Klimawandel

Ist der Emissionshandel gescheitert?

Der Emissionshandel gilt als eines der wichtigen Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel. Doch der Markt liegt danieder: Die aktuellen Zertifikate sind nur noch ein paar Cent wert. Ist der Emissionshandel also ein stumpfes Schwert, wie einige Medien und NGOs beklagen? Unsinn, meint Dr. Jörg Doppelfeld, Carbon-Experte der HVB, und erläutert im Gespräch mit UmweltDialog, was am Markt los ist.

24.04.2007

Die Klimadebatte ist derzeit zwar in aller Munde, aber der Emissionshandel ist praktisch kollabiert. Was ist los?
 
Dr. Jörg Doppelfeld: Der Preisverfall im Emissionshandel hat erst einmal nichts mit der Klimadebatte zu tun. Die aktuellen CO2-Preise beziehen sich auf die erste Handelsphase von 2005 bis 2007, und diese Periode ist heute praktisch abgeschlossen. Natürlich müssen wir in der Zukunft Emissionen reduzieren, aber im Moment braucht die Industrie nur dann reagieren, wenn sie weniger Emissionsrechte zugeteilt bekommen hat, als sie Emissionen produziert. Das Problem aber ist: Wir haben schlichtweg einen gigantischen Überschuss an Emissionszertifikaten für den Zeitraum 2005 bis 2007.
 
War das so abzusehen?
 
Dr. Jörg Doppelfeld:  Natürlich nicht. Der ganze Markt war bis Ende April letzten Jahres der Meinung, dass wir „short“ wären, also ein Mangel herrsche. Die Mehrheit der Marktteilnehmer hat  das geglaubt, sonst hätte der Preis der Emissionsrechte noch im April 2006 ja nicht bei ca. 30 Euro betragen. Doch jetzt besteht ein riesiger Überschuss: Jeder, der Zertifikate zu verkaufen hat, merkt, dass ihm seine Werte schmelzen wie Schnee in der Sonne. Alle stürmen also in den Markt, um die Emissionsrechte  am Ende des Jahres  nicht praktisch als wertlos ausbuchen zu müssen.
 
Vor einem Jahr warnten sie vor einer möglichen Volatilität angesichts des Abrechungsstichtages 30.04.2008. Ist das passé?
 
Dr. Jörg Doppelfeld:  Ja. Seit wenigen Tagen doppelt passé, denn da hat die EU-Kommission die Emissionsdaten für 2006 vorgelegt. Sie sind zwar noch unvollständig, aber trotzdem steht schon jetzt fest, dass das Jahr 2006 wieder sehr „long“ war, und auch die letzte Hoffnung, die man bisher noch gehegt hat, dass 2005 ein Ausreißer gewesen und ein gewisser Preis also noch zu erzielen sei, ist damit endgültig dahin. Zur Verknappung hätte der letzte Winter sehr hart sein müssen und auch sehr trocken und windstill, um durch Wind und Wasser wenig alternative Energie zu generieren.
 
Manche sagen jetzt, dass das Kyoto-System und der Emissionsrechtehandel ein stumpfes Schwert seien. Was entgegen Sie?
 
Dr. Jörg Doppelfeld:  Das ist Unsinn! Den Handel 2005 bis 2007 darf man nicht mit Kyoto in einen Topf werfen! Das war eine Testphase für das System, und wir alle haben daran geübt - ob, Unternehmen, Behörden oder Banken . Der Markt war dabei bewusst noch nicht so knapp gestellt, wie es in der zweiten Phase von 2008 bis 2012 notwendig sein wird, um die Kyotovorgaben zu erfüllen.

Diese Testphase war dadurch gekennzeichnet, dass sie in sich abgeschlossen war. Da konnte nichts rein oder nichts raus. Deshalb musste der Preis am Ende unendlich groß oder unendlich klein sein. Etwas anderes war logisch kaum möglich.
 
Der Preis ist fast bei Null. Kann da ein Markt überhaupt noch funktionieren?
 
Dr. Jörg Doppelfeld:  Die erste Phase ist so gesehen gelaufen. Der Wert liegt real nahe null. Was derzeit noch bezahlt wird, sind im besten Fall Handelskosten. Das ist ein Mindestpreis, um den Verkäufer überhaupt noch zum Handel zu motivieren. Wenn Sie die Emissionsrechte für ein oder zwei Cent anbieten würden, würde sich niemand mehr die Mühe machen, sich an den Schreibtisch zu setzen und den Handel abzuwickeln. Man würde diese dann einfach als wertlos ausbuchen.
 
Wie geht es jetzt weiter?

Dr. Jörg Doppelfeld:  Wir müssen über mindestens zwei Märkte reden! Bisher haben wir über den Markt bis 2007 einschließlich gesprochen. Das muss man unterscheiden von Markt 2008 bis 2012. Der wird ja auch schon jetzt gehandelt, und dort liegen die Preise in der Größenordnung von rund 16 Euro je Tonne CO2. Das Spiel wird dann ein ganz anderes sein: Alles, was Sie aus der kommenden Phase an Zertifikaten übrig behalten, können Sie nämlich in die weitere Zukunft  übernehmen. Natürlich weiß niemand derzeit, wie diese Phase ab 2013 aussehen wird, aber  wer auf steigende Preise setzt, kann seine Zertifikate auf die hohe Kante legen, der Fachbegriff hierfür ist Banking, und sie dann in der Zukunft einsetzen. Das ist dann so ähnlich wie beim Goldhandel: Wer der Meinung ist, dass 2015 der Goldpreis sehr hoch sein wird, und einen entsprechend langen Anlagehorizont hat, der kann jetzt kaufen und warten. Den Sondereffekt eines abgeschlossenen Systems wie in der Startphase wird es so nie wieder geben.
 
Und woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die Marktpreise nicht wieder einbrechen?
 
Dr. Jörg Doppelfeld:  Wir werden ein System haben, was vermutlich von Knappheit gekennzeichnet sein wird. Je nachdem, welchen Analysten Sie fragen, gehen wir von einem Unterbedarf von 1 bis 2 Mrd. Zertifikaten für die Phase 2008 bis 2012 aus. Variabel hierbei sind das Wirtschaftswachstum, Öl- und Gaspreis etc. Und hier stellt sich die Frage: Wo kommen die Zertifikate her? Werden sie innerhalb Europas eingespart, oder werden sie von außerhalb importiert? Da bietet es sich etwa an, Certified Emissions Reductions (CERs) von außerhalb des EU-Systems zu kaufen. Allerdings wird es dann eine Käuferkonkurrenz zwischen den Unernehmen und ihren Regierungen geben, und das sowohl europaweit als auch international mit Japan, Kanada und vielleicht auch Kalifornien. Eine gewisse Menge an CER wird auch abfließen, weil Privatverbraucher und Unternehmen damit ihre Emissionen klimaneutral stellen werden.

Wo sehen Sie künftige Risiken?

Dr. Jörg Doppelfeld: Sowohl das Liefervolumen von CERs ab 2008 als auch die Höhe der weltweiten Nachfrage danach ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, und insofern wissen wir nicht, wie viele CER aus dem außereuropäischen Raum importiert werden können, und wie viel wir innerhalb Europas einsparen müssen. Der Preis wird aber voraussichtlich von den Einsparkosten in Europa abhängen, ist also stark von den Einsparpotenzialen und den Brennstoffpreisen abhängig. Wenn etwa Gas preiswert und Kohle teuer sein wird, dann sparen wir eh Treibhausgase ein, weil die Kraftwerke anders ausgelastet werden. Wenn es allerdings umgekehrt ist, müssen wir den CO2-Preis entsprechend hoch ansetzen.
 
Das künftige System wird in jedem Fall nie wieder so laborhaft abgeschlossen sein und sich nur auf Europa beziehen wie bisher, sondern es wird stärker globalisiert sein. Rein europäische Erklärungsmuster sind dann nicht mehr die zentrale Einflussgröße. Genauso wichtig wird sein, was etwa der japanische Umweltminister zu sagen hat, oder wie der Sommer in Nordamerika ausfällt.
 
Sehr geehrter Herr Dr. Doppelfeld, herzlichen Dank für das Gespräch!
Quelle: UD
 
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