Deutschland hat genug Trinkwasser für alle – noch!
Aus Deutschland kamen im Sommer die Nachrichten, die lange Zeit nur aus südlichen Gefilden bekannt waren. Nahezu in der gesamten Nordhälfte waren laut „Dürremonitor“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung die Böden in einer Tiefe von bis zu 1,80 Meter extrem ausgetrocknet.
04.02.2020
Der „Water Risk Atlas“ stellt wiederum fest, dass in einem Streifen von Niedersachsen über Hessen bis Baden-Württemberg und Nordbayern binnen eines Jahres zwischen 40 bis 80 Prozent der vorhandenen Süßwasserressourcen entnommen wurden. Eigentlich liegt dieser Wert hierzulande bei etwas über zehn Prozent.
In vielen Regionen war es den Bürgern auch diesen Sommer wieder verboten, die Gärten zu wässern sowie Swimming Pools aufzufüllen.
Droht in Deutschland also Wasserknappheit? Ist gar die Trinkwasserversorgung in Gefahr?
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sagt ganz klar: Nein! „Zurzeit kann von einem Engpass bei der öffentlichen Trinkwasserversorgung in Deutschland keine Rede sein.“ Die öffentliche Wasserversorgung beansprucht nämlich nur 2,7 Prozent der verfügbaren Wasserressourcen, weiß das Umweltbundesamt. Zudem haben Privatverbraucher und Industrie ihren Wasserverbrauch in den vergangenen 25 Jahren deutlich reduziert.
Selbst bei vollen Speichern kann Wasser knapp werden
„Wenn es in einigen Orten Einschränkungen zum Beispiel bei der Gartenbewässerung gibt, so ist das in der Regel auf technische oder hydraulische Gegebenheiten zurückzuführen“, stellt BDEW-Hauptgeschäftsführer Martin Weyand klar. Wenn viele Verbraucher gleichzeitig den Wasserhahn aufdrehen, erklärt Fred Carl vom Trinkwasserverband Stader Land der Zeitschrift „Kommunal“, sinkt die Fließgeschwindigkeit in den Versorgungsleitungen. Obwohl die Wasserspeicher eigentlich noch gut gefüllt sind, tröpfelt es dann nur noch aus dem Hahn.
Trotzdem warnt das Umweltbundesamt: „Weitere aufeinander folgende trockene Sommer mit zusätzlich wenig Niederschlag im Winter hätten in jedem Fall negative Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit.“ Zumal mit der Landwirtschaft ein großer Verbraucher hinzukommen würde. Aktuell werden nämlich nur 2,7 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen bewässert. Dafür werden gerade mal 0,2 Prozent der öffentlich bereitgestellten Trinkwassermenge genutzt.
Ausgeklügeltes System gerät durcheinander
Stiege der Wasserbedarf dauerhaft an, geriete ein ausgeklügeltes System durcheinander. In Deutschland sind die Kommunen dafür zuständig, dass immer ausreichend Trinkwasser durch die Leitungen fließt – Fachleute sprechen vom „Wasserdargebot“. Städte, Gemeinden und Kreise übertragen die Wasserversorgung üblicherweise an Eigenbetriebe, Zweckverbände, Privatunternehmen oder andere Organisationen.
14.418 Wasserversorgungsunternehmen zählte das Statistische Bundesamt 2016 in der Bundesrepublik. Sie müssen sich die Wasserentnahmen auf Basis des Wasserhaushaltsgesetzes und der Landeswassergesetze durch die Aufsichtsbehörden – meist die Bezirksregierungen – genehmigen lassen.
Damit es nicht zu Wasserkrisen kommt, in denen die Kommunen beispielsweise die Gartenbewässerung verbieten müssen, erstellen die Wasserversorger langfristige Versorgungskonzepte. Dabei gilt der Grundsatz, dass nur soviel Wasser entnommen werden darf, wie innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder neu gebildet wird, erläutert Kirsten Arp, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW). Vorrang habe immer die Versorgung der Privathaushalte.
Was passiert, wenn diese Konzepte ins Wanken geraten, erlebten dieses Jahr Landwirte im niedersächsischen Peine. Der dortige „Beregnungsverband“ hat allen Bauern ein individuelles, auf 15 Jahre angelegtes Kontingent an Grundwasser zugebilligt, das sie für die Bewässerung ihrer Felder nutzen dürfen. Nun haben die ersten Betriebe die ihnen zustehenden Mengen bereits verbraucht und müssen ihre Pflanzen vertrocknen lassen, berichtet das ARD-Magazin „Report München“.
Trinkwasser ist das höchste Gut
„Ohne Sicherstellung, dass Trinkwasser als höchstes Gut geschützt ist, können wir nicht zulassen, dass weitere Grundwassermengen, zum Beispiel für das Thema Beregnung, entnommen werden“, wirbt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies gegenüber der ARD um Verständnis für die Maßnahmen in Peine. Karsten Specht, Vizepräsident des Verbands der kommunalen Unternehmen (VKU), regte in einem Medienbericht an, dass sich Landwirte zukünftig verstärkt auf Brauchwasseraufbereitung konzentrieren sollten. Selbst in grundsätzlich wasserreichen Regionen kommt es mittlerweile zu nicht für möglich gehaltenen Auseinandersetzungen. Weitgehend konfliktfrei gestaltete sich beispielsweise über mehr als ein Jahrhundert hinweg das Verhältnis Münchens zum benachbarten Mangfalltal. Seit 1880 bezieht die bayerische Metropole etwa 80 Prozent ihres Trinkwassers von dort. Nun möchte sich die Isarstadt in der Region nördlich von Miesbach eine zusätzliche, 900 Hektar große Schutzzone für ihr dortiges Wasserschutzgebiet sichern. Dagegen protestieren aber die ortsansässigen Bauern, die dann einige Felder nicht mehr nutzen könnten und mit den angebotenen Ausgleichsflächen nicht einverstanden sind.
„Das ist ein neuartiger Konflikt, den wir bisher in der Form noch gar nicht kannten“, bewertet Dr. Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung gegenüber der ARD derartige Auseinandersetzungen. Vieles spricht dafür, dass Deutschland eine gesellschaftliche Diskussion über die gerechte Verteilung des Wassers bevorsteht, wie sie das Umweltbundesamt anregt.