DAX-Konzerne reduzieren CO2-Emissionen um 14 Prozent
Die deutschen DAX-Unternehmen haben ihre CO2-Emissionen bis 2023 um beachtliche 30 Millionen Tonnen reduziert. Trotz eines nur moderaten Rückgangs des Energieverbrauchs zeigt eine aktuelle EY-Analyse, dass der Wille zur Dekarbonisierung wächst. Doch um nachhaltige Erfolge zu sichern, braucht es umfassende Strategien und Innovationen in der Energieversorgung.
01.10.2024
Deutschlands führende Unternehmen haben ihre Klimabilanz im vergangenen Jahr deutlich verbessert: Die CO2-Emissionen der DAX-Konzerne sanken 2023 im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Millionen Tonnen, das entspricht einem Rückgang von 14 Prozent. Diese Zahl umfasst sowohl die Emissionen aus eigenen betrieblichen Prozessen (Scope 1) als auch den Verbrauch von extern zugekaufter Energie (Scope 2). Zum Vergleich: 30 Millionen Tonnen CO2 entsprechen dem jährlichen Ausstoß von 17,4 Millionen durchschnittlichen Neuwagen bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern.
Im letzten Geschäftsjahr reduzierte sich der Energieverbrauch der DAX-Unternehmen lediglich um vier Prozent, was einen deutlich geringeren Rückgang darstellt. Dennoch konnten 29 der 36 Unternehmen, die entsprechende Daten bereitstellen, ihren Energieverbrauch im Vergleich zum Vorjahr senken. Der Stromverbrauch fiel um 3,0 Prozent, während der Gasverbrauch um 4,7 Prozent zurückging. Diese Ergebnisse stammen aus einer EY-Analyse der Nachhaltigkeitsberichte der im DAX gelisteten deutschen Konzerne.
Der größte CO2-Emittent im vergangenen Jahr war der Baustoffkonzern Heidelberg Materials, nachdem im Vorjahr der Energiekonzern RWE die höchste Emission aufwies. Heidelberg Materials reduzierte seine Emissionen lediglich um 3 Prozent, während RWE eine beeindruckende Senkung von 27 Prozent erreichte. Lediglich drei DAX-Unternehmen – Infineon mit einem Rückgang von 44 Prozent und Allianz mit 35 Prozent – konnten noch stärkere Reduktionen ihrer Treibhausgasemissionen erzielen.
„Die deutsche Wirtschaft kommt insgesamt bei der Reduzierung der CO2-Emissionen gut voran. Gerade die Top-Konzerne haben natürlich eine Vorreiterrolle und eine große Verantwortung. Die Zahlen zeigen, dass sie dieser Verantwortung derzeit auch gerecht werden“, sagt Simon Fahrenholz, Partner bei EY und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung im Geschäftsbereich Strategy and Transactions. „Allerdings: Es wird bei der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen nicht in diesem Tempo weitergehen. Viele Unternehmen haben bislang eher vor allem auf Einzelmaßnahmen gesetzt – etwa auf die Umstellung auf grünen Strom, also Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Das lässt sich relativ leicht umsetzen und hat einen starken Effekt, der allerdings nur einmalig zum Tragen kommt.“ Einzelmaßnahmen würden jedoch nicht ausreichen, so Fahrenholz: „Um die Mammutaufgabe Dekarbonisierung zu bewältigen, braucht es Mut zum echten Umbau und eine ganzheitliche Integration der Dekarbonisierung in die Unternehmensstrategie.“
Christian Hell, Partner bei EY, ergänzt: „Ab dem kommenden Geschäftsjahr gelten für große Unternehmen neue und deutlich weitergehende Berichtspflichten – Stichwort CSRD-Richtlinie. Dann müssen die Unternehmen sehr transparent und detailliert über ihre Fortschritte berichten. Das wird beim Thema Dekarbonisierung für kräftigen Rückenwind sorgen, denn es wird sich kein Unternehmen mehr leisten können, das Thema als Kür abzutun.“
DAX-Konzerne stehen für neun Prozent der weltweiten Emissionen
Wenn man auch die sogenannten Scope-3-Emissionen berücksichtigt – das sind Emissionen, die nicht direkt dem Unternehmen zugeordnet werden können, sondern durch die Lieferkette, den Transport, die Produktnutzung oder die Entsorgung entstehen – ergibt sich für die DAX-Konzerne lediglich ein Rückgang von vier Prozent. „Die Möglichkeiten der Unternehmen, sich einen detaillierten Überblick über die indirekten Treibhausgasemissionen zu machen, die auf vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen entstehen, sind begrenzt. Für mehr Transparenz und um diese Emissionen zu reduzieren sind weitergehende und ganzheitliche Anstrengungen nötig – etwa Verhandlungen mit Lieferanten und Entsorgungsunternehmen aber auch Änderungen in der Produktentwicklung. Das braucht Zeit, Erfolge werden teils erst mit mehrjähriger Verzögerung sichtbar“, sagt Fahrenholz.
