Dekarbonisierung ist zentrale Herausforderung für Agribusiness
Dem Agribusiness – in Deutschland mit 240 Milliarden Euro die zweitumsatzstärkste Branche des verarbeitenden Gewerbes – kommt eine zentrale Bedeutung bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu. „Ohne das Agribusiness wird die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft nicht gelingen“, mahnt Dr. Christian Janze, Partner bei EY, anlässlich der Vorstellung des „Konjunkturbarometers Agribusiness in Deutschland 2022“.
31.03.2022
Im globalen Vergleich verursacht der Energieverbrauch in der Industrie 24 Prozent der gesamten CO2-Emissionen. Dicht dahinter folgen schon die Land- und Forstwirtschaft mit einem Anteil von 19 Prozent. In Deutschland machten im Jahr 2018 Methanausstöße aus Gärungs- und Verdauungsprozessen von Wiederkäuern einen Anteil von 32 Prozent der Gesamtemissionen aus. Das Güllemanagement verursachte von 15 Prozent der Emissionen, dicht gefolgt von der Nutzung synthetischer Düngemittel mit einem Anteil von 13 Prozent. „Die Tierhaltung und das Düngemanagement haben einen erheblichen Einfluss auf die CO2-Emissionen in der Landwirtschaft“, stellt Dr. Louisa von Plettenberg vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen, fest.
Maßnahmenpaket zur Dekarbonisierung des Agribusiness gefordert
Hier sollten auch möglichst schnell geeignete Maßnahmen ansetzen, fordert Janze: „Wir brauchen gesetzliche Anreize, um den Düngemitteleinsatz zu optimieren und zu reduzieren. In der Tierhaltung sollten Instrumente zur Treibhausgasreduktion gefördert werden. Subventionen sollten auf langfristige Maßnahmen der Dekarbonisierung zielen, etwa die Bindung von Treibhausgasen durch die Renaturierung von Mooren oder die Umwandlung von Acker- in Grünland.“
Europa habe zwar schon begonnen, diesen Weg zu beschreiten – die Region sei weltweit die einzige, die eine leicht sinkende Tendenz von CO2-Emissionen verzeichnen könne. Diese Bemühungen reichten jedoch bei weitem nicht aus, so Janze. Es brauche global gültige Vereinbarungen und Richtlinien, um den CO2-Ausstoß weltweit wirksam zu minimieren. Ohne diese Maßnahmen würde die CO2-Emissionen in der Landwirtschaft vor allem außerhalb Europas bis 2050 deutlich steigen. Die Nettoemissionen von CO2 seien je nach Bewirtschaftungsverfahren sehr unterschiedlich, zudem könne die Landwirtschaft einen großen Beitrag bei der Bindung von CO2 leisten. Janze: „Die Zeit für den Einstieg in ein neues Entlohnungssystem – etwa für Bewirtschaftungsformen wie Carbon Farming – ist reif.“
„Das deutsche Agribusiness hat gute Chancen, diese Transformation als Innovationsführer maßgeblich zu gestalten: Die Kombination aus sehr gut ausgebildeten landwirtschaftlichen Unternehmern, Technologie- und Know-How-Führern im vor- und nachgelagerten Bereich und ein sehr gutes Forschungsnetzwerk bieten beste Voraussetzungen dafür“, ist Janze optimistisch. Hierfür brauche es allerdings durchdachte Konzepte, die gemeinsam mit dem Sektor entwickelt werden müssten. Anderenfalls drohe die Abwanderung von Unternehmen des Agribusiness – und damit von CO2-Quellen und Arbeitsplätzen – in weniger regulierte Märkte.
Agribusiness kommt gut durch die Krise
In dem von der Corona-Pandemie, dem Klimawandel und der Afrikanischen Schweinepest (ASP) geprägten Jahr 2021 zeigte sich das Agribusiness in Deutschland insgesamt robust. Die Branche erzielte im Jahr 2021 einen Umsatz von 244,8 Milliarden Euro – das waren 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Die einzelnen Teilbranchen des Agribusiness haben sich im Jahr 2021 allerdings sehr unterschiedlich entwickelt.
„Trotz Coronakrise, Flutkatastrophen und Afrikanischer Schweinpest hat sich das Agribusiness in Deutschland bemerkenswert gut geschlagen und konnte unter teils widrigen Marktbedingungen sogar ein leichtes Umsatzwachstum erzielen. Der Aufgabe, die Lebensmittel- und Versorgungssicherheit in Deutschland auch in der Krise sicherzustellen, zeigte sich das Agribusiness gewachsen“, stellt Janze fest.
Ernährungsindustrie mit Umsatzrückgang – aber Rekord bei Exporten
Die Ernährungsindustrie als größte Teilbranche des Agribusiness musste im Jahr 2021 einen leichten Umsatzrückgang um knapp einem Prozent auf 183,7 Milliarden Euro hinnehmen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf den gesunkenen Inlandsumsatz, der um rund vier Prozent gegenüber 2020 zurückgegangen ist. Anders der Export: Dieser legte um fünf Prozent zu und erreichte den neuen Höchstwert von rund 65 Milliarden Euro. Gleichzeitig stieg die Zahl der Beschäftigten um drei Prozent auf fast 634.000 – ebenfalls ein neuer Höchstwert. Die Konzentration der Branche nimmt dabei zu: Die Zahl der Betriebe sank von 6.074 auf 5.987 – die niedrigste Zahl seit dem Jahr 2017. Zur Ernährungsindustrie gehören unter anderem die Schlacht- und Fleischverarbeitung, die Molkereiwirtschaft, die Produktion von Futtermitteln sowie die Getränkeindustrie.
Fleischexporte brechen wegen Afrikanischer Schweinepest ein
Der Umsatz der Fleischwirtschaft in Deutschland ist 2021 erneut gesunken: von 44,5 auf 40,3 Milliarden Euro, das sind 9,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei sanken die Inlandsumsätze um 9,0 Prozent auf 30,9 Milliarden Euro. Die Exporte brachen 2021 – nach einem Rückgang von 7,5 Prozent im Vorjahr – weiter ein und sanken um 10,8 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche stieg entgegen diesem Trend um 20 Prozent auf 154.110. Hintergrund ist das Verbot von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft, das seit Januar 2021 gilt und das dazu führte, dass eine Vielzahl von Mitarbeitenden direkt von den Unternehmen angestellt wurde.
„Neben Absatzrückgängen aufgrund der Corona-Pandemie hat sich vor allem der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland dämpfend auf die Fleischwirtschaft ausgewirkt – der Export von Schweinefleisch ging aufgrund von Ausfuhrverboten infolge der ASP stark zurück“, sagt von Plettenberg. Die Fleischindustrie stehe zudem vor weiteren großen Herausforderungen: „Themen wie Umweltschutz, Tierwohl, Antibiotikaverbrauch und Gesundheit der Konsumenten stehen nicht nur national, sondern auch weltweit stärker im Fokus.“ In der Folge sei der Pro-Kopf-Konsum von Fleischprodukten im Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 2010 um etwa 8 Prozent zurückgegangen, so von Plettenberg. „Die Fleischindustrie tut gut daran, neue Wege zu gehen und sich etwa dem Thema alternative Proteine zu widmen, aber auch gemeinsam mit den Landwirten Bewirtschaftungsverfahren zu entwickeln, die eine deutliche Reduktion bei CO2-Emissionen ermöglichen“, rät Janze.
Rekordjahr für die Molkereiwirtschaft – positiver Ausblick auf 2022
Die Molkereiwirtschaft konnte ihren Jahresumsatz 2021 hingegen um 2,9 Prozent auf gut 30 Milliarden Euro steigern und markiert damit einen neuen Rekordwert. Dabei erreichen sowohl die Inlandsumsätze mit 20,2 Milliarden Euro (plus zwei Prozent) als auch die Exporterlöse mit gut zehn Milliarden Euro (plus 4,7 Prozent) neue Höchststände seit Beginn der Untersuchung im Jahr 2016. Entsprechend ist auch die Zahl der Beschäftigten gestiegen: 2021 beschäftigen die Molkereiunternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden hierzulande insgesamt 45.500 Personen, das sind gut 1.000 mehr als zum Vorjahreszeitpunkt. Auch die Anzahl der Betriebe in der Molkereiwirtschaft ist 2021 leicht auf 231 angestiegen.
„Die Auslandsnachfrage nach Milchprodukten ist anhaltend hoch, zudem kamen höhere Rohstoff- und Ab-Hof-Milchpreise der Milchwirtschaft entgegen. Gleichzeitig sank im vergangenen Jahr die weltweite Milchproduktion aufgrund schlechter Wetterbedingungen und hoher Futtermittelpreise, was die Exporte deutscher Produzenten von Molkereiprodukten beflügelte“, resümiert Janze. „Die Nachfrage aus Fernost, allen voran China, aber auch aus anderen internationalen Märkten, ist ungebrochen, so dass die Milchwirtschaft positiv gestimmt in das neue Jahr geht.“
Dynamische Entwicklung in der Landtechnik – Umsatz steigt um fast 14 Prozent
Ein noch besseres Jahr erlebte die Landtechnikindustrie: Der Umsatz dieser Teilbranche ist nach Schätzungen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau 2021 um 13,8 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro gestiegen. Infolge zunehmender Produktivitätssteigerungen ist die Zahl der Beschäftigten in der Landtechnikindustrie aber weiter leicht gesunken: Waren im Jahr 2020 noch 39.450 Personen in der Branche beschäftigt, sind es im Jahre 2021 nur noch 39.300. Die Zahl der Betriebe liegt in der recht stark konzentrierten Brache bei 185 und verharrt damit dem Niveau der Vorjahre.
Das starke Umsatzplus verdankt die Landtechnikindustrie unter anderem der dynamischen Entwicklung in der Eurozone, aber auch der steigenden Nachfrage auf den Weltmärkten. „Agrarbetriebe im In- und Ausland investieren vermehrt in umwelt- und klimaschonende Maschinen. Dieser Trend ist hierzulande unter anderem auf die seit Anfang 2021 laufende Förderprogramm „Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft (IuZ)“ zurückzuführen“, kommentiert von Plettenberg. Hauptziele der Förderung seien die Emissionsminderung, der Erhalt der Artenvielfalt und die Verbesserung der Ressourceneffizienz. „Dementsprechend wurde vor allem in Düngeausbringungs- und Pflanzenschutztechnik investiert.“
Über die Studie:
Das „Konjunkturbarometer Agribusiness in Deutschland 2022“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen basiert auf Daten des Statistischen Bundesamtes, des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. sowie eigenen Berechnungen. Die Umsatz- und Beschäftigtenzahlen für das Gesamtjahr 2021 wurden auf Basis der vorliegenden Daten zu den ersten drei Quartalen geschätzt. Mit Ausnahme der Ifo-Geschäftsklimawerte beziehen sich alle Daten auf die Grundgesamtheit von Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten.