„Friday4Future funktioniert nicht, wenn eine Seite die andere von vornherein ablehnt"
Nachdem seit Anfang des Jahres bundesweit Tausende Schülerinnen und Schüler auf den „Fridays for Future“-Demonstrationen für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür freitags die Schule schwänzen, hat die Protestbewegung nun einen konkrete Forderungskatalog an die Politik vorgestellt. Die Demonstrationen und Schulstreiks finden weiterhin statt. Doch wie geht es auf Dauer weiter, fragen sich viele Bürger, Eltern, Lehrkräfte. Und vor allem: Wie kann den Protestlern der Schritt von der „Straßen-Botschaft“ in eine erfolgreiche Debatte mit Politik und Öffentlichkeit gelingen?
17.05.2019
„Die Demonstrationen müssen auf jeden Fall weitergehen, damit das Thema relevant bleibt, aber das allein reicht nicht“, sagt Jessica Bonn (18) aus Hamburg, die Anfang April als Landessiegerin des Wettbewerbes Jugend debattiert ausgezeichnet wurde, der jedes Jahr von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung initiiert wird. Um zu überzeugen, bedarf es nach Ansicht der Gymnasiastin einer wichtigen Grundvoraussetzung: „In einer Debatte geht es auch immer um die eigene Haltung zu einem Thema. Jeder, der Klimaschutz-Forderungen stellt, sollte sich also seiner persönlichen Verantwortung bewusst sein und erst einmal konsequent sein eigenes Verhalten überdenken. Ich selbst ernähre mich zum Beispiel inzwischen vegetarisch und achte mehr auf meinen Konsum. Sich selbst gegenüber konsequent zu sein, hilft dann, anderen gegenüber überzeugend aufzutreten.“
Gemeinsam das große Ziel verfolgen - und zuhören
Eine Gefahr für den Dialog zwischen Demonstranten, Bürgern und Politikern sieht die Schülerin in der zunehmenden „Selbstgerechtigkeit“ mancher Aktivisten. „Wenn man anderen immer deutlich macht ‚Wir finden euch alle blöd, weil ihr und die älteren Generationen unsere Umwelt kaputt gemacht haben’, dann ist das nicht förderlich“, so Jessica Bonn, „es ist ja nicht so, dass unser Lebensstil nicht auch dazu beitragen würde. Außerdem funktioniert eine Debatte nicht, wenn die eine Seite die andere von vornherein ablehnt. Die Teilnehmenden müssen unvoreingenommen in den Austausch gehen und offen sein, sich die Meinung und Bedenken der anderen Seite anzuhören. Das heißt ja nicht, dass man diese dann nicht argumentativ entkräften könnte.“ Für die Zukunft wünscht sich Hamburgs beste Jung-Debattantin einen konstruktiveren Austausch zwischen Politik und Protestlern: „Die Einstellung ‚Guckt mal, wir müssen etwas ändern, lasst es uns gemeinsam machen’ wäre zielführender. Veränderung findet eher durch positive Motivation statt als durch Konfrontation.“
„Auf mein Geld als ‘gekaufte‘ Demonstrantin warte ich noch heute“
Auch von Politikern würde Jessica Bonn „mehr Professionalität“ erwarten, wenn es um die Debatte geht. „Häufig werden Demonstranten als ‘instrumentalisiert‘ oder ‘gekauft‘ dargestellt. Das ist sehr schade, denn es deckt sich einfach nicht mit der Realität. Ich bin wie viele andere Jugendliche über Freunde und Infos aus dem Internet zu den Demos gekommen. Auf das Geld, das ich angeblich dafür bekommen soll, warte ich noch heute.“
Auch Politiker, die das Engagement der Jugendlichen loben und sie am Ende aber nicht unterstützen, verhielten sich wenig konstruktiv: „Wenn diese Politiker es so toll finden, dass wir für den Klimaschutz auf die Straße gehen, dann möchte ich konkrete Maßnahmen sehen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen, aber die junge Generation zu loben und als Politiker nichts für sie zu tun, finde ich herablassend“, so die Schülerin.
Wie es nach den Klimaschutz-Forderungen für die Protestler weitergehen wird, bleibt laut Jessica Bonn abzuwarten. „Bei Jugend debattiert gewinnt der- oder diejenige mit den besten Argumenten, das ist in der echten Welt leider nicht immer so. Da bestimmt die Person, die das Sagen hat. Durch Jugend debattiert habe ich gelernt zuzuhören, abzuwägen und meine Überzeugungen in angemessenem Ton vorzutragen. Dabei geht es auch immer um die Werte der Demokratie und ihre Bedeutung für uns alle. Deswegen werden die Demos für den Klimaschutz weitergehen, damit man uns zuhört und den Druck der Gesellschaft spürt. Nur so wird die Politik irgendwann etwas verändern.“