Wuppertal Institut empfiehlt Paradigmenwechsel internationaler Klimapolitik
Als Teil der Diskussionen um ein neues internationales Klimaabkommen, das bis 2015 abgeschlossen werden soll, hat die Europäische Kommission eine Stakeholder-Konsultation durchgeführt, an der sich das Wuppertal Institut beteiligt hat. In dem eingereichten Beitrag wird ein Paradigmenwechsel in der internationalen Klimapolitik empfohlen. Der Beitrag des Wuppertal Instituts regt an, dass die Staaten die weit verbreitete Annahme überprüfen sollten, dass ein Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Wohlfahrt besteht. Denn erstens ist der Betrieb des bestehenden Energiesystems alles andere als kostengünstig und wird in der Zukunft tendenziell eher teurer. Die Länder der Welt geben aber schon heute jedes Jahr Billionen von Dollar für Subventionen für und Importe von fossilen Energieträgern aus. Zweitens kann ein erheblicher Anteil der notwendigen Reduktionen mit wirtschaftlichem Gewinn durch Energieeffizienz erreicht werden. Drittens ändert sich die Wirtschaftlichkeit einer auf Erneuerbaren Energien basierten Energieversorgung rapide.
04.07.2013
Das Problem ist daher nicht die makro-ökonomische Perspektive. Das Problem ist, dass Klimapolitik zu erheblichen Verteilungswirkungen führt und damit naturgemäß Widerstände hervorruft: Bisher ist es denjenigen gelungen, der Diskussion ihren Stempel aufzudrücken, die beim Übergang zu einer klimaverträglichen Wirtschaft verlieren werden, während die mit der Klimapolitik ausgelösten Innovationsimpulse und neu entstehenden Märkte noch unterbelichtet sind.
Ein wesentlicher Faktor in der Rahmung der Diskussion ist die Art der Verpflichtungen. Das Konsultationspapier des Wuppertal Instituts empfiehlt, den mengenbasierten Ansatz zu überprüfen, auf dem die Klimapolitik bisher weitgehend beruht. So lange Emissionen als untrennbar mit wirtschaftlichem Wohlergehen verbunden gesehen werden, lenken Mengenverpflichtungen unmittelbar auf die Perspektive, Klimaschutz als wirtschaftlichen Verlust zu ansehen. Zudem erweist sich der Ansatz, Emissionen durch eine künstliche Verknappung in ein wertvolles Gut zu verwandeln, in der internationalen Politik als Haken. Denn damit sind Mengenverpflichtungen gleichbedeutend damit, Ländern Geld zuzuweisen. Beide Faktoren führen direkt zu der Verteilungskontroverse, die die vergangenen Klimaverhandlungen dominierte. Zudem sind Mengenverpflichtungen risikoreich für Regierungen, da wesentliche Emissionstreiber wie Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums weitgehend jenseits ihres Einflusses liegen. Schließlich legen Mengenverpflichtungen nicht nur die minimale, sondern gleichzeitig auch die maximale Emissionsreduktion fest. Dabei hat es sich als nahezu unmöglich herausgestellt, Mengenverpflichtungen zeitnah anzupassen, wenn sie einmal festgelegt sind.
Die Staaten sollten daher andere Formen von Verpflichtungen sondieren, die keine Befürchtungen auslösen, als "Deckel auf die wirtschaftliche Entwicklung" zu wirken, die besser mit dem verzahnt sind, was als im nationalen Interesse gesehen wird, und besser zu dem passen, was Regierungen tatsächlich liefern können: die Umsetzung von Politiken. Verpflichtungen sollten idealer Weise mehrdimensional sein. Da die
Reduktion von Emissionen ein komplexes Problem ist, ist es ein angemessener Ansatz, das Problem aus so vielen Richtungen wie möglich anzugehen. Mögliche Arten von Verpflichtungen, die sondiert werden könnten, könnten z. B. der Ausbau bestimmter klimafreundlicher Technologien, die Verbesserung der Energieeffizienz, die Beschränkung der Nutzung und Förderung fossiler Brennstoffe, oder die direkte Bepreisung von Emissionen sein. Eine direkte Emissionsbepreisung ist ökonomisch äquivalent zum Emissionshandel, hat jedoch nicht die meisten der oben genannten Nachteile.
Die stärkste Mobilisierung politischer Unterstützung könnte möglicherweise erzielt werden, indem Verpflichtungen als gemeinsame internationale Anstrengung gefasst werden, bis zu einem bestimmten Datum einen universellen Zugang zu nachhaltigen Energiedienstleistungen herzustellen. Eine wesentliche Kluft in der Klimapolitik ist, dass die Industrieländer den Klimawandel aus der Umweltperspektive betrachten, während Entwicklungsländer ihn aus der Entwicklungsperspektive sehen. Tatsächlich ist es in beiden Fällen eine Entwicklungsfrage, da sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer ihre Energiesysteme von Grund auf (neu) entwickeln müssen.
Eine auf ein systematisches Monitoring basierende Auswertung der mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen verbundenen Erfahrungen sollten dazu beitragen, einen Bewusstseinswandel über die Machbarkeit des Klimaschutzes herbei zu führen, und damit wissensgestützt Zug um Zug die Festlegung immer ambitionierterer Verpflichtungen ermöglichen.