Heizkosten sinken, aber Energieeffizienz weiter wichtig
Im Schnitt haben 2016 deutsche Privathaushalte sechs Prozent weniger für Heizkosten ausgegeben als im Vorjahr. Eine Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit dem Energiedienstleister ista zeigt, dass die Einsparung nicht auf geringeren Verbrauch oder Modernisierungsmaßnahmen zurückgeht, sondern auf deutlich gesunkene Energiepreise.
17.11.2017
Der von dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erstellte Wärmemonitor 2016 hat ergeben, dass Privathaushalte letztes Jahr mehr geheizt haben als 2015. Der Energieverbrauch stieg trotz bundesweiter Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebestand um zwei Prozent. Die Berechnungen basieren auf ista-Heizenergieabrechnungen von Mehrfamilienhäusern in Deutschland und erfolgten klima- und witterungsbereinigt.
„Eine mögliche Erklärung sind die niedrigen Energiepreise. Gas und Öl sind momentan günstig, da ist der Anreiz, aus monetären Gründen Energie einzusparen, eher gering. Eine weitere Erklärung ist der sogenannte Rebound-Effekt. In den letzten Jahren sind viele Gebäude energetisch saniert worden. Das kann dazu verleiten, weniger auf das eigene Konsumverhalten zu achten – nach dem Motto: Das Gebäude ist jetzt energieeffizient, da kann ich mir ruhig mal ein, zwei Grad mehr im Wohnzimmer gönnen. Trotz des Mehrbedarfs haben die Haushalte im vergangenen Jahr Kosten eingespart, eben weil die Energiepreise gesunken sind“, erklärt Thomas Zinnöcker, CEO von ista.
Ein Vergleich der letzten acht Jahre zeigt, dass die Kostenbelastung für Haushalte um ein Drittel gesunken ist. Während 2008 ein deutscher Haushalt noch sechzehn Prozent der Monatskaltmiete für die Energiekosten aufwenden musste, waren es 2016 zehn Prozent. Am meisten zahlten die Hamburger mit 7,81 Eurocent pro Kilowattstunde, wohingegen die Haushalte im Allgäu durchschnittlich mit 4,85 Eurocent pro Kilowattstunde bezahlten. Am wenigsten geheizt wurde im deutschlandweiten Vergleich im Osten. Hier lag der Energiebedarf im Vergleich rund fünf Prozent niedriger. Wissenschaftler führen dies auf die Modernisierungswelle nach der Wende zurück. Dafür spricht auch, dass die Werte sich langsam dem Westniveau anpassen. Auf dem zweiten Platz landet Südwest-Deutschland. Hier vermuten die Analysten den höheren Neubaubestand in Baden-Württemberg und in Bayern als Ursache.
Gebäudeeffizienz und Klimaziele
Die Ergebnisse der Studie sind klimapolitisch nicht ohne Brisanz: Das ambitionierte Ziel, bis 2020 den CO2-Ausstoß bundesweit um 40 Prozent zu senken, kann nur gelingen, wenn auch im Gebäudebestand entsprechende Schritte erfolgen. Bis dahin muss Deutschland deshalb den Heizenergiebedarf um zehn Prozent senken, um die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Ist das realistisch? ista-Chef Zinnöcker ist skeptisch: „Die Klimaziele sollten nicht in Stein gemeißelt sein. Denn die Einsparziele bis 2050 können nicht realistisch mit den heutigen technischen Möglichkeiten definiert werden. Wenn wir vor 30 Jahren über die Telekommunikation von heute nachgedacht hätten, wären wahrscheinlich die wenigsten von uns auf das Smartphone gekommen. Mehr Technologieoffenheit und Fortschrittsoptimismus sind daher sinnvoll. Darüber hinaus sind überambitionierte Ziele oftmals kontraproduktiv, weil sie die Beteiligten von vornherein entmutigen. Stattdessen sollten wir von Schritt zu Schritt und Maßnahme zu Maßnahme denken. Dazu brauchen wir aber ein effizientes Steuerungssystem, das die Entwicklung hin zu einem energieeffizienten Gebäudesektor pragmatisch begleitet, z.B. in Form einer Datenbank, in der die CO2-Emissionen aller Gebäude in Deutschland erstmals erfasst werden.“
Umdenken bei Heizgewohnheiten
Aktuell sind der Grund für die geringeren Heizkosten die niedrigen Preise für Gas und Heizöl, die im Schnitt acht Prozent gesunken sind. Sobald diese wieder steigen, wirkt sich dies unmittelbar auf die Heizkosten aus. Vor schwankenden Kosten schützt nur eine dauerhafte Senkung des Verbrauchs. „Eine Kombination aus energieeffizienten Gebäuden und optimiertem Nutzerverhalten kann helfen, die Heizkosten nachhaltig zu senken“, sagt Thomas Zinnöcker. „Grundlage für beides ist Transparenz über die Verbräuche. Hier gilt es, Lösungen mit Augenmaß zu finden, die die Interessen von Investoren, Vermietern und Mietern im Sinne eines nachhaltigen, aber bezahlbaren Klimaschutzes vereinen. Wichtig ist dafür, nicht wie bisher primär auf Dämmung und Anlagensanierung zu setzen, sondern niedriginvestive Maßnahmen in den Blick zu nehmen. Dazu gehört die Frage, was der Bewohner im Gebäude selbst tun kann, um seinen Verbrauch zu optimieren“, so Zinnöcker weiter.
Mehr Transparenz verändert Verbraucherverhalten
Oftmals reicht schon ein regelmäßiger Hinweis über die aktuellen Verbräuche um das Verbraucherverhalten zu ändern. „Bisher bekommen Bewohner von Mehrfamilienhäusern in Deutschland einmal im Jahr eine Heizkostenabrechnung. Vorteil: Jeder zahlt nur das, was er tatsächlich verbraucht hat. Das animiert die Menschen nachweislich dazu, mehr auf ihren Verbrauch zu achten und Energie einzusparen, indem sie ihr Nutzerverhalten ändern. In einem Modellprojekt mit der Deutschen Energie-Agentur (dena), dem BMUB und dem Mieterbund haben wir untersucht, was passiert, wenn Mieter nicht nur einmal im Jahr, sondern monatlich über ihren Heizverbrauch informiert werden. Zum Beispiel auch über ein Webportal oder eine Smartphone App. Das Ergebnis nach drei Jahren: Die informierten Mieter sparten im Durchschnitt zehn Prozent ihres jährlichen Wärmeverbrauchs ein. Mehr Transparenz führt also zu mehr Energieeffizienz. Diesen Effekt muss man nutzen, um die Energiewende im Gebäude weiter voranzubringen“, sagt Thomas Zinnöcker. „Um Energie zu sparen, muss man erst einmal die nötige Sensibilität haben. Wer seine Wohnung verlässt, macht überall das Licht aus - aber gilt das auch für die Heizung? Digitale Lösungen können hier helfen und einen ähnlich einfachen Komfort bieten. Allerdings sind Heizungsanlagen viel träger als ein Lichtschalter, deshalb gehört zur Steuerung der Heizungsanlagen die Berücksichtigung von Wetterprognosen. Transparenz, intelligente Technik und Verbraucherverhalten können so einen wertvollen Beitrag für den eigenen Geldbeutel und für den Klimawandel leisten.“