Virtuelle Kraftwerke - Eine clevere Lösung zur Energiewende?
Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse - erneuerbare Energien sollen in Zukunft die Stromversorgung hierzulande sicherstellen. Schon heute machen sie rund ein Viertel der deutschen Stromerzeugung aus. Doch ihre Erzeugung ist unregelmäßig. Um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden, muss die schwankende Einspeisung durch den Einsatz von Regelenergie flankiert werden. Das sind vor allem Gas- und Pumpspeicherkraftwerke. Eine erfolgversprechende Alternative dazu sind so genannte virtuelle Kraftwerke. UmweltDialog sprach darüber mit Ulrich Danco, Geschäftsführer für Großkunden von E.ON Vertrieb Deutschland.
02.07.2013
Guten Tag Herr Danco. E.ON promotet aktuell die Idee des „virtuellen Kraftwerks“. Was ist das?
Ulrich Danco: Wir stehen aktuell vor der Frage, wie man ein schwankendes Stromangebot austarieren und die Stromnetzfrequenz bei 50 Hertz stabil halten kann. Virtuelle Kraftwerke sind in der Lage, kurzfristig auf Schwankungen der Stromerzeugung oder des Stromverbrauchs zu reagieren. Streng genommen sind sie nichts anderes als eine intelligente Vernetzung von Erzeugung, Nachfrage und Speicherung. Betreiber dezentraler Erzeugung oder industrielle Verbraucher besitzen Flexibilitäten. Das heißt, es kann gesteuert werden, wann Energie verbraucht oder produziert werden soll. Diese Flexibilität können sie auch auf dem Regelenergiemarkt der Übertragungsnetzbetreiber anbieten. Virtuelle Kraftwerke werden in der künftigen Energiewelt eine wichtige Rolle spielen. Daher bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, am Regelenergiemarkt teilzunehmen.
Können Sie das an einem ganz konkreten Beispiel veranschaulichen?
Danco: Stichwort Kraft-Wärme-Koppelung: E.ON ist einer der größten Anbieter, der die Strommengen der KWK-Betreiber gezielt im Regelenergiemarkt verwertet. Anlagenbetreiber aus Industrie und Kommunen stellen dabei ihre Leistung zur Verfügung. Daraus bildet E.ON einen Pool und bietet diese Leistung am Regelenergiemarkt der Übertragungsnetzbetreiber an. Je nach Regelenergiebedarf schaltet der Übertragungsnetzbetreiber dann die Anlagen zu. Ein anderes Beispiel der Bereitstellung von Flexibilität ist Demand Response Management: Der Betreiber eines großen Kühlhauses flexibilisiert eine Teilmenge seines Strombedarfs. In Schwachlastzeiten - wenn also viel Strom zur Verfügung steht − fährt der Betrieb seine Kühlaggregate hoch und bringt seine Kältekammern auf ein deutlich niedrigeres Temperaturniveau. Die Kunden erzielen über den Regelenergiemarkt Zusatzerlöse und leisten einen positiven Beitrag zur Energiewende und für die Umwelt.
Ist Regelenergie nur ein Back-up, wenn Wind und Sonne nicht scheinen, oder wie hängen beide Bereiche zusammen?
Danco: Virtuelle Kraftwerke sind eine notwendige Ergänzung zum Ausbau erneuerbarer Energie. Generell erleben wir derzeit einen Umbau der deutschen Energielandschaft hin zu einer verstärkt dezentralen Struktur. Hier passen virtuelle Kraftwerke mit ihrer ebenfalls dezentralen Organisation gut ins Bild. Der Vorteil ist aber, dass die benötigte Leistungsreserve schon heute durch die vielen kleinen Anlagen vorhanden ist.
Kommen dabei nur klimakritische Technologien wie Kohlekraftwerke zum Einsatz oder auch andere, umweltfreundliche Technologien?
Danco: Virtuelle Kraftwerke beziehen alle Anlagen zur dezentralen Energieerzeugung ein, also auch Windkraft, Wasserkraft oder Biomasse.
Wieso trägt das zur Energiewende bei?
Danco: Bei der Energiewende geht es nicht nur um den Ausbau der regenerativen und dezentralen Strom- und Wärmeerzeugung. Regenerative Energien stehen naturgemäß nur schwankend zur Verfügung, unabhängig vom Strombedarf. Damit gilt die bekannte Logik „Erzeugung folgt Verbrauch“ teilweise nicht mehr. An den sonnen- oder windreichen Tagen kommt es beispielsweise zu einem Überangebot. Je mehr Strom aus regenerativen Quellen ins Netz einspeist wird, desto wichtiger wird der Regelenergiemarkt und damit virtuelle Kraftwerke. Sie helfen damit bei der Integration der Erneuerbaren ins Energienetz.
Virtuelle Kraftwerke wenden sich an Firmenkunden, Stadtwerke oder an wen noch?
Danco: Virtuelle Kraftwerke richten sich an alle Betreiber dezentraler Erzeuger sowie an alle Verbraucher, die flexible Lasten haben.
Welche Rolle nimmt E.ON in diesem virtuellen Kraftwerkskonzept ein?
Danco: E.ON bringt als Systemmanager interessierte Unternehmen in einem Pool zusammen. Das Besondere ist: Der Kunde gibt vorher an, in welchem Zeitraum er welche Kapazitäten zur Verfügung stellen kann. Die flexiblen Leistungen vermarkten wir für unsere Kunden an Handels- und Regelenergiemärkten, ohne dass der Anlagenbetreiber sich mit den Spielregeln des Regelleistungsmarkts oder des Bilanzkreismanagements befassen muss. Ferner übernimmt E.ON für die Kunden die Ausfall- und Prognoserisiken, den Aufwand für die leittechnische Anbindung sowie die Abwicklung.
Makeln Sie bei E.ON nur die anfallenden Energieströme oder bieten Sie auch weitere Dienstleistungen zur Direktvermarktung an?
Danco: E.ON unterstützt bereits heute die Betreiber von Wind-, Wasserkraft und Biomasseanlagen bei der EEG Direktvermarktung. Seit 2012 stehen Stromproduzenten mit EEG-geförderten Anlagen vor der Wahl: Einspeisevergütung oder Direktvermarktung nach dem so genannten Marktprämienmodell. Die EEG-Direktvermarktung durch E.ON hat für die Anlagenbetreiber Vorteile. So profitieren die Betreiber von einem garantierten Mehrertrag über die herkömmliche EEG-Vergütung hinaus. Zudem entsteht kein zusätzlicher Aufwand, beispielsweise für Einspeiseprognosen, den Marktzugang, das Bilanzkreismanagement oder die Rechnungsstellung. Auch Risiken aus Prognosefehlern und Abweichungen vom Einspeiseprofil übernimmt E.ON für die Anlagenbetreiber. E.ON hat für die EEG-Direktvermarktung die notwendige Expertise, die Präsenz am Markt sowie und leistungsfähige IT-Systeme.