Plastik in der Umwelt finden und vermeiden
In der Corona-Krise zeigen Kunststoffe ihren Mehrwert und zugleich auf den Handlungsbedarf beim Kampf gegen Umweltverschmutzung. Denn während Kunststoffe zum Beispiel in Medizinprodukten oder Lebensmittelverpackungen der Gesundheit dienen, werden sie als Makro- und Mikroplastik bei falscher Entsorgung zur Gefahr. Forschende aus der Zuse-Gemeinschaft beschreiten daher neue Wege bei der Erfassung und Bestimmung solcher Stoffe.
18.02.2021
Welch große Verantwortung sowohl Verbraucher als auch Handel und Industrie tragen, damit weniger Kunststoff in die Umwelt gelangt, zeigt das aktuelle, vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt InRePlast. In dem Verbundprojekt hat das Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft (FiW) in vier Gemeinden im Raum Aachen, vom Dorf bis zur Großstadt, Plastikreste systematisch gesammelt, katalogisiert und klassifiziert. Die Forschenden erfassten Partikel aus großem Mikroplastik (eins bis fünf Millimeter) ebenso wie Makroplastik mit noch sichtbarem ebenso wie mit nicht mehr erkennbarem Produktursprung. „Nach einjähriger Arbeit mit einem Stab von acht Forschenden haben wir rund 165 verschiedene Produkte und Vor-Produkte aus Makro- und großem Mikroplastik im Abwasser identifiziert“, erklärt FiW-Projektleiter Dr. Marco Breitbarth. Untersuchungsorte waren die Kläranlagen der Gemeinden, aber auch Niederschlagsabläufe auf Verkehrswegen. Von den Straßen bringt Niederschlagswasser Fremdstoffe häufig in Gewässer.
In den Kläranlagen überall unter den „Top5“ bei den Kunststoffprodukten zu finden: Zigarettenfilter. Ihr Anteil am vom FiW erfassten Mikro- und Makroplastik reichte dort je nach Standort von neun bis 28 Prozent. Eine weitere Problemkategorie sind Bestandteile von Hygieneartikeln. Tampon- und Bindenverpackung ebenso wie Wattestäbchen waren an allen vier Kläranlagen unter den „Top20“ der gefundenen und katalogisierten Kunststoffprodukte. Bei den Verbundmaterialien wie auch insgesamt nahm die Kategorie Feucht-/Desinfektionstücher/Küchenpapier die traurige Spitzenposition ein.
Was die Kläranlage nicht stoppt
„All diese Dinge gehören nicht in die Toilette, zumal je nach Wetterlage erhebliche Mengen Schmutzwasser aus der Kanalisation zuweilen nicht in die Klärwerke gelangen. Bei Starkregen werden z.B. häufig Abwasserströme in Überlaufbecken gelenkt, die bei Überschreitung der Kapazitätsgrenzen ungeklärtes Abwasser in die Gewässer einleiten – so dass achtlos weggeworfene Verpackungen und Kunststoffprodukte zum großen Umweltproblem geworden sind“, warnt Breitbarth. Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes (UBA) erreichen die nicht in Klärwerken behandelten Abschläge aus der Mischkanalisation in Deutschland jährlich ein Volumen von rund 1,3 Miliarden Kubikmeter, während sich die ebenfalls nicht von Klärwerken erfasste Einleitung von Niederschlagswasser auf eine Menge von knapp vier Miliarden Kubikmeter beläuft. Die hingegen in Kläranlagen erfasste Abwassermenge erreicht rund 9,9 Miliarden Kubikmeter.
Verhaltensänderung nicht nur bei Verbrauchern notwendig
Nicht nur die Verbraucher müssen ihr Verhalten ändern, wie die Zwischenergebnisse des bis Ende 2021 zusammen mit Verbundpartnern laufenden Projekts deutlich machen. So waren Kügelchen aus der Kunststoffindustrie, so genannte Pellets, an drei der vier Klärwerks-Standorte des Projekts unter den „Top 10“ der vom FiW gefundenen Produkte. Auch an Straßenrändern fanden die Forschenden laut Breitbarth immer wieder Kunststoff-Pellets, die genaue Auswertung steht noch bevor. „Zwar hat die Kunststoffindustrie immer wieder Info-Kampagnen zur Vermeidung von Produktausträgen aufgelegt, doch müssen die Gefahren offenbar noch deutlicher gemacht werden. Angesichts von rund 3.000 klassischen Kunststoffverarbeitern in Deutschland und vielen weiteren Unternehmen, die Kunststoffe nutzen, ist das eine zentrale Aufgabe“, betont der Forscher des FiW, einem Mitglied der Zuse-Gemeinschaft. Eine weitere wichtige Zielbranche zur Vermeidung von Kunststoffeinträgen in die Umwelt ist für ihn die Baubranche, die u.a. beim Umgang mit Dämmmaterialien an Häusern besonders umsichtig sein muss, so bei der Verwendung von Styropor. Bei InRePlast geht es nach der Umwelt-Analyse nun im letzten Projektabschnitt an die Formulierung von Handlungsempfehlungen, unter anderem für Kommunen.