Mehrwegverpackungen: Zurück zum Milchmann-Prinzip
Obwohl es für fast alle Einwegverpackungen auch Mehrweg-Alternativen gibt, werden immer mehr Boxen, Flaschen und Folien nach einmaliger Nutzung weggeworfen. Das US-amerikanische Start-up Loop will das ändern und hat einen Online-Shop eröffnet, in dem es bekannte Markenprodukte in wiederbefüllbaren Verpackungen gibt.
12.06.2020
Viele Gründe sprechen für die Devise „Mehrweg statt Einweg“. Mehrwegverpackungen, so sieht es die Abfallwirtschaft der Stadt Nürnberg, verursachen weniger Abfall, verbrauchen weniger Rohstoffe, sparen Energie und stärken die regionale Wirtschaft. In der Regel haben Mehrwegverpackungen eine bessere Ökobilanz als Einwegprodukte. „Vergleicht man dieselben Materialien miteinander – also etwa Glas mit Glas und Plastik mit Plastik –, gewinnt stets das Mehrweg-System“, schreibt das österreichische Magazin „Profil“.
Trotzdem schwinden die Mehrweg-Marktanteile. So werden laut Umweltbundesamt nur noch rund 42 Prozent der Getränke in Mehrweg-Gebinde abgefüllt. Wegen des gerade in der Corona-Krise boomenden Online-Handels gibt es zudem immer mehr Papiermüll. Um 45 Prozent sei der Papier-Verpackungsmüllberg innerhalb von zehn Jahren gewachsen, berichtet Spiegel Online.
Loop will zurück zum „Premium Packaging“
Eine besondere Mehrweg-Lösung hat der US-amerikanische Recyclingspezialist TerraCycle mit „Loop“ ersonnen. Gründer und CEO Tom Szaky erntete 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos große Resonanz, als er seine Vision vom verpackungsmüllfreien Einzelhandel vorstellte. Der charismatische Unternehmer hat über 25 renommierte Konsumgüterhersteller als Kooperationspartner gewonnen, die nun unter dem Dach von Loop eigens entwickelte, hochwertige und wiederbefüllbare Produktverpackungen anbieten. So wie der Milchmann früher die Milch in eigene Flaschen abfüllte, den Kunden an die Tür brachte und die leeren Gefäße wieder einsammelte, reinigte und wiederbefüllte, sollen es nun wieder die großen Konsumartikler handhaben.
Der Schlüssel zur Lösung der Plastikmüllkatastrophe liegt nach Szakys Überzeugung darin, dass die Produzenten wieder zum „Premium Packaging“ zurückfinden, anstatt die vermeintlich günstigere Lösung von Einwegverpackungen zu wählen und deren Entsorgung den Kunden zu überlassen. Das sei ökologisch sinnvoller, vor allem aber auch wirtschaftlich attraktiv. Hochwertige Verpackungen, die immer wieder aufbereitet und neu befüllt werden, könnten nämlich aufwendiger designt werden und ganz neue Funktionalitäten erhalten. Dies könne sich als entscheidender Marktvorteil erweisen.
Mit den hochwertigeren Verpackungsmaterialien komme man sogar den Kundenwünschen entgegen, betonte Tom Szaky in Nürnberg. Viele Kunden in den USA würden Flüssigseife vor dem Gebrauch aus den Originalverpackungen in Extra-Seifenspender umfüllen. Entsprechend biete Loop die Seife im attraktiven Glas-Spender an, was von den Kunden gut angenommen werde.
Nestlé habe für sein Speiseeis „Häagen Dazs“ beispielsweise eine besonders nutzungsfreundliche Zweischicht-Mehrwegverpackung entwickelt. Der Edelstahlbecher halte die kühle Köstlichkeit lange kalt, fasse sich aber auch angenehm an – ein echtes Plus für Verbraucher, die ihr Eis gern auf dem Sofa oder im Bett liegend verzehren. Procter & Gamble (P&G) wiederum biete seine Waschmittelmarke „Tide“ in einer schicken Edelstahldose an. Der Behälter sei geradezu eine Zierde in der Waschküche und werde vom Kunden ganz anders wertgeschätzt als ein Papp- oder Plastikbehälter. P&G hat aber auch extra Zahnbürsten der Marke „Oral B“ für den Shop entwickelt, die aus einem Basisteil aus hochwertigem Metall bestehen, auf das ein auswechselbarer Bürstenkopf gesteckt wird. Die Bürstenköpfe werden nach Gebrauch bei Loop recycelt.
Expansion nach Europa geplant
Im US-amerikanischen Markt startete Loop 2019 als Online-Shop. Die Produkte werden in wiederverwendbaren Versandverpackungen zugestellt. Für das aufwendigere „Packaging“ wird ein Pfand erhoben. Nach Gebrauch schicken die Kunden die Produktverpackungen zurück. Bei Loop werden sie gereinigt und an den Hersteller zurAufbereitung und Wiederbefüllung weitergeleitet.
Von Anfang an hat Loop die weltweite Expansion geplant. Entsprechend gibt es Testläufe in anderen Märkten, beispielsweise bereits seit 2019 in Paris. Dort wird das Sortiment über Carrefour-Supermärkte vertrieben. Auch in Kanada ist die Kooperation mit einer Einzelhandelskette geplant. Anfang 2020 sollte dort laut Unternehmensangaben die Zusammenarbeit zwischen Loop und Loblaw starten. Auf der FachPack 2019 kündigte Tom Szaky außerdem den Start in Deutschland mit einem Einzelhandelspartner an. Bislang hat das Unternehmen aber keine weiteren Neuigkeiten dazu verkündet.
Fast immer gibt es Mehrweg-Alternativen
Auch abseits von Loop gilt grundsätzlich: Für fast jede „Single Use“-Verpackung gibt es eine Mehrweg-Alternative. Nahezu jede größere Stadt bietet beispielsweise inzwischen eigene Pfandbecher für „Coffee to go“ an, um die allgegenwärtigen, kunststoffbeschichteten Einmal-Papierbecher zurückzudrängen. Das Münchener Start-up „Recup“ hat sogar ein bundesweites Becherpfand-System für seine Kunststoffbecher entwickelt. Recups gibt es in über 2.000 Geschäften in vielen deutschen Städten, unter anderem auch in Alnatura-Kaffeebars und seit kurzem sogar in vielen McDonald’s-Restaurants in München
Innovative Mehrweglösungen gibt es auch für Versandverpackungen. So hat der finnische Anbieter RePack wiederverwendbare Versandtaschen aus Kunststoff für den E-Commerce entwickelt. Nach Erhalt der Ware schicken die Kunden die leeren Beutel mit der Post zurück an RePack. Dort werden sie wiederaufbereitet und danach wieder an Versandhändler ausgeliefert. Alternativ haben die Kunden die Möglichkeit, die Beutel für Retouren an die Versender zu verwenden. Ganz ähnlich funktioniert der Versandhandel beim nachhaltigen Online-Versand memo, der seit vielen Jahren seine Bestellungen auf Wunsch in der wiederverwendbaren, grünen „memo Box“ verschickt.
Das bekannteste Mehrweg-Pfandprodukt ist sicherlich die Glasflasche.
Getränkehersteller greifen dabei auf einen gemeinsam genutzten Pool von Flaschen zu. „Je mehr Abfüller und Händler Mehrwegflaschen verwenden, desto besser funktioniert das Mehrwegsystem“, erklärt das Umweltbundesamt.