Geldanlage

Finanzexperte Henry Schäfer: Positive Gesamtstimmung für nachhaltige Geldanlagen

Der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Henry Schäfer hat erstmalig einen Index entwickelt, der die Stimmung auf dem deutschen Finanzmarkt zu nachhaltigen Kapitalanlagen widerspiegelt. Konkret wurden dabei Befürworter, Anwender und Skeptiker nach ihren Einschätzungen befragt. Welche Nachhaltigkeitskriterien sind es, die Anleger zu „grünen Investitionen“ bewegen und inwiefern profitieren sie von der Berücksichtigung dieser Aspekte bei Finanzentscheidungen? UmweltDialog hat mit Henry Schäfer über diesen Index und seine wichtigsten Ergebnisse gesprochen.

14.09.2011

Prof. Dr. Henry Schäfer hat den Stimmungsindex erstellt. Foto: H. Schäfer
Prof. Dr. Henry Schäfer hat den Stimmungsindex erstellt. Foto: H. Schäfer


UmweltDialog:
Herr Schäfer, Sie haben einen Stimmungsindex zur nachhaltigen Kapitalanlage institutioneller Investoren von Union Investment erstellt. Können Sie diesen Index kurz vorstellen?


Prof. Dr. Henry Schäfer: Ein Stimmungsindex über „Nachhaltige Kapitalanlagen“ existierte bislang am deutschen Finanzmarkt nicht. Im Übrigen kennt man ein solches „Barometer“ auch nicht im europäischen Ausland. Der hier entwickelte Stimmungsindex setzt sich aus den Einstellungen der Befürworter beziehungsweise Anwender in Bezug auf nachhaltige Geldanlagen und deren Skeptiker zusammen. Wir haben also auch ausdrücklich diejenigen Kreise mit erfasst, die zurückhaltend in Sachen nachhaltige Geldanlagen sind. Der Index wurde entwickelt aus einer zum dritten Mal in Folge stattfindenden Umfrage der Union Investment unter institutionellen Investoren, wie sie es mit der nachhaltigen Geldanlage halten. Hieraus und aus den Umfragen in den vergangenen Jahren konnten statistisch belastbare Indikatoren ermittelt werden, die die Anwender und Skeptiker jeweils in ihrer Einstellung gegenüber nachhaltigen Geldanlagen kennzeichnen. Von da aus war der nächste Schritt, beide Gruppen mit ihrer Gewichtung in den Index einzubauen. Dabei haben die Befürworter und die Skeptiker jeweils ein Gewicht erhalten. Aus den dann zusammengefassten Werten ergab sich auf einer Skala von -100 und +100 der Wert von +22, den wir als positive Gesamtstimmung im deutschen Finanzmarkt für nachhaltige Geldanlagen bezeichnen können. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Stimmung in den kommenden Jahren weiterentwickelt.

UmweltDialog: Können Sie sagen, ob es bei diesem Index einen Mehrwert zu anderen SRI (Socially Responsible Investment) -Indizes gibt oder wo der Unterschied liegt?

Schäfer: Es handelt sich bei dem von uns entwickelten Index um einen Stimmungsindex, das heißt die Einschätzung, die die befragten institutionellen Anleger zum Zeitpunkt der Erhebung haben, wird widergespiegelt. Damit wird auch eine zukünftige und subjektive Einschätzung der jeweils befragten Einzelpersonen gegeben. Im Gegensatz dazu kennen wir Wertpapierindizes auch aus dem Bereich nachhaltiger Geldanlagen, die wie der DAX tagesaktuell den Verlauf des Aktienwertes anzeigen. Solche Indizes messen die abgelaufene Performance in einem Gesamtmarkt und nicht die Meinung von Einzelpersonen. Solche Wertpapierindizes bilden also vor allem abgelaufene momentane Kursentwicklungen und damit die Folgen zum Beispiel für den Kurswert der Geldanlagen ab.

UmweltDialog: Sie haben diesen Index auf Grundlage einer von Union Investment durchgeführten Studie unter 218 Großanlegern erstellt. Diese Studie ergab, dass zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen. Was sind das beispielsweise für Nachhaltigkeitskriterien, um die es dabei geht? Können Sie Beispiele nennen?

Schäfer: Aus der Studie kann man erkennen, dass am häufigsten ökologische Kriterien den nachhaltigen Geldanlagen zugrunde gelegt werden. Es folgen dann mit etwas Abstand ethische Kriterien. Soziale sowie ökonomische Kriterien nehmen dann in etwa gleicher Bedeutung die letzten Plätze ein. Die befragten institutionellen Investoren haben meist sehr individuelle Zugänge zum Thema Nachhaltigkeit in ihrer Geldanlage. Stiftungen beispielsweise lassen sich oft aus ihrem Stiftungszweck für die nachhaltige Geldanlage leiten. So fokussiert etwa die Deutsche Bundesstiftung Umwelt aus ihrer Neigung zur Förderung von Projekten aus dem Umweltbereich auch ihren Schwerpunkt bei den nachhaltigen Geldanlagen im Umweltsektor. Man unterscheidet dann oft zwischen sogenannten Ausschlusskriterien, das heißt Geschäftsfelder und Geschäftsaktivitäten, in die man unter keinen Umständen investieren möchte. Im Umweltbereich wird hier oft eine Anlage in Aktien von Energieversorgern gemieden, wenn diese Kernenergie zur Stromerzeugung einsetzen. Ein anderer Zugang zu nachhaltigen Geldanlagen erfolgt über das Setzen von sogenannten Positivkriterien. Dadurch will man Unternehmen finden, deren Wertschöpfung und Produkte mit der Geldanlage unterstützt werden sollen. Um im Umweltbereich zu bleiben: Hierzu zählen Geldanlagen in Aktien von Anlagenhersteller zur Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien.