Insgesamt belaufen sich die Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen der DAX-Unternehmen auf rund 3,5 Milliarden Tonnen. Dies entspricht neun Prozent der globalen Emissionen, die im vergangenen Jahr 37,6 Milliarden Tonnen betrugen. „Die Bedeutung der DAX-Konzerne und insbesondere der großen Industrieunternehmen im Rahmen des weltweiten Kampfes gegen die menschengemachte Erderwärmung ist beträchtlich“, sagt Hell. „Sie tragen eine erhebliche Verantwortung. Aber wir können konstatieren, dass das Bewusstsein für diese Verantwortung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist.“
Der Energieverbrauch der DAX-Unternehmen ist insgesamt um vier Prozent gesunken. Von den 36 Unternehmen konnten 29 ihren Energieverbrauch senken, während sieben einen Anstieg meldeten. Größter Verbraucher war wie im Vorjahr Heidelberg Materials mit einer überdurchschnittlichen Reduktion von fünf Prozent. Sieben DAX-Unternehmen reduzierten ihren Energieverbrauch um mindestens zehn Prozent, wobei die Versicherungsunternehmen Münchner Rück und Allianz mit jeweils 20 Prozent die größten Reduktionen verzeichneten.
„Die Senkung des Energieverbrauchs ist einer der wichtigsten und nachhaltigsten Hebel, um eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen zu erreichen“, sagt Fahrenholz. „Wir sehen, dass die Unternehmen an vielen Stellen tätig werden. Die kontinuierliche Hebung von Energieeffizienzpotenzialen ist mittlerweile zum absoluten Standard geworden, zunehmend helfen aber insbesondere auch technologische Innovation und Digitalisierung, den Energieverbrauch zu senken.“
Insbesondere für die energieintensive Industrie ist es von großer Bedeutung, dass in Deutschland ausreichend grüne Energieträger wie grüner Wasserstoff und grüner Strom verfügbar sind, hebt Fahrenholz hervor. „Die Transformation hin zu einer CO2-armen Wirtschaft ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Für Industrieunternehmen am Standort Deutschland ist der Zugang zu grünen Energieträgern unerlässlich. Ohne eine solide Energieinfrastruktur, die den Bedarf an grünen Energien deckt, wird unser Ziel, Kohle und Gas zu ersetzen und die Klimaziele zu erreichen, unerreichbar bleiben.“
Trotz der guten Entwicklung im vergangenen Geschäftsjahr warnt Fahrenholz vor Selbstzufriedenheit. „Die weitere Reduzierung des CO2-Fußabdrucks wird kein Selbstläufer. Im Gegenteil: Viele Unternehmen stehen aktuell so stark unter Druck wie selten zuvor: Trübe Geschäftsaussichten, sinkende Margen, ein hoher Transformationsdruck sorgen für Dauerstress auf den Chefetagen. Da droht der nachhaltige Umbau des Geschäftsmodells zu einer Baustelle von vielen zu werden und zu wenig Beachtung zu bekommen. Dabei sind Nachhaltigkeit und Profit letztlich zwei Seiten einer Medaille.“
Hell ergänzt: „Investitionen beispielsweise in neue, stromsparende Maschinen oder in den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft können tiefgreifende Umstrukturierungen erfordern und sehr teuer sein – Geld, das an anderer Stelle womöglich fehlt. Denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Aber auch wenn das Thema Nachhaltigkeit in wirtschaftlichen Krisenzeiten an Bedeutung zu verlieren droht, sind die Unternehmen gut beraten, den bereits beschrittenen Weg mutig weiterzugehen – auch weil Regulatoren, der Kapitalmarkt und die Kunden das ohnehin von ihnen erwarten.“