Klimaziele der Bundesregierung in Gefahr
Die Annahmen für den Netzentwicklungsplan Strom 2015 gehen von zu vielen fossilen Kraftwerken aus. Sie berücksichtigen lediglich die heutigen politischen Rahmenbedingungen, nicht jedoch einen ambitionierten Zubau an erneuerbaren Energien. Die Szenarien, auf dem der Netzausbau basieren soll, verfehlen dadurch deutlich die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung, wie sie im Energiekonzept festgelegt worden sind. Zu diesem Ergebnis kommt das Öko-Institut in einer aktuellen Analyse des Szenariorahmens des Netzentwicklungsplans, der bis heute zur Kommentierung offen war.
02.07.2014
„Nach unseren Abschätzungen verursacht der Kraftwerkspark, auf dem der Netzentwicklungsplan 2015 zugrunde gelegt werden soll, im Jahr 2025 je nach Szenario zwischen 280 und 320 Millionen Tonnen CO2“, erklärt David Ritter, Wissenschaftler und Energieexperte am Öko-Institut. „Das sind knapp doppelt so viele Emissionen wie die Leitstudie des Bundesumweltministeriums für das Jahr 2025 vorsieht: nämlich rund 150 Millionen Tonnen CO2. So können die Ziele der Bundesregierung zur Begrenzung der klimaschädlichen CO2-Emissionen nicht erreicht werden.“
Auch die langfristige Prognose für das Jahr 2035 weicht stark ab: Mit den Kraftwerken, die im Netzentwicklungsplan für die Zukunft fortgeschrieben werden, entstehen nach den Berechnungen des Öko-Instituts 190 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland. Die Leitstudie des Bundesumweltministeriums geht von lediglich rund 70 Millionen Tonnen CO2 aus, die alle deutschen Kraftwerke zusammen 2035 noch verursachen dürfen.
Zukunftsfähige Netze sicherstellen
Da keines der vom Netzentwicklungsplan vorgeschlagenen Szenarien die Klimaziele der Bunderegierung erreicht, schlägt das Öko-Institut verschiedene Maßnahmen zur Ergänzung vor. Dabei sollte die Langfristplanung des zukünftigen Stromnetzes in erster Linie die langfristigen Klimaziele der Bundesregierung berücksichtigen.
So sollten flexible Lasten und Speichertechnologien dazu beitragen, die erneuerbaren Energien besser ins Stromnetz zu integrieren. Insbesondere das Lastmanagement in der Industrie, also das Verschieben von Stromnachfrage entsprechend der aktuellen Erzeugungssituation, oder auch der Betrieb von flexiblen Biogas- oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen könnten hier eine Rolle spielen.
Zudem ist es notwendig, einem deutlich beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien auch in den Szenarien des Netzentwicklungsplans Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt sollten wirksame Kapazitätsmechanismen angenommen werden, die den Neubau und Betrieb von effizienten Kraftwerken sicherstellen und zugleich Emissionen reduzieren.
Hintergrund: Berechnung der Emissionsminderungen bis 2025/2035
Im Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2015 stellen die Übertragungsnetzbetreiber der Öffentlichkeit Informationen und Daten zur Verfügung, die dann im Netzentwicklungsplan als Eingangsparameter für die Berechnung des zukünftigen Stromnetzes genutzt werden. In drei Szenarien werden Annahmen vorgeschlagen, zu denen insbesondere die Entwicklung des deutschen Kraftwerksparks zählt. Das Öko-Institut hat auf der Basis der angenommenen Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Kohle, Gas und weiteren Energieträgern die Emissionen berechnet, zu denen die Annahmen in den Szenarien führen würden.
„Schließlich haben wir diese Werte mit den Vorgaben der Bundesregierung zur Senkung der CO2-Emissionen, die im Energiekonzept festgeschrieben sind, verglichen“, fasst Ritter zusammen. „Dort werden Minderungsziele für die gesamten Treibhausgasemissionen aller Sektoren definiert.“
Müssten alle Sektoren gleich viel zur CO2-Minderung beitragen, müsste der Stromsektor seine CO2-Emissionen auf 48 Prozent bis 2025 und 63 Prozent bis 2035 reduzieren. Da so die klimapolitischen Ziele voraussichtlich nicht erreicht werden können, müssen im Stromsektor weiterführende, ambitioniertere Minderungsziele angestrebt werden. Dies zeigt beispielsweise die Leitstudie des Bundesumweltministeriums. Sie nimmt eine 58-prozentige Reduktion bis 2025 sowie eine 80-prozentige Minderung für das Jahr 2035 an. Diese Vorgaben der Bundesregierung sowie der Leitstudie zu maximal auszustoßenden CO2-Emissionen wird von den Annahmen des Netzentwicklungsplans nicht erreicht, wie auch die Grafik des Öko-Instituts zeigt.