Klimawandel

Ist das Kyoto-Protokoll tot?

Die Klimaverhandlungen in Bonn vertagen sich nahezu ergebnislos auf ein Treffen im Herbst. Läuten Sie damit das Ende des Kyoto-Protokolls ein? Gibt es noch einen Rettungsanker? Eine Einschätzung des Klimaökonomen Prof. Dr. Reimund Schwarze.

27.06.2011

Foto: Marion Book
Foto: Marion Book
"Yvo de Beur, der frühere Chef des Klimasekretariats und Vater des Aktionsplans von Bali, fand gegenüber der Berliner Tageszeitung „taz“ deutliche Worte: „Das Kyoto-Protokoll ist tot. Der Körper wird zwar noch künstlich am Leben erhalten und vielleicht werden einige der Organe verpflanzt, aber der Geist ist verschwunden." Tatsächlich ist es den Unterhändlern in Bonn nicht gelungen, eine Formel zu finden, um dem schon lange schwer kranken Patienten, neues Leben einzuhauchen. Dabei ist die Lage ernst wie nie: Im Jahr 2012 läuft die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls aus. Bei der nächsten Verhandlungsrunde der Minister zum Jahresende in Durban besteht die allerletzte Chance, das Kyoto-Protokoll zu verlängern und damit eine Lücke in den Reduktionspflichten der Industrieländer nach 2012 zu vermeiden.

Gäbe es eine solche Lücke in den Verpflichtungen, würde das Kyoto-Protokoll völkerrechtlich zwar nicht aufhören zu existieren, aber es wäre tatsächlich inhaltsleer. Die Zweckbestimmungen der Marktmechanismen des Kyoto-Protokolls entfielen. Ob diese - und alle sich darum rankenden Institutionen beim Klimasekretariat - dann weiter exisitieren würden, ist zweifelhaft. Aber selbst wenn, wäre der ökonomische Anreiz, diese Mechanismen zu nutzen, ohne bindende Reduktionspflichten dahin. Kein Wunder also, dass das Kyoto-Protokoll das all bestimmende politische Thema auf dem letzten Treffen der Arbeitsorgane der Klimarahmenkonvention vor dem Ministertreffen in Durban war.

Zu Beginn Säbelrasseln: Die Entwicklungsländer und China erklären die Fortführung des Kyoto-Protokolls zur Meßlatte für die Ernsthaftigkeit der Reduktionsverpflichtungen der Industrieländern. „Die freiwilligen Verpflichtungen der Industrieländer aus Kopenhagen sind nichts wert, wenn sie nicht als genau quantifizierte Reduktions- und Begrenzungspflichten sind“, erklärte Bolivien, das, wie schon in Cancun, die Rolle des einsamen Weltretters in Bonn für sich beanspruchte. Auch allen anderen Beteiligten war klar, dass die Zusagen aus Kopenhagen und Cancún nicht im Entferntesten reichen würden, um das politische Zweigradziel glaubhaft zu machen.

Klarer Handlungsbedarf, doch wie sind die Lasten zwischen den Industrieländern und den Industrie- und Entwicklungsländern aufzuteilen? Nachdem die USA und China als größte Emittenten des klimaschädlichen CO2 unter dem Kyoto-Protokoll nicht zu Emissionsreduktionen verpflichtet sind, kann die Architektur von Kyoto nicht mehr das Modell der Zukunft sein. Und dass diese Länder auch auf lange Sicht nicht dem Kyoto-Protokoll in alter Form beitreten werden, darüber ließen sie von Anfang an keine Zweifel. China erklärte vor den Bonner Verhandlungen brüsk: „Keine verbindlichen Emissionsreduktionen für unser Land bis 2030.“ Das wiederum bewog Länder wie Australien, Kanada, Japan und Russland im Gegenzug zu drohen, aus dem Kyoto-Rahmen auszutreten, wenn hier keine „ausgewogene Lösung“ unter Beteiligung aller großen Emittenten gefunden würde. Ein klassisches Verhandlungsdilemma: Jeder wartet darauf, dass andere sich bewegen, etwas unternehmen und ihm damit eigene Anstrengungen ersparen. Ist unter diesen Umständen „nicht nur das Kyoto-Protokoll gescheitert, sondern der ganze Ansatz“, wie de Boer in der taz weiter ausführt?

Eins zeichnet sich am Ende der Bonner Verhandlungen ab: Es wird eine lebensverlängernde Maßnahme für das Kyoto-Protokoll in Durban geben. Die Arbeitsgruppen in Bonn haben Untergruppen gebildet, die je einen Aufgabenblock „Ziele“ sowie einen Aufgabenblock „Rechtsform“ näher eingegrenzt haben. Beide Cluster sollen politische Ziele, die nur die Minister in Durban finden können, klar von technischen Problemen, wie z.B. die Übertragung von Überschußrechten aus der 1. Verpflichtungsperiode 2008-2012 trennen, umso zu einer auf wenige Optionen reduzierten Dokumentenlage zu kommen, die dann in Durban mit „Geist gefüllt und
entschieden werden können. Nach meiner Einschätzung kann dies beim Stand
der Verhandlungen nur eine vorübergehende Verlängerung des Kyoto-Protokolls sein, ergänzt um einige Übergangsvorschriften, mit dem Ziel die Marktmechanismen und die bewährten Institutionen des Kyoto-Protokolls hinüberzuretten. Langfristiges Ziel muss eine „Post-Kyoto-Architektur“ sein, die nicht nur alle wichtigen Emittenten der Welt mitnimmt, sondern auch ein Anpassungs- und ein kohlenstoffarmes Entwicklungsregime enthält.

Diese wird aber realistisch frühestens in 2012 erreichbar sein, wenn die
Klimarahmenkonvention ihr 20-tes Jubiläum in Rio de Janeiro feiert. Auf dem Weg nach Durban im Winter dieses Jahres geht es daher erst einmal um eine Notoperation am offenen Herzen. Der von der Bundesregierung gemeinsam mit Mexiko initiierte „Petersberger Dialog“ am 3./4. Juli kann dazu entscheidende Impulse geben, so dass sich die Unterhändler nicht erneut bei Zwischentreffen in technischen Problemen verlieren."

Prof. Dr. Reimund Schwarze arbeitet am Climate Service Center (CSC) am Helmholtz-Zentrum Geesthacht und Helmholtzzentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ)
Quelle: UD / fo
 
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