Deutschland fällt weit zurück beim Klimaschutz
Nach drei Jahren stagnierender Emissionen steigt der CO2-Ausstoß weltweit wieder an. Das Problem: Zwar setzen mehr Länder auf Erneuerbare Energien, aber der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas kommt nur langsam voran. Die Staaten beginnen sehr zögerlich mit der Umsetzung ihrer Klimaziele.
13.12.2018
„Unser Klimaschutz-Index zeigt: Es mangelt nicht an Bekenntnissen zum Pariser Klimaabkommen, sondern es mangelt bisher an politischem Willen für konkrete Schritte zur Umsetzung. Dafür gibt es keine Ausreden mehr, denn alle Lösungen liegen auf dem Tisch und sind auch bezahlbar“, sagt Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Klimaschutz-Index, der jetzt beim Weltklimagipfel in Katowice vorgestellt wurde. Der Index wird von den Organisationen Germanwatch und NewClimate Institute erstellt.
Eine Folge dieser Entwicklung: Die Noten für die Klimapolitik der 56 analysierten Staaten plus EU sind im Schnitt deutlich schlechter als in den Vorjahren. Vergeben werden diese Noten von Klimapolitik-Expertinnen und -Experten in den jeweiligen Ländern. Ungebrochen ist hingegen die Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Insbesondere Länder mit bisher geringer Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen holen nun auf. „Erneuerbare sind im Vergleich zu neuen fossilen Kraftwerken in vielen Regionen der Welt wirtschaftlicher, zudem hat auch das Pariser Abkommen den Schub für regenerative Energiequellen verstärkt. Die Kosten sind seitdem um grob ein Drittel weiter gesunken. Allerdings müsste der Ausbau noch deutlich beschleunigt werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen“, erklärt Prof. Niklas Höhne vom NewClimate Institute, einer der Autoren des Index.
Zweitschlechteste Platzierung für Deutschland in Geschichte des Index
Deutschland ist im neuen Index mehrere Plätze abgestiegen und verzeichnet mit Rang 27 (Kategorie „mäßig“, Vorjahr: 22) seine bisher zweitschlechteste Platzierung in der 14-jährigen Geschichte des Klimaschutz-Index. Hauptgründe sind das seit 2009 ungefähr gleichbleibend hohe Emissionsniveau, das Abflauen beim zuvor starken Ausbau der Erneuerbaren Energien und nur mäßige Noten für die nationale Klimapolitik. Zu den größten Problemen gehört: „Die Bundesregierung steht bei der dringend notwendigen Verkehrswende auf der Bremse und ist auch bei der drängenden Frage zum Kohleausstieg mit leeren Händen nach Katowice gefahren“, bemängelt Burck. „Nun wird sich beim angekündigten Klimaschutzgesetz zeigen, ob Deutschland weiter enttäuscht oder international wieder positive Impulse setzen und so vielleicht im nächsten Index aufrücken kann.“
Konkret stehe Deutschland vor drei großen Herausforderungen, so die Autoren des Index: Erstens müssen die systemischen Fragen der Energiewende gelöst werden. Fluktuierende Erneuerbare Energien definieren nun das Design des Stromsystems. Der Um- und Ausbau von Netzen, Nachfragemanagement sowie Speicher müssen deshalb eine zentrale Rolle spielen. Zweitens muss der Kohleausstieg im Rahmen eines fairen Strukturwandels bis zirka 2030 vollzogen werden, gemeinsam mit einem entsprechend fortgeführten Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und drittens muss die Wende im Verkehrssektor in Richtung CO2-Reduktion vorangetrieben werden. Jan Burck: „Deutschland braucht einen Mix von Instrumenten – aber ohne einen Preis für den CO2-Ausstoß in allen Sektoren wird eine rechtzeitige und kosteneffiziente Transformation nicht gelingen.“
KSI 2019: Hauptergebnisse
Die ersten drei Plätze bleiben erneut frei, da kein Land bislang genug unternimmt um den Temperaturanstieg global deutlich unter zwei Grad zu halten. Am nächsten kommen diesem Anspruch Schweden (Platz vier) und Marokko (Platz fünf). Schweden profitiert vom guten Abschneiden bei den Erneuerbaren Energien und beim CO2-Emissionsniveau. Marokko punktet insbesondere mit dem rapiden Ausbau der Erneuerbaren und liegt derzeit auf Kurs zu dem ambitionierten Ziel, in zwei Jahren 42 Prozent seines Strombedarfs erneuerbar zu decken.
In der Kategorie „gut“ liegen auch noch Indien (Platz elf) und die EU gesamt (Platz 16). Indien überzeugt mit einem dynamischen Ausbau der Erneuerbaren, relativ geringen Pro-Kopf-Emissionen und recht guten Klimazielen – negativ sind Planungen für neue Kohlekraftwerke. Die EU bekommt zwar nur mäßige Werte bei Emissionen und Energieeffizienz, aber gute Noten für die Klimapolitik. Hier fallen vor allem die Maßnahmen zum Erreichen des 2030-Klimaziels ins Gewicht sowie die Vorstöße der Kommission, dieses noch sehr schwache Ziel anzuheben und das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 auf die Agenda zu setzen. „Angesichts der klimapolitischen Rückwärtsbewegung der USA muss die EU in eine Führungsrolle hineinwachsen. Die Grundlage ist von der EU-Kommission gelegt worden, nun dürfen sich die Mitgliedsländer – allen voran Deutschland – nicht querstellen“, sagt Dr. Stephan Singer vom Climate Action Network (CAN).
China (Platz 33) schafft es erstmals in die Kategorie „mäßig“, vor allem wegen des Stopps der Emissionssteigerung 2014 bis 2016. Seither steigen die Emissionen jedoch wieder, so dass ein erneutes Abrutschen droht. Im Keller des Index befinden sich hingegen acht der G20-Staaten, darunter auf den letzten beiden Plätzen die USA (Platz 59) und Saudi-Arabien (Platz 60). Die USA haben ihren freien Fall damit fortgesetzt. Sie schneiden schlecht bis sehr schlecht bei Emissionen, Erneuerbaren und Energieeffizienz ab, zudem kaum überraschend bei der Bewertung der Klimapolitik der Trump-Administration. Allerdings gibt es positive Dynamik in vielen Bundesstaaten, Städten und aus der Demokratischen Partei, die über ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus künftig einige negative Entwicklungen verhindern könnte.