Koblenz setzt auf vernetzte Daten zur Verringerung der Verkehrsbelastung
Auf der Suche nach Möglichkeiten, die Luftqualität in der City zu verbessern, setzen die Stadt Koblenz und die Energieversorgung Mittelrhein (evm) auf Digitalisierung.
07.03.2023
Dicke Luft in deutschen Innenstädten. Einer der Hauptverursacher dafür ist nach wie vor der Autoverkehr. Auch in Koblenz am Rhein. Rund ein Viertel des Verkehrs in deren City wird dabei von Parkplatzsuchenden verursacht. Eine Anfrage der evm vor drei Jahren kam der Stadtverwaltung gerade recht: Der Energieversorger schlug vor, bei einem Pilotprojekt des Stadtwerke-Netzwerkes Thüga, zu dem die evm gehört, den Einsatz digitaler Technik vor Ort zu testen – um herauszufinden, wie durch digitale Anwendungen die Umweltqualität zu verbessern ist. Der Test war erfolgreich.
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Stadt und des Energieversorgers wurde gegründet und ein Projektdesign entwickelt. Man fasste neben einer intelligenten Parkraumsteuerung weitere smarte Anwendungsmöglichkeiten, wie die Routenoptimierung städtischer Fahrzeuge ins Auge – ebenfalls mit dem Ziel, durch weniger Verkehr die Luftbelastung zu reduzieren.
„Weniger Verkehr, weniger Abgase sowie Lärm und mithin mehr Umwelt- und Lebensqualität“, umreißt Christian Schröder, Bereichsleiter Marktmanagement und Innovation, das Smart-City-Projekt. Es wird von der Thüga-Gruppe und vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr finanziert und soll zeigen, wie sich Klimaschutz mit innovativen und digitalen Lösungen in Städten umsetzen lässt.
„Geburt“ einer Klimastraße
So wurde die Löhrstraße in der Koblenzer Innenstadt als geeignet identifiziert. Die Macher des Projekts gaben ihr den Namen „Klimastraße“, der fortan zum Markennamen wurde: eine Einbahnstraße mit Geschäften, Restaurants, einem Kino, aber auch vielen Wohnungen zu beiden Seiten. Für Koblenzer und Auswärtige eine attraktive Meile, die zum Einkaufen, Kneipen- oder Kinobesuch oder auch nur zum Bummeln einlädt.
Parkplätze waren (und sind hier immer noch) Mangelware. Autofahrer kurvten mehrfach um den Block, um geeignete Abstellmöglichkeit für ihre Fahrzeuge zu finden. Weniger Rücksichtsvolle stoppten sogar auf der Straße, um mal eben beim Bäcker hineinzuspringen, was auf der engen Straße nicht selten zu Staus führte. Das nervte nicht nur Autofahrer und Anwohner. Abgase und Lärm wurden zur Belastung für Umwelt und Menschen.
Sensoren geben Auskunft in Echtzeit
Im Sommer 2020 wurden Parkplätze in einem Teilstück der Löhrstraße mit intelligenten Bodensensoren ausgestattet. „Die geben in Echtzeit Auskunft über besetzte und freie Parkplätze. Im zweiten Teilabschnitt sind Overhead-Sensoren an Straßenlaternen angebracht worden und können bis zu 100 Parkplätze ebenfalls in Echtzeit in der näheren Umgebung erfassen“, berichtet Nico Pinger, Abteilungsleiter bei der Koblenzer Wirtschaftsförderung und Projektleiter auf städtischer Seite. Per anonymisierter Bildanalyse erkennen die Sensoren die Belegung einzelner Parkplätze. Digitale Anzeigetafeln an den Kreuzungen zeigen Autofahrern auf Basis dieser gesammelten Informationen, wie viele Parkplätze noch frei sind. „Der Datenschutz ist hierbei vollständig gewährleistet, denn die Sensoren zeichnen weder Videos noch Fotos auf, sondern geben nur Informationen nach dem Muster ,belegt‘ und ,nicht belegt‘ weiter“, ergänzt Christian Schröder.
Neben dem Smart Parking werden innerhalb des Projektes noch weitere intelligente Anwendungen zur Luftreinhaltung ausprobiert. Verschiedene Papiercontainer im Stadtgebiet sind mit Füllstandssensoren ausgestattet worden, die anzeigen, wann ein Behälter voll ist. „Die Idee dahinter ist, dass die Stadtreinigung die Behälter nur dann anfährt, wenn diese wirklich voll sind und geleert werden müssen“, erklärt Pinger.
Messen und melden
Ähnlich ist es mit den öffentlichen Blumenkästen in der Klimastraße: Mit Sensoren ausgestattet, messen sie die Bodenfeuchte und melden, wenn die Erde trocken ist. So können die Fahrten der Gärtner zur Bewässerung optimal angepasst werden.
Die Basis für den Einsatz dieser Smart-City-Techniken hatten die Energienetze Mittelrhein zuvor geschaffen. Die Netzgesellschaft der evm installierte dazu ein „Long Range Wide Area Network“. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk, in dem Daten über hohe Reichweiten übertragen werden können und das sich über einen großen geografischen Bereich erstreckt.
„Alle gesammelten Daten von der Parkplatzbelegung bis zur Emissionsmessung werden uns nach Projektende im Februar 2023 helfen, den Projektverlauf und die Ergebnisse zu bewerten und Schlüsse zu ziehen“, sagt Bereichsleiter Schröder. Ein erwünschtes Ziel scheint sich allerdings schon abzuzeichnen: Die in der Klimastraße installierten Emissionssensoren registrierten zuletzt weniger Schadstoffe und damit eine verbesserte Luftqualität.
Alles ist möglich – aber ist es auch sinnvoll?
Fest steht: Ein Zurück wird es nicht geben. Christian Schröder sieht einen hohen Erkenntnisgewinn: „Wir haben im Laufe des Projekts sehr viele positive Erfahrungen machen und sammeln können, die wir auch als Anbieter von Smart City-Technologien andernorts einsetzen können.“ Aber auch die Erkenntnis, dass es mit dem Erfolg von Technologien immer auch Handlungsänderungen der beteiligten Menschen einhergehen müssen.
Deshalb müssten die Beteiligten möglichst frühzeitig in den Projektprozess eingebunden werden, ist Nico Pinger überzeugt. „Durch eine bürgerorientierte Digitalisierung wird es für die Mitarbeitenden in der Verwaltung einfacher, eine zukunftsfähige ressourcenschonende Stadtentwicklung zu forcieren“.
Die kommunalen Entscheider haben damit ein weiteres Instrument, um die Lebensqualität der Menschen im urbanen Raum zu verbessern.