Dürrerisiken neu bewerten
Dürren bedrohen weltweit Millionen von Menschen. Wissenschaftliche Instrumente, die das Ausmaß dieser Dürrerisiken erfassen, werden immer wichtiger. Für Namibia und Angola haben ISOE-Forscher nun ein Instrument entwickelt, das neben konventionellen Umweltparametern auch die sozialen Aspekte von Dürren erfasst. Die daraus resultierenden Vorschläge für integrierte Maßnahmen wurden im aktuellen ISOE-Policy Brief zusammengefasst.
23.06.2019
Nur mit einer umfassenden Strategie lassen sich die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung, wie sie in den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen beschrieben sind, erreichen. Zu einer umfassenden Strategie zählt auch, geeignete Maßnahmen im Umgang mit Dürren zu entwickeln. Hierfür ist es wichtig, neben ökologischen auch die sozialen Folgen von Dürren zu kennen. Denn erst durch diese ganzheitliche Betrachtungsweise wird das tatsächliche Ausmaß von Dürrerisiken – und damit die Anfälligkeit von Mensch und Natur gegenüber Umweltereignissen – deutlich. Zur Bekämpfung von Hunger, Wasserknappheit und Flucht als Folgen von Dürren sind mittel- und langfristige Strategien notwendig. Diese vereinen ganz unterschiedliche technische wie auch institutionelle Anpassungsmaßnahmen. Und da Umweltereignisse nicht an Ländergrenzen haltmachen, wie das Beispiel des Cuvelai-Einzugsgebiets in der Grenzregion zwischen Namibia und Angola zeigt, muss diese Risikobewertung auch länderübergreifend ausgerichtet sein.
Der ISOE Policy Brief No. 6 „Integrated responses to drought risk in Namibia and Angola“ beschreibt die Anforderungen für eine solche integrierte, transnationale Risikobewertung für Dürren. Die Autoren Stefan Liehr und Robert Lütkemeier lassen darin ihre Expertise aus dem internationalen Forschungsprojekt SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) einfließen, in dem sie wasserbezogene Verwundbarkeiten und Risiken für Bevölkerung und Ökosysteme im Cuvelai-Einzugsgebiet untersucht haben. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung lebt dort von Ackerbau und Viehwirtschaft, ist also von Dürren und ihren Folgen unmittelbar betroffen. Die unter anderem mithilfe von Haushaltsbefragungen erhobenen Daten wurden in einem modellbasierten Ansatz räumlich differenziert analysiert, um Gebiete mit besonders hoher Vulnerabilität und zugleich häufig auftretenden Dürren zu identifizieren.
Multi-Ressourcen-Mix: Potenzial für nachhaltige Wassernutzung
Die daraus abgeleiteten Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen konzentrieren sich vor allem auf eine nachhaltige Nutzung der verfügbaren Wasserressourcen. Es geht darum, dass zentrale Wasserversorgungsnetze mit dezentralen Wasserressourcen auf effiziente Weise zusammengeführt werden. Diesen sogenannten „Multi-Ressourcen-Mix“ erforschte und erprobte das ISOE bereits im Projekt CuveWaters. Leitungswasser ist im Norden Namibias für einen Großteil der Bevölkerung eine zentrale Säule der Versorgungssicherheit. Doch ebenfalls unabdingbar ist das während der Regenzeit verfügbare Wasser, um den häuslichen und landwirtschaftlichen Wasserbedarf zu decken. Wichtig ist daher, dieses Wasser auch in der Trockenzeit verfügbar zu machen, beispielsweise durch Regen- und Flutwassersammlung oder kontaminationsgeschützte Brunnen. Eine solche effizientere Wassernutzung könnte dann auch einen Beitrag zur landwirtschaftlichen Entwicklung leisten. Indem die kleinbäuerlichen Betriebe ausreichend Wasser für Ackerbau und Viehwirtschaft zur Verfügung haben, könnten Engpässe in der Nahrungsmittelverfügbarkeit vermindert werden.
Unerlässlich für die Wasser- und Ernährungssicherheit sind neben diesen technologischen Maßnahmen auch soziale Innovationen. Ganz entschieden gilt es hier, vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner im ländlichen Raum im Hinblick auf ihren gemeinschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität untereinander in den Dörfern zu fördern, denn die nachbarschaftliche und familiäre Unterstützung ist eine wichtige Strategie im Umgang mit Notlagen, wie Dürrezeiten sie darstellen.
Betroffenen Staaten empfehlen die Autoren des ISOE-Policy Briefs, grundsätzlich die wichtigsten Parameter für das Dürrerisiko kontinuierlich zu überwachen. Neben der Beobachtung von Naturgefahren (zum Beispiel hydrometeorologische Messungen) sollte auch die gesellschaftliche Dimension der Vulnerabilität in ein solches Monitoring aufgenommen werden.
Den vollständigen Bericht können Sie hier herunterladen.