UNEP FI/ VFU Roundtable 2012: Wille zum Wandel
Mit einem klaren Ja zum Wandel und der Devise „Creating the new normal“ sandte der 8. UNEP FI/ VFU Roundtable zum Abschluss seiner Jahrestagung auf Schloss Bensberg bei Köln ein deutliches Signal in die Branche. Der zum Thema Nachhaltigkeit im Finanzsektor fest etablierte Roundtable stand in diesem Jahr unter dem Motto „Mainstreaming Sustainability. Nachhaltigkeit im Kerngeschäft von Finanzinstituten“ und fand erstmals bei einem Versicherungskonzern statt. Gastgeber war die Generali Deutschland Holding AG. Zwei Tage lang hatten sich 160 Experten aus dem Banken- und Versicherungsumfeld intensiv mit dem anstehenden Kulturwandel der Branche beschäftigt: Paradigmenwechsel statt „Business as usual“.
30.11.2012
„Creating the new normal“ - Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit ist elementar
Neben einem intensiven Erfahrungsaustausch, Diskussionen über die Rolle der Finanzwirtschaft als Katalysator des Wandels und der Forderung nach marktadäquaten Produktinnovationen, die zukünftig verstärkt in Think Tanks entstehen müssten, standen vor allem Fragen zu Verantwortung und innerer Haltung im Mittelpunkt. Vor allem die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Finanz- und Versicherungsbranche erachteten die Teilnehmer als elementar, um Nachhaltigkeit in unternehmerischen Kernprozessen zu implementieren. Wesentliche Voraussetzung dafür sei die Kongruenz von Denken, Handeln und Kommunizieren und ein auf dieser Basis geführter Stakeholderdialog. Daher hat sich der Roundtable besonders intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich Organisationen, speziell im HR Bereich, zukünftig dem Thema Bewusstseinswandel bei Führungskräften und Mitarbeitern annehmen werden.
„Creating the new normal“ - diese Zielsetzung, ausgegeben von UNEP FI- Vertreter Richard Burrett, verdeutlichte das ambitionierte und zugleich ambivalente Unterfangen der Teilnehmer, zu definieren, wie eine Finanzwirtschaft in Zukunft aussehen könne, um entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. In der kontrovers diskutierten Debatte ging es u. a. um das Thema Rendite als bislang treibendem Faktor, das Verständnis und die Definition der eigenen Rolle im Finanzsystem. Auch Gedankenspiele, ob das Finanzsystem noch reparabel sei, wurden diskutiert.
In seiner Rede verdeutlichte UNEP-FI Mann Burrett zudem, dass Nachhaltigkeit keine Destination, sondern eine Reise sei. Wenn es nicht gelänge, das Herz der Menschen zu erreichen und diese für den Wandel zu begeistern, sei diese Reise nicht zu schaffen, warnte er. Die Tatsache, dass der VFU und Generali Deutschland Einladung in diesem Jahr so viele Teilnehmer aus der Vorstands- und Geschäftsführungsebene gefolgt waren wie nie, wertete Stefan Löbbert, VFU Vorstand und Leiter des Nachhaltigkeits-Managements der HypoVereinsbank, als Zeichen dafür, dass Nachhaltigkeit endlich ein strategisches Thema geworden sei. Damit böten sich jetzt Chancen, sich dem Thema unternehmerische Verantwortung auf der obersten Ebene zu widmen und Potenziale mit weitreichenden Folgen freizusetzen. Die Haltung der Führungskräfte sei dabei entscheidend. „Gelebte Werte, Transparenz und Kommunikation sind wichtige Voraussetzungen für den erfolgreichen Wandel einer Unternehmenskultur“, fasste der VFU Vorstand zum Abschluss der Tagung zusammen.
Eigenverantwortung und Talentmanagement sind gefragt
An die Eigenverantwortung des einzelnen Mitarbeiters appellierte Aja Appel, Gründerin von Five Steps in München. Als Führungskräfte-Coach vertritt sie den Standpunkt, dass sich Nachhaltigkeit vor allem durch die innere Haltung jedes Einzelnen zeigt, die Art und Weise, wie er sich selbst einbringt und mit anderen umgeht. Die Größe der Beziehungsebene, die Menschen miteinander haben, bestimme letztendlich die Größe und Qualität der Resultate. Caspar von Blomberg, Egon Zehndner International, sieht darüber hinaus Begeisterung, Empathie und exzellente Dialogfähigkeit als maßgebliche Kompetenzen für Mitarbeiter, die das Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen umsetzen. Es sei daher entscheidend, geeignete Mitarbeiter zu finden, sie zu qualifizieren und entsprechende Entwicklungsprogramme aufzusetzen. Diese Meinung vertrat auch Generali Deutschland Vorstand Schmallenbach: „Auf Augenhöhe und im konstruktiven Miteinander lassen sich Menschen dafür gewinnen, Nachhaltigkeit mitzugestalten.“
Vielseitiges Programm - Impulse und Ideen für die Integration von Nachhaltigkeit
Unterschiedliche Blickrichtungen und neue Erfahrungen sorgen für erweiterte Handlungsoptionen. Dieser Devise sind die Organisatoren bei ihrer Programmgestaltung gefolgt. So zählten zum Referentenpool unter anderem Dr. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und ordentliches Mitglied im Finanzausschuss, Andreas Streubig, Bereichsleiter der Umwelt- und Gesellschaftspolitik Otto Group, Politikwissenschaftlerin Ulrike Mühlberg, Leiterin der Abteilung „Living Responsibility“ der Deutschen Post DHL, Dr. Nadine Pratt, die sich am Collaboration Centre for Sustainable Consumption and Production (CSCP) mit Megatrends der Zukunft beschäftigt sowie namhafte Umweltexperten und Wirtschaftswissenschaftler. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Heike Leitschuh. Das Abendprogramm gestalteten Isabelle Münsch und Kay Fischer mit einer Klangperformance.
Wesentliche Tagungserkenntnisse auf einen Blick
1. Das Finanzsystem befindet sich im Umbruch. „Business as usual“ ist keine Option mehr. Vielmehr kommt es darauf an, Nachhaltigkeit als Strategie der langfristigen Existenzsicherung zu begreifen. Dabei geht es maßgeblich um die Neudefinition der Rolle der Finanzwirtschaft als gesellschaftspolitischem Akteur, das Wiederherstellen von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in das System und um Transparenz. Zentraler Aspekt ist die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Intention, warum Banken und Versicherungen einst gegründet worden sind.
2. Die Neuentwicklung nachhaltiger Produkte und Prozesse sowie das Thema des verantwortungsvollen Investierens hängen vor allem von der Entscheidung der Finanzwirtschaft ab, wie sie ihre Rolle definiert und inwiefern sie als gesellschaftlicher Akteur das System mitgestalten will.
3. Die langfristige Umlenkung der Investitionsströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten kann nur in einer Übereinstimmung von Politik, Finanzsektor und Gesellschaft geschehen. Hierzu bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen.
4. Nachhaltigkeit ist ein Führungsthema und somit ein Beziehungsthema. Es zeigt die Art und Weise, wie das Kerngeschäft neu und menschengerecht gelebt wird. Dazu braucht es eine Kultur von Anerkennung und Wertschätzung mit Visionen, gelebten Werten und Vorbildern, die das Thema engagiert und mit Herzblut voranbringen. Nachhaltige Organisationen schaffen deshalb Raum für Eigenverantwortung. Anreizsysteme können dazu ein Türöffner sein.
5. Die Haltung, aus der heraus ein Mensch agiert, bestimmt die Art und Weise, wie Organisationen handeln und mit Stakeholdern kommunizieren. Ist beides kongruent, entsteht Glaubwürdigkeit.