Freizeit

Gutes tun auf Reisen wird "schick"

Das Geschäft mit Freiwilligendiensten in der Reisebranche blüht, die Anbieter von Reisen mit sozialem Mehrwert erfüllen allerdings nur vereinzelt die Qualitätskriterien von professionellen Hilfsorganisationen. Zudem sind die Erwartungen von Reisenden, Anbietern und Partnerorganisationen in den Entwicklungsländern oft diametral entgegen gesetzt. Es sei daher dringend geboten, mehr Transparenz in die Angebote zu bringen und Standards der staatlich geregelten Freiwilligenarbeit in den boomenden "Voluntourismus" zu übernehmen. So das Ergebnis einer Podiumsdiskussion des Travel Industry Club Austria, die im Rahmen der Ferienmesse im Wiener Hotel Imperial stattfand.

14.01.2016

Gutes tun auf Reisen wird "schick" zoom
Der Travel Industry Club Austria hat dem Thema Voluntourismus ein eigenes Networking gewidmet. Im Bild v.l.n.r. Gabriela Sonnleitner, Magdas Hotel, Gabriela Artner, Manstein Verlag, Eva-Maria Wirl, TravelWorks Wien, Antje Monshausen, Tourism Watch, Harald A. Friedl, Dozent für nachhaltigen Tourismus FH Joanneum.

Laut einer aktuellen Untersuchung von "Tourism Watch - Brot für die Welt" steigt die Nachfrage nach Volunteering-Reiseangeboten seit 20 Jahren kontinuierlich. Während die staatlich geförderten und geregelten Freiwilligendienste in der DACH-Region bei 6.000 bis 7.000 Teilnehmern pro Jahr stagnieren, haben sich die Zahlen bei kommerziellen und privaten Diensten zuletzt auf 15.000 bis 25.000 verdreifacht. Da stellen sich automatisch Fragen, erklärte die Leiterin von Tourism Watch, Antje Monshausen. Wie erfolgt die Projektauswahl, welche Qualitätskriterien müssen gelten, welche Qualifikationen müssen Reisende mitbringen, wie wird Fehlverhalten von "Kunden" sanktioniert?

Viele Umsetzungsdefizite im Voluntourismus

Obwohl Monshausen kommerzielle Angebote grundsätzlich begrüßt, ortet ihre Organisation eine Reihe von "Umsetzungsdefiziten". Nur einer der 23 untersuchten Anbieter erfüllt derzeit Qualitätskriterien, die für staatliche Angebote gelten. Standards seien kaum vorhanden, etwa für eine qualifizierte Auswahl von Teilnehmern oder professionelle Vorbereitungsmaßnahmen, Preistransparenz und Informationen darüber, wie die aufnehmende (Partner-)Organisation honoriert wird. Verhaltensregeln für Freiwilligendienste fehlen, ebenso die Nachbearbeitung und unabhängige Prüfung der Nachhaltigkeitsbilanz. Es gebe auch erhebliche, teils schwerwiegende Defizite im Kinderschutz.

Hinzu kommen oft völlig unterschiedliche Vorstellungen von Reisenden und Anbietern sowie die fehlende Mitsprache der aufnehmenden Organisationen in den Entwicklungsländern. Monshausen sprach in diesem Zusammenhang von "entwicklungspolitischen Risiken". Vielfach würden kommerzielle und private Anbieter neokoloniale Klischees geradezu fördern. Dabei seien armutsorientierte Marketingmethoden strikt verboten, lokale Abhängigkeiten dezidiert zu vermeiden. Es dürfe zu keinem "Waisenhaus-Tourismus" kommen, warnte die Expertin. Missachtung von Privatsphäre und Persönlichkeitsrechten, Kindeshandel, sexuelle Ausbeutung, Kriminalität und Korruption seien allgegenwärtig.

Anzeige

Kurz mal die Welt retten

Das Missverständnis beginnt laut Experten bereits damit, dass Kunden von Volunteering-Angeboten glauben, auf einer zweiwöchigen Urlaubsreise in ein Entwicklungsland tatsächlich etwas bewirken zu können und den Menschen dort etwas Gutes zu tun. So interessant das Geschäftsmodell klingt, so unrealistisch sind solche Erwartungen - abgesehen davon, dass fehlende Transparenz in der Kommunikation und in der Vorbereitung zu Enttäuschungen führen und vieles ethisch nicht zu rechtfertigen ist. Ständig beobachtet werden muss daher auch, dass solche Projekte nicht zum Nachteil für die Gastländer werden, so die einhellige Meinung in der Podiumsdiskussion.

Eva-Maria Wirl vom Reiseanbieter "TravelWorks Wien - Arbeiten und Reisen im Ausland" relativierte jedoch allzu große Befürchtungen. Voluntourismus-Angebote sind in Österreich noch ein Nischensegment, nur knapp 15 Prozent ihrer Kunden seien tatsächlich bereit, etwas unentgeltlich zu tun. Der Grazer FH-Professor Harald A. Friedl erklärte den Volunteering-Trend mit dem gesteigerten Bedürfnis junger Menschen nach Orientierung und Sinnsuche. Die Erlebnis- und Wellnessgesellschaft der 1980er- und 1990er-Jahre habe sich zu einer "Sinngesellschaft" weiterentwickelt, die "Generation Praktikum" habe großes Interesse an Freiwilligeneinsätzen im Ausland. Friedl plädierte dafür, bei Volunteering-Angeboten lieber gleich deutlich zu kommunizieren, was die Teilnehmer erwartet.

Was cool ist, funktioniert

Auch Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin von Magdas Hotel, einem Caritas-Betrieb, sieht nichts Verwerfliches darin, ein Geschäft daraus zu machen, indem man - mit Freiwilligendiensten - Sinn stiftet. Wenn alle Beteiligten davon profitieren, ist nichts dagegen zu sagen. Wichtig sei jedoch, dass jene entlohnt werden, die die wirkliche Arbeit leisten - und dafür braucht es Regeln. Für ihr eigenes Projekt, ein von Asylbewerbern betriebenes Hotel in Wien, meinte Sonnleitner, der soziale Mehrwert werde überbewertet. Letztlich sei es "cool", ein solches Hotel hier zu haben, eine soziale Idee zu verwirklichen, und wenn es läuft, umso besser.

Quelle: UD/pte
 

Related Posts

Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche