Doha findet dürren Klimakompromiss
Nach zähen Verhandlungen haben sich die Teilnehmer der Weltklimakonferenz auf eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls bis 2020 geeinigt. Zugleich wurde ein Arbeitsprogramm für das bis 2015 auszuhandelnde umfassende Klimaschutzabkommen verabschiedet. Die beschlossene zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls enthalte zu große Schlupflöcher und zu niedrige Reduktionsziele für Treibhausgase. CO2-Emissionsrechte aus der ersten Handelsperiode würden nicht gelöscht, was künftige Klimaschutzbemühungen schwäche. „Das Kyoto-Abkommen ist nur noch eine leere Hülle“, so der Tenor der NGO-Vertreter vor Ort.
10.12.2012
Bundesumweltminister Peter Altmaier: "Das ´Doha Climate Gateway´ hat das Tor in die Zukunft des internationalen Klimaschutzes geöffnet. Mit der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls werden auch in Zukunft völkerrechtlich verbindliche Regeln gelten. Zugleich wurden mit einem klaren Fahrplan die Weichen für ein umfassendes Klimaschutzabkommen gestellt."
NGOs maßlos enttäuscht
Die Zivilgesellschaft bewertet das Ergebnis deutlich anders: "Der Mini-Kompromiss in Doha ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen in den ärmsten Staaten dieser Welt, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und am meisten von seinen Auswirkungen betroffen sind", sagte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von CARE Deutschland-Luxemburg. Trotz der Einigung auf eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls bis 2020 sind die Ergebnisse weit hinter den Erwartungen zurück geblieben. "Für viele Entwicklungsländer sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits jetzt Realität. Häufiger auftretende Dürren oder Fluten kosten unzählige Menschenleben, verschärfen die Armut und schränken die Chancen auf ein besseres und würdevolleres Leben für kommende Generation ein. Der Klimawandel entwickelt sich immer mehr zur größten sozialen Ungerechtigkeit unserer Zeit", so Zentel.
Beim Klimagipfel in Doha wurde nach Einschätzung von Germanwatch deutlich, dass der politische Wille, angemessen auf die Dringlichkeit des Klimawandels zu reagieren, derzeit bei den wichtigsten Akteuren China, USA und EU noch nicht sichtbar ist. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer bei Germanwatch, erklärt dazu: "Mit der Einigung von Doha wurden drei hölzerne Kähne für den Weg zu einem Abkommen auf den Weg gebracht. Aber weder die Masten sind gebaut noch die Segel gesetzt. Und vor allem fehlt bei den Schlüsselakteuren der politische Wind, um das Boot ins Ziel zu treiben. Die EU konnte in Doha nicht mehr eine Führungsrolle übernehmen. Zwar hatte sie in Bezug auf das Kyoto-Protokoll sowie Finanzankündigungen und Unterstützung angesichts der absehbaren Schäden immer noch mehr zu bieten als fast alle anderen Industrieländer. Aber auch das nun im Kyoto-Protokoll verankerte 20-Prozent-Klimaziel der EU für 2020 ist nicht geeignet, den globalen Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad zu begrenzen. So gelingt es nicht, immer heftigere Klima- und Ernährungskrisen zu verhindern. Die EU enttäuschte somit ihre Bündnispartner aus den kleinen Inselstaaten und anderen verletzlichen Staaten. Denn sie legte weder angemessene Klimaziele noch einen Plan vor, um ihre Finanzzusagen von Kopenhagen einzuhalten.
EU ohne ambitionierte Führungsrolle
Ohne eine starke Führungsrolle der EU, die den Klimagipfel 2013 in Warschau und den für das neue Abkommen entscheidenden Gipfel 2015 in Paris ausrichten wird, kann sich das nicht ändern. Alle Augen richten sich jetzt auf die deutsche Bundeskanzlerin und ihre Regierung, ob sie eine solche Strategie aktiv voranbringt. Ein erster wichtiger Schritt ist es, noch in der ersten Jahreshälfte 2013 das EU-Klimaziel auf 30 Prozent Treibhausgas-Verringerung bis 2020 zu erhöhen und den Emissionshandel zu reparieren. Wirtschaftsminister Rösler blockiert beides in Deutschland . Darüber hinaus geht es in Deutschland und der EU um eine aktive Klimaaußenpolitik, um die notwendigen Allianzen zu schmieden und auch Vorreiterprozesse außerhalb des UN-Prozesses voranzubringen."
Sven Harmeling, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch: "Folgende Hauptelemente wurden im Doha Gateway verabschiedet: Die zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll, die von 2013 bis 2020 dauern wird, tritt im Januar in Kraft. Damit wurde sichergestellt, dass dieses internationale regelbasierte System weiterexistiert. Allerdings mit viel zu schwachen Klimaschutzzielen. Diese sollen spätestens 2014 nachgebessert werden. Der deutsche Bundestag muss die Einigung zum Kioto-Protokoll nun möglichst schnell ratifizieren.
Für den Verhandlungsprozess zu einem neuen Klimaabkommen mit allen Staaten gibt es jetzt einen klareren Fahrplan bis 2015. Konkrete Fortschritte beim Klimaschutz wurden allerdings verschoben. Und insbesondere auch auf Einfluss der USA und Brasiliens wurden die Regeln zur Transparenz des Klimaschutzes in Industrie- und Entwicklungsländern verwässert.
Drittens gibt es einen vagen Fahrplan für Verhandlungen über den massiven Zuwachs der internationalen Klimafinanzierung. Aber es blieb sehr unklar, ob die Industrieländer ihr 2009 gegebenes Versprechen einhalten wollen, für die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zusätzlich zu mobilisieren. Mit diesem Vertrauensbruch ist auch ernsthaft in Gefahr, dass die Entwicklungsländer ihren Beitrag an Klimaschutz leisten, um einen in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel noch abzuwenden. Ein Durchbruch war das Arbeitsprogramm, das eine Institution für die Menschen und Staaten aufbauen soll, die immer massiver mit Klimaschäden zu kämpfen haben."