EU verschärft Kampf gegen Plastikmüll
Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit - Abschnitte der Menschheitsgeschichte wurden nach jenen Materialien benannt, aus denen die Zeitgenossen ihre wichtigsten Güter herstellten. Folglich leben wir in der Plastikzeit. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will das jetzt mit Verboten und Steuern ändern.
29.05.2018
Der NABU begrüßt den in Straßburg von der EU-Kommission vorgestellten Vorschlag für eine Plastikstrategie und fordert die Pläne zur Eindämmung des Plastikabfalls nun zügig umzusetzen. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen alle Plastikverpackungen in der EU bis 2030 recycelbar werden, der Verbrauch von Einwegplastik eingedämmt und die Verwendung von Mikroplastik etwa in Kosmetika soll beschränkt werden. Die Strategie zum zukünftigen Umgang mit Kunststoffen kommt zur richtigen Zeit, denn es gibt zahlreiche Baustellen beim Thema Plastik: Es basiert auf fossilen Rohstoffen, es gibt zu viel davon in vermeidbaren Einwegprodukten - von der Kunststofftüte bis zur Plastikflasche - und nach einem sehr kurzen Leben wird es häufig verbrannt, deponiert oder achtlos in der Umwelt entsorgt.
"Die Vermeidung von Einweg-Plastik muss an erster Stelle der zukünftigen politischen Maßnahmen stehen, denn 31 Kilo jährlicher Plastikmüll pro EU-Bürger sind zu viel. 2015 hat die EU ein Reduktionsziel für Plastiktüten ausgegeben, entsprechende Schritte müssen nun auch für andere Anwendungen wie für Einweg-Plastikflaschen und To-Go-Becher folgen", sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Zusätzlich müssten mehr wirtschaftliche Anreize für weniger Plastik geschaffen werden. Die EU-Mitgliedsstaaten und die Industrie dürfen sich daher einer EU-weiten Plastiksteuer, wie von Haushaltskommissar Oettinger vorgeschlagen, nicht verweigern. "Eine Materialsteuer, die bei den Plastikproduzenten ansetzt, könnte erheblich zur Kunststoffvermeidung und zu besserem Recycling beitragen. In der Folge würden die Hersteller sich auch mehr Gedanken um umweltschädliche Zusatzstoffe machen, die häufig eine Barriere für das Recycling von Kunststoffen bedeuten", so NABU-Umweltexperte Sascha Roth.
EU-Kommissar Günther Oettinger hat Steuer auf Plastik ins Gespräch gebracht. Diese kann auch zum Schließen der Brexit-Etat-Lücke beitragen.
Auch Deutschland wird von der Plastikflut überschwemmt. Kunststoffe haben im Laufe der letzten gut 60 Jahre jeden Lebensbereich durchdrungen, weltweit. Plastikverpackungen sind dabei nur das sichtbarste Symptom dieser Entwicklung. Synthetische Materialien sind aus Spielzeug, Autos und Gebäuden nicht wegzudenken. Plastik ist der Stoff, aus dem die Moderne ist. 500 Jahre braucht eine Plastiktüte, um zu zerfallen. Und eben diese Langlebigkeit schafft Probleme. Denn von den 8,3 Milliarden Tonnen Plastik, die die Menschheit bis heute produziert hat, landeten mehr als drei Viertel im Müll. Und nur ein kleiner Teil davon wird wiederverwertet oder verbrannt. Die Folge: Der Planet erstickt am ewigen Einwegplastik. Wenn der Effekt des eigenen Engagements nicht sichtbar ist, schwindet die Motivation zum Umweltschutz. Soll er wirksam sein, muss Umweltschutz daher mindestens international angelegt sein.
Die Neue Westfälische widmet sich dem Thema in einem Kommentar: So ist es demnach erfreulich, dass die EU-Kommission gestern eine Strategie zur Reduzierung von Plastikmüll vorgelegt hat. Die EU will Unternehmen Anreize zum Wiederverwerten von Kunststoffen bieten. Subventionen für die Entwicklung alternativer Materialien sollen die Abhängigkeit von Plastik mindern. Das Verklappen von Plastikmüll ins Meer soll strenger geahndet werden. Das sind gute, erste Schritte. Weitere müssen rasch folgen. Die Sache eilt, nachdem China zu Jahresbeginn den Import von Plastikmüll gestoppt hat. Immerhin knapp zehn Prozent der deutschen Plastikabfälle wurden bisher nach Fernost verschifft: Künftig bleibt Europa auf mehr Müll sitzen. Die Kommission weiß um den Handlungsdruck. Haushaltskommissar Günther Oettinger hat eine Steuer auf Plastik ins Gespräch gebracht. Diese könne Müll reduzieren helfen und zum Schließen der Brexit-Etat-Lücke beitragen. Damit wäre eine EU-weite Plastik-Steuer von doppeltem Nutzen. Dass sich der Konsum von Plastik über Zusatzkosten mindern lässt, hat ja bereits das Ende der Gratis-Plastiktüten im Einzelhandel gezeigt. Soll sie jedoch nicht nur die Brüsseler Kasse füllen, sondern Plastikmüll zurückdrängen, dürfte eine EU-Plastik-Steuer nicht einzig dem Verbraucher aufgedrückt werden. Sie müsste schon bei den Herstellern ansetzen und diese zu mehr Nachhaltigkeit bewegen. Damit die Plastikzeit eine Episode der Menschheitsgeschichte bleibt.