UmweltDialog: Ein Drittel der Investoren beziehen bisher keine Nachhaltigkeitskriterien in ihre Investmententscheidungen ein. Was sind denn Gründe, die FÜR die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in Investmententscheidungen sprechen, und wie können diese strategisch in Entscheidungsprozesse integriert werden?

Schäfer: Auch darüber gibt die statistische Erhebung Aufschluss. Für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Geldanlage sprechen in etwa in gleichem Umfang vor allem drei Gründe: Nachhaltige Geldanlagen werden als Möglichkeit zur Verbesserung des Risikomanagements im Vermögensmanagement gesehen. Ferner erhofft man sich, damit als Investor eine Verbesserung des eigenen Images zu erreichen. Und damit durchaus eng verbunden beabsichtigt man mit der nachhaltigen Geldanlage einen positiven Auftritt in den Medien und vor Kunden. Diese Antworten zeigen eigentlich schon, dass Nachhaltigkeit nicht als Fremdkörper bei den Anlegern gesehen wird, sondern sich integrieren lässt in bereits bestehende Systeme, so etwa zum Risikomanagement der Geldanlagen und zur Außendarstellung des Investors.

UmweltDialog: Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel „Responsible Investment in Times of Turmoil“. Was war die Motivation, dieses Buch zu schreiben, und worum geht es darin?

Schäfer: Das Buch ist als Herausgeberwerk im Frühjahr dieses Jahres erschienen und entstand aus einer Forschungsgruppe aus dem europäischen Netzwerk für Wirtschaftsethik. Wir wollten mit den im Buch versammelten Beiträgen zum einen aufzeigen, dass die internationale Finanzarchitektur zahlreiche Systemfehler hat, die wir mit mangelnder Nachhaltigkeit vor allem bei den Finanzinstituten, den Aufsichtsgremien, aber auch bei den Finanzprodukten identifizieren können. Ein weiteres Ziel war darzulegen, inwiefern nachhaltige Geldanlagen und nachhaltiges Banking Beiträge leisten können zum Überwinden der Ursachen und Hintergründe der Finanz- und Subprimekrise. Wir haben uns aber auch kritisch mit Anspruch und Wirklichkeit nachhaltiger Geldanlagen beschäftigt und in den Beiträgen diskutieren lassen, inwieweit die Ansprüche an „ethisch gute Finanzanlagen und Banken“ wirklich erfüllt werden (können).

UmweltDialog: Was raten Sie Anlegern, die in Zeiten des Umbruchs investieren wollen? Wie können Sie das sinnvoll und unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien tun?

Schäfer: Nachhaltigkeit in den Finanzen beschäftigt sich einerseits mit der Frage, in welcher Weise man als Anleger bestimmte, persönlich als wichtig erachtete Umwelt- und Sozialleistungen eines Wertpapieremittenten, also Unternehmen oder staatlichen Stelle, in seiner Geldanlage berücksichtigt sehen möchte. Zudem wird immer mehr auch auf die sogenannte „gute Unternehmensführung“ oder Governance Bezug genommen. Dies ermöglicht durchaus bessere Einblicke in besondere Risikolagen einer Aktie oder Anleihe. Manche nachhaltigen Anleger haben zum Beispiel seit Jahren keine Anlagen in Griechenland-Anleihen getätigt oder Aktien von Ölunternehmen gekauft, weil diese im Nachhaltigkeits-Stresstest unterlegen waren. In der Praxis sind Rating-Organisationen damit beschäftigt, aus zahlreichen Einzelkriterien die nachhaltigsten Aktien oder Anleihen „herauszufischen“. Meist finden Anleger diese dann in einem Nachhaltigkeitsfonds. Man kann sich aber auch ganz speziell für ein bestimmtes Nachhaltigkeitsthema stark machen und dafür eine Anlage suchen. Populär sind heute in der breiten Bevölkerung zum Beispiel Energie- oder Klimasparbriefe von Banken und Sparkassen.

Nachhaltigkeit sollte aber andererseits auch bei Anlegern verstanden werden als Thema des eigenen Finanzmanagements. Welche Anlageklassen, also zum Beispiel ob Aktien, Anleihen oder Bankeinlagen, passen zu mir? Entscheidend sind hier unter anderem der eigene Kenntnisstand über Geldanlagen, die Risikoeinstellung und die Zeitdauer, für die das Geld angelegt werden kann. Eines sollte immer bedacht werden: Anlagetitel ändern nicht ihre Finanznatur, nur weil sie einen Anspruch auf Nachhaltigkeit haben, will heißen: Auch die Aktie eines ökologisch vorbildlichen Unternehmens bleibt ein Risikopapier, das heißt die Aktie macht manchmal Achterbahnfahrten in ihren Kursen und birgt Risiken in sich wie Dividendenausfälle und Kursverluste.

UmweltDialog: Wir bedanken uns für das freundliche Gespräch!
Quelle: UD
 
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