Energiewende
Nuklearer GAU: Risiko in Westeuropa am größten
Das Risiko einer Nuklearkatastrophe wurde bisher um mindestens den Faktor 200 unterschätzt. Das zeigen Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in der Zeitschrift "Atmospheric Chemistry and Physics". Alle zehn bis 20 Jahre kommt es laut ihren Berechnungen zu einer Kernschmelze in einem der heute aktiven Reaktoren. Betrachtet man die einzelnen Regionen, lebt es sich in Westeuropa - allen voran in Süddeutschland - am gefährlichsten: Alle 50 Jahre ist hier den Mainzer Abschätzungen zufolge mit einer radioaktiven Kontamination zu rechnen.
25.05.2012
Die Methode der Forscher provoziert mit Einfachheit: Zunächst wurde die Laufzeit der zivilen Kernreaktoren von der ersten Inbetriebnahme bis heute ermittelt. Derzeit sind 440 in Betrieb und 60 weitere in Planung, was 14.500 Jahre Gesamtlaufzeit ergibt. Dividiert wurde diese Zahl durch jene der Kernschmelzen, derer es bisher vier gab: eine in Tschernobyl und drei in Fukushima. Das Ergebnis: Alle 3.625 Reaktorjahre kommt es zu einem größten anzunehmenden Unfall (GAU) laut der internationalen Bewertungsskala INES - womit man auf eine Katastrophe in irgendeinem Reaktor alle zehn bis 20 Jahre kommt.
Alter, Typ und Verortung der Reaktoren bleiben in dieser Berechnung unberücksichtigt - durchaus mit Absicht, wie Studienleiter Jos Lelieveld gegenüber pressetext darlegt: "Auch in vermeintlich sicheren Reaktoren kann es zu einer Kernschmelze kommen, da sich nicht alle Ursachen vorhersehen lassen - und auch in Japan rechnete zuvor niemand mit dem GAU. Menschliches Versagen kann es immer geben, ebenso Terroranschläge, Sabotage oder Naturkatastrophen, zudem werden Laufzeiten meist überzogen. Diese Risikofaktoren kann man nicht quantifizieren, weshalb wir uns an den Erfahrungswerten orientiert haben."
Risikoabschätzungen in öffentlich-zugänglicher Literatur sind bisher Rarität. Verfügbar ist einzig eine Arbeit der US-Zulassungskommission für Kernreaktoren aus dem Jahr 1990, die jedoch ein 200-mal geringeres Risiko als das nun ermittelte ergeben hatte. "Bereits die Beobachtung der Geschichte widerlegt die damaligen Zahlen", kommentiert Lilieveld. Dass er Fukushima statt als eine Katastrophe als drei Einzelvorfälle wertete, sei vertretbar: "Wenngleich die Ursache nicht unabhängig war, sollten dies die Sicherheitssysteme sein."
Die Mainzer Forscher modellierten darüber hinaus, wie sich radioaktive Gase und Partikel - als Beispiel diente das radioaktive Cäsium-137 - rund um mögliche Unglücksstellen verteilen. Nur acht Prozent der radioaktiven Emission geht innerhalb von 50 Kilometern um ein havariertes AKW nieder, 50 Prozent innerhalb von 1.000 Kilometern und 25 Prozent in mehr als 2.000 Kilometer Entfernung, so das Ergebnis. Angesichts seiner hohen Reaktordichte muss Westeuropa alle 50 Jahre mit mehr als 40 Kilobecquerel radioaktiver Kontamination pro Quadratmeter rechnen, wobei hier jede Kernschmelze im Schnitt 28 Mio. Menschen betrifft.
Die Forderung der Studienautoren: Die Risiken, die von Atomkraftwerken ausgehen, sollten tiefgehend analysiert und neu betrachtet werden. "Unsere Studie gibt nicht die letzte Antwort und die Ergebnisse sollen trotz ihrer Beschränkungen ein Beitrag der Debatte sein. Dringend nötig ist es, den völlig überzogen Optimismus aus der Bauzeit der meisten heutigen Reaktoren abzulegen", betont Lilieveld.
Alter, Typ und Verortung der Reaktoren bleiben in dieser Berechnung unberücksichtigt - durchaus mit Absicht, wie Studienleiter Jos Lelieveld gegenüber pressetext darlegt: "Auch in vermeintlich sicheren Reaktoren kann es zu einer Kernschmelze kommen, da sich nicht alle Ursachen vorhersehen lassen - und auch in Japan rechnete zuvor niemand mit dem GAU. Menschliches Versagen kann es immer geben, ebenso Terroranschläge, Sabotage oder Naturkatastrophen, zudem werden Laufzeiten meist überzogen. Diese Risikofaktoren kann man nicht quantifizieren, weshalb wir uns an den Erfahrungswerten orientiert haben."
Risikoabschätzungen in öffentlich-zugänglicher Literatur sind bisher Rarität. Verfügbar ist einzig eine Arbeit der US-Zulassungskommission für Kernreaktoren aus dem Jahr 1990, die jedoch ein 200-mal geringeres Risiko als das nun ermittelte ergeben hatte. "Bereits die Beobachtung der Geschichte widerlegt die damaligen Zahlen", kommentiert Lilieveld. Dass er Fukushima statt als eine Katastrophe als drei Einzelvorfälle wertete, sei vertretbar: "Wenngleich die Ursache nicht unabhängig war, sollten dies die Sicherheitssysteme sein."
Die Mainzer Forscher modellierten darüber hinaus, wie sich radioaktive Gase und Partikel - als Beispiel diente das radioaktive Cäsium-137 - rund um mögliche Unglücksstellen verteilen. Nur acht Prozent der radioaktiven Emission geht innerhalb von 50 Kilometern um ein havariertes AKW nieder, 50 Prozent innerhalb von 1.000 Kilometern und 25 Prozent in mehr als 2.000 Kilometer Entfernung, so das Ergebnis. Angesichts seiner hohen Reaktordichte muss Westeuropa alle 50 Jahre mit mehr als 40 Kilobecquerel radioaktiver Kontamination pro Quadratmeter rechnen, wobei hier jede Kernschmelze im Schnitt 28 Mio. Menschen betrifft.
Die Forderung der Studienautoren: Die Risiken, die von Atomkraftwerken ausgehen, sollten tiefgehend analysiert und neu betrachtet werden. "Unsere Studie gibt nicht die letzte Antwort und die Ergebnisse sollen trotz ihrer Beschränkungen ein Beitrag der Debatte sein. Dringend nötig ist es, den völlig überzogen Optimismus aus der Bauzeit der meisten heutigen Reaktoren abzulegen", betont Lilieveld.
Quelle: UD / pte