas. Für seine Energiesicherheit wird deshalb die Fähigkeit Europas entscheidend sein, Partnerschaften zum beiderseitigen Vorteil mit seinen Nachbarn einzugehen.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Botschafter Dr. Christoph Heusgen, führt dazu aus: „Die künftige Entwicklung Afrikas ist mitentscheidend für die politische und wirtschaftliche Sicherheit Europas. Die Entwicklung erneuerbarer Energie gemeinsam mit Staaten im nördlichen und südlichen Afrika könnte zum Schlüssel einer neuen Beziehung auf Augenhöhe werden.“

„Aus wirtschaftlicher Sicht sollten Wasserstoffimporte in die EU aus dem nächstgelegenen starken Produktionszentrum kommen, das heißt aus Nordafrika und in deutlich geringerem Maße aus dem Nahen Osten. Diese Verbindung wäre umso wichtiger, als sie den Transport des Wasserstoffs durch Pipelines statt durch Schiffe ermöglichen würde. Darüber hinaus hat das südliche Afrika großes Potential“, unterstreicht Bernhard Lorentz.

Die Expert:innen von Deloitte skizzieren in ihrer Studie sieben mögliche Optionen für europäische Energiepartnerschaften:

  1. Insbesondere in Nordafrika bedarf es gezielter Anstrengungen, damit die Zusammenarbeit erfolgreich sein kann. Ziel muss es sein, eine neue Phase der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenarbeit im Mittelmeerraum einzuleiten. Denkbar wäre auch, den Green Deal der EU auf Nordafrika auszuweiten.

  2. Grüner Wasserstoff erfordert erhebliche Anfangsinvestitionen in Stromerzeugung, Technologietransformation sowie Infrastruktur. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten erwägen, ihre Klima- und Entwicklungsbudgets sowie ihre Kredit- und Bürgschaftssysteme aufeinander abzustimmen, um eine kontinuierliche Unterstützung zu gewährleisten.

  3. Teilhabe wird ein wesentlicher Stabilisator für Partnerschaftsabkommen sein. Im Einklang mit den Grundsätzen der fairen Entwicklung müssen Entwicklungs- und Schwellenländer die Möglichkeit haben, als Teil der globalen Wertschöpfungskette davon zu profitieren.

  4. Energiepartnerschaften sollten stets als umfassende Abkommen strukturiert sein, einschließlich eines regelmäßigen politischen Dialogs, an dem nicht nur die Regierungen, sondern auch Parlamente, regionale und lokale Behörden, der Privatsektor und die Zivilgesellschaft beteiligt sind.

  5. Europa sollte die Absicherung der Investitionen und der Produktion gegen Preisschwankungen und politische Störungen zu einem seiner wichtigsten strategischen Anliegen machen.

  6. Im Rahmen der Partnerschaft liegt es im strategischen Interesse beider Seiten, einen nationalen Einnahmenfonds einzurichten, der einen zweckgebundenen Anteil an den Einnahmen erhält, die die Partner sowohl auf dem Inlandsmarkt als auch auf dem Exportmarkt erzielen.

  7. Umweltfreundliche Wasserstoffprojekte sollen vom ersten Tag an einen Mehrwert für die lokale und regionale Umwelt bringen.

Josef Janning, Senior Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Mit-Verfasser der Studie, zieht ein optimistisches Fazit: „Unter Berücksichtigung dieser Optionen könnten die europäischen Akteure gerechtere, widerstandsfähigere und nachhaltigere Partnerschaften aufbauen – kurz gesagt, ihre eigene Sicherheit gewährleisten. Zweifellos würde die Einbeziehung dieser Optionen mehr Ressourcen und ein größeres politisches Engagement erfordern als ein reiner Kosten-Nutzen-Ansatz. Bisher hat dieser Ansatz allzu oft dazu geführt, später mehr zu zahlen und weniger sicher zu sein. Die Europäer könnten und sollten es diesmal besser machen.“

Die vollständige Studie erhalten Sie hier.

Klimapolitik und Sicherheitspolitik hängen zusammen. Das meint der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther. Warum das seiner Meinung nach so ist, erfahren Sie in unserem Interview

Quelle: UD/pm
 

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