Gegen Mikroplastik hilft nur Vermeidung
Der Abrieb von Autoreifen, Kunstfasern aus Kleidung und Plastikverpackungen von Lebensmitteln: Jeder Mensch verteilt tagtäglich große Mengen an großen und kleinen Kunststoffteilchen in die Umwelt. Meist unwissentlich aber trotzdem schädlich. Weil Mikroplastik nicht biologisch abbaubar ist, verbleibt es extrem lange in der Natur und schädigt Organismen.
10.01.2020
„Ein Verzicht auf massenhaften Gebrauch von Kunststoffprodukten könnte die Plastikflut in der Umwelt wirkungsvoll eindämmen“, sagt Dr. Andreas Köhler, Forscher am Öko-Institut. Plastikrecycling ist zwar wichtig, reicht aber allein nicht aus, um Mikroplastik von der Natur fernzuhalten. „Auch Ersatzmaterialien wie bioabbaubare Kunststoffe oder Baumwolltextilien verlagern die Umweltprobleme lediglich statt sie wirklich zu lösen.“
Spendenprojekt gibt Antworten zur Plastikvermeidung
Köhler hat sich gemeinsam mit mehreren Experten des Öko-Instituts im Projekt „Ohne Plastik leben – aber wie!?“ mit den Ursachen des heutigen Massenkonsums von Kunststoffen auseinandergesetzt. Das mit privaten Spenden finanzierte Projekt analysiert außerdem Möglichkeiten und Auswirkungen eines Plastikverzichts in drei Anwendungsgebieten.
Dabei wurden auch Erfahrungen von Verbrauchern bei der Plastikvermeidung mit in Betracht gezogen. Auch die Politik ist angesprochen, gesetzliche Rahmenbedingungen für eine Belohnung des Plastikverzichts zu gestalten, etwa mittels ordnungsrechtlicher Maßnahmen und steuerliche Entlastung zeit- und arbeitsintensiver Alternativen wie Unverpackt-Logistik und Reparatur.
„Die Plastikverschmutzung der Natur ist unumkehrbar, das Zurückholen von Billionen kleinster Plastikfragmente aus Böden, Flüssen und Meeren kann der Mensch nicht leisten“, sagt Projektkoordinator Köhler. „Das wirkliche Ausmaß der Schädigung ist momentan noch nicht abschätzbar.“ Deshalb ist es jetzt umso dringlicher, die weitere Plastikfreisetzung in die Umwelt deutlich zu vermindern.
Top-Verursacher: Fahrzeugreifen
Von den meisten Menschen unbemerkt sind Fahrzeugreifen die größten Verursacher von Kunststoffpartikeln in der Umwelt. Fahren verursacht Reifenabrieb und so gelangen jährlich rund 100.000 Tonnen Mikroplastik in Deutschland in die Umwelt – etwa ein Drittel des gesamten Aufkommens.
Verbraucher können durch eine schonende Fahrweise und mit seltenerer Pkw-Nutzung beeinflussen, wie viel Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Durch die Einführung einer Kennzeichnung zum Reifenabrieb auf dem EU-Reifenlabel könnten Verbraucherinnen und Verbraucher schon beim Reifenkauf dafür sorgen, dass möglichst wenig Abrieb entsteht. Auch die Politik ist gefragt, den Reifenabrieb langfristig zu mindern. Etwa mittels rechtlicher Anforderungen an Reifenhersteller und die Automobilbranche.
Kunstfasertextilien
Polymer-Mikrofasern lösen sich beim Benutzen und Waschen aus der synthetischen Kleidung. Etwa 77 Gramm davon setzt jede Person in Deutschland pro Jahr frei. Das Meiste davon landet im Hausstaub und im Waschwasser. Zudem gehen viele der abgelegten Kunstfasertextilien als second-hand-Ware ins Ausland, wo sie nach Gebrauch oft einfach weggeworfen werden. Müllkippen sind weltweit Quellen für die Mikroplastikverschmutzung der Umwelt. Um das zu vermeiden, bedarf es einer Neuorientierung der Konsumgewohnheiten: Weg von „Fast Fashion“ und hin zu einer Mode, die langlebige und reparierte Kleidung wertschätzt.
Der Text zu Kunstfasertextilien illustriert Ideen, wie Verbraucherinnen und Verbraucher sich aus der Konsumfalle der kurzlebigen Modetrends befreien können. Das schützt nicht nur die Umwelt vor Mikrofasern sondern eröffnet auch ein selbstbestimmbares Modeerlebnis. Die Politik könnte dieses Ansinnen durch die Einführung einer ermäßigten Mehrwertsteuer auf Reparatur und Aufbereitung gebrauchter Kleidung unterstützen.
Lebensmittel in Plastikverpackungen
Fertiggerichte, Käse- und Wurstaufschnitte sowie Joghurt in Einweg-Verpackungen aus Kunststoff waren ursprünglich für Ausnahmesituationen wie den Außer-Haus-Verzehr gedacht. Heute ist die so erzielte Bequemlichkeit Alltag geworden – zwischen 80 und 90 Prozent aller Lebensmittel gelangen in einer vorbereiteten Form in die Haushalte und produzieren nebenher viel Plastikmüll.
Eine Lösung Plastik zu vermeiden wäre, die Einweg-Verpackungen durch ein System aus unterschiedlich genormten Mehrweg-Behältertypen zu ersetzen. Auch der Staat sollte regulierend eingreifen, etwa über die Ausweitung des EU-Verbots von Einweg-Kunststoffen als Verpackungsmaterialien